TV Shows

  • Hallo zusammen. Mich würde es mal interessieren, wie es veranstaltungstechnisch bei TV Shows abläuft. Haben wir hier jemanden, der in diesem Gebiet tätig ist und einmal ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern könnte?


    (Es geht nicht um ein konkretes Projekt oder so. Es ist rein die Neugier, etwas aus diesem Bereich zu erfahren)


    Vielen Dank!

    Der Ton macht die Musik.

  • Hoi zegi.


    Es wäre hilfreich wenn du deine Fragestellung erst etwas präzisierst bzw. unterteilst z.B. Gewerke, Hierachiestrukturen, Planungsabläufe, etc.


    Dann noch TV only oder VA mit TV-Übertragung usw.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Hallo,


    über den Umweg von der Musik über das Studio hin zum Livemischen hat es mich durch ein paar lustige Zufälle vor einigen Jahren auch zum Fernsehen verschlagen. Ich habe unter anderem bei den letzten 250 Sendungen von Deutschlands erfolgreichster und langlebigster Latenightshow den Saalton gemacht, seitdem mache ich immer wieder mal Ton für verschiedene Shows, mittlerweile auch gerne Musikvormischungen für den Sendeton oder auch mal den kompletten Sendeton.


    Ich bin also kein ausgewiesener TV-Experte (wie beispielsweise der sehr geschätzte Kollege JeffL), habe aber mittlerweile doch einiges an Erfahrungen sammeln können, teils auch bei wirklich großen Produktionen, immer mit Publikum und meistens mit Livemusik.


    Für mich war Anfangs gewöhnungsbedürftig, was für einen geringen Stellenwert die Beschallung bei Fernsehproduktionen hat. Es gibt zwar ein paar lobenswerte Ausnahmen, aber generell ist nach meiner Erfahrung beim Fernsehen der Saalton ziemlich egal, solange alles irgendwie zu hören ist und er die anderen Gewerke nicht stört.

    Boxen dürfen nicht zu sehen sein und der Sendeton darf nicht beeinflusst werden, also zu räumlich werden. (Was ein zu lauter Saalton anrichten kann ist mir erst klargeworden, seitdem ich selber gelegentlich Sendeton mische). Kameraleute und Produktion wollen möglichst wenig in ihrer Kommunikation über Headsets gestört werden.

    Meist wird daher mit dezentraler Beschallung und vielen Matrixen gearbeitet, um bei moderatem Pegeln trotzdem eine vernünftige Sprachverständlichkeit im gesamten Publikum zu erreichen.

    Schwierig wird es, wenn Ansteckmikros benutzt werden. Wenn dann, wie in der von mir betreuten Show auch noch Livemusik dazu kommt (und der Chef ausdrücklich möchte, dass diese Musik richtig ballert), hat man teilweise einen extremen Lautstärkesprung zwischen Musik und Moderationen.

    Headsets erleichtern die Arbeit erheblich und Handmikros machen sie unproblematisch.


    Gewöhnungsbedürftig fand ich außerdem, wie wenig Zeit dem Ton bei den Proben eingeräumt wird, normalerweise wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass alles sofort funktioniert.

    Gute Vorbereitung, Kommunikation und Planung sind also unumgänglich: Alle Eventualitäten durchdenken, Mikros optimal koppelfest machen solange es niemanden stört, immer genügend Spare-Mikros und Zuspielmöglichkeiten vorhalten. Während der eigentlichen Proben und erst recht während der Sendung gibt es dann nur sehr wenig Verständnis für Tonprobleme...


    Ist also im Prinzip wie bei Gala oder Industrie (was ich beides allerdings nur selten mache), außer, dass man zusätzlich noch auf den Sendeton Rücksicht nehmen muss und die Leute/Kunden mit denen man zu tun hat meist recht angenehm im Umgang sind.


    Oft ist es etwas chaotisch und zwischendurch immer mal wieder sehr stressig, ich muss es nicht jeden Tag haben, aber meistens macht es am Ende dann doch Spass...


    Viele Grüße,

    Christoph

  • Hoi zegi.


    Es wäre hilfreich wenn du deine Fragestellung erst etwas präzisierst bzw. unterteilst z.B. Gewerke, Hierachiestrukturen, Planungsabläufe, etc.


    Dann noch TV only oder VA mit TV-Übertragung usw.

    Mir ging es um Berichte wie der von cschnee. Also Fragen wie eben zum Beispiel der Ton im Saal gemischt wird. Ob dort bei Live-Auftritten wirklich "Konzert-Feeling" aufkommt, oder ob das dann eher einer Hörsaal-Atmosphäre entspricht. Oder auch wie die Technik organisiert ist. Im Gegensatz zu "normalen" Liveshows kommen da ja noch die Kameras und eine Regie dazu. Wer gibt da wem welche Anweisungen? Oder umgekehrt - wie autonom ist z.B. der Tonmensch?


    Oder praktische Fragen; wie wird die Eventtechnik dimensioniert? Gibt es einen Materialpark, von dem man sich bedienen kann nach Lust und Laune? Wird zugemietet? Entscheidet der Regisseur? Wird das von Show zu Show neu offeriert?


    Im Umgang mit den Acts; geht man auf Rider ein? Oder ist es eher so, dass man von der Produktion den Bands einen engen Rahmen vorgibt? "Zwingt" man teilweise Acts zu Playback/Halbplayback?

    Der Ton macht die Musik.

  • Hallo Zegi


    dann versuche ich, mal die konkreten Fragen zu beantworten.

    Zitat

    wie eben zum Beispiel der Ton im Saal gemischt wird. Ob dort bei Live-Auftritten wirklich "Konzert-Feeling" aufkommt, oder ob das dann eher einer Hörsaal-Atmosphäre entspricht. Oder auch wie die Technik organisiert ist. Im Gegensatz zu "normalen" Liveshows kommen da ja noch die Kameras und eine Regie dazu.

    Nach meinen Erfahrungen darf ruhig Konzert-Feeling aufkommen, solange es die anderen Gewerke nicht stört...

    Ein Kameramann, der direkt vor der PA steht und sein Headset nicht mehr hört findet das üblicherweise nicht so toll.

    Einmal hatte ich den Fall, dass bei einer sehr großen Produktion mit Deutschlands erfolgreichster Sängerin ein Kameramann, der mit starkem Teleobjektiv vor meinem FoH, also relativ weit weg von der Bühne stand sich bei mir beschwert hat, das sein Bild bei jedem Bassdrum-Schlag wackelt. Dem war im Vorfeld eine Diskussion mit dem Soundsupervisor (sowas gibt es bei den richtig großen Produktionen dann auch noch) vorausgegangen, wieviel Bass die Halle verträgt. Er hat sich durchgesetzt, Halle (und Bühne) standen in einer fetten Basswolke. Ich glaube, dem Publikum hat's gefallen, die Produktion fand's eher nicht so toll...


    Zitat

    Wer gibt da wem welche Anweisungen? Oder umgekehrt - wie autonom ist z.B. der Tonmensch?

    Prinzipiell ist man relativ autonom. Wie schon im vorigen Post geschrieben: Solange alles funktioniert und alles zu hören ist, interessiert die Beschallung nach meiner Erfahrung eigentlich nicht weiter. Bekanntere Künstler haben gerne mal eigene Tonleute dabei, die sich aber eher um den Sendeton als um die Beschallung kümmern. Auch richtig große Acts bringen ihre Tourproduktion nur dann mit, wenn sie sowieso grad mit dieser unterwegs sind.

    Mit der Regie hat man nur selten zu tun, direkte Ansprechpartner sind üblicherweise die Tonregie (über die z.B. auch vorgemischte Zuspieler kommen) und Set-AL (Aufnahmeleiter im Studio), das ist normalerweise die Schnittstelle zu Produktion und Regie. Es gibt eine Sprechstelle, über die theoretisch alle Gewerke direkt angesprochen werden können, das ist aber normalerweise nur selten nötig.


    Zitat

    Oder praktische Fragen; wie wird die Eventtechnik dimensioniert? Gibt es einen Materialpark, von dem man sich bedienen kann nach Lust und Laune? Wird zugemietet? Entscheidet der Regisseur? Wird das von Show zu Show neu offeriert?

    Unterschiedlich; bei den Produktionen, mit denen ich zu tun habe produzieren die Sender nicht selber, sondern es gibt Produktionsfirmen, bei denen es für die jeweiligen Sendungen einen Produktionsleiter gibt. Dieser verwaltet das Budget und entscheidet dementsprechend, was für Material und Personal disponiert wird.

    Egal, ob Beschallungsfirma, Studio und Produktionsfirma direkt zusammen gehören oder projektweise zusammenarbeiten muss aber natürlich trotzdem immer alles abgerechnet werden, Geld spielt immer eine Rolle.

    Zitat

    Im Umgang mit den Acts; geht man auf Rider ein? Oder ist es eher so, dass man von der Produktion den Bands einen engen Rahmen vorgibt? "Zwingt" man teilweise Acts zu Playback/Halbplayback?

    Wie weit man der Band ihre Wünsche und ihren Rider erfüllt hängt - wie im richtigen Leben - stark von der Popularität derselben ab und ob die Sendung vom Auftritt der Band profitiert oder die Band vom Auftritt in der Sendung...

    In meinem konkreten Fall war es so, dass es ein festes Setup im Studio gab, das ungefähr der Ausstattung eines mittleren Live-Clubs entsprach (32 Inputs, 6 Wege Monitore, passende Mikros und Outboard, Monitor vom FoH). Wenn die Anforderungen darüber hinaus gingen, mussten sich Produktion und Bandmanagement/Plattenfirma darüber einigen, wer die Zusatzkosten übernimmt.

    Ob eine Band Live, Playback oder Halbplayback spielt hängt dann vom Konzept der Sendung, den Vorlieben der Künstler und der Durchsetzungsfähigkeit des Band-Managements ab.


    Viele Grüße,
    Christoph

  • Ich hab über 10 Jahre bei den öffentlich rechtlichen Bühnen und Kulissenbau gemacht. Das ist alles wie bei jeder anderen Veranstaltung von der Planung bis zur Ausführung nur das sich halt manche für was besseres halten weil sie TV machen. Aber ansonsten kochen die auch nur mit Wasser.

  • ich habe die selben erfahrungen gemacht wie cschnee, wenngleich auch mit nicht so wichtigen produktionen wie er.

    aber das ergebnis ist 1:1 vergleichbar, für den saalton interessiert sich quasi niemand ernsthaft - nur der sendeton ist wichtig!


    ob das publikum im saal ein schönes hörgefühl hat kann der hauptkunde vor seinem fernsehgerät ohnehin nicht erahnen - und somit spielt das auch fast keine rolle.

    ich schreibe "fast" deswegen, weil es natürlich schon nett ist wenn das publikum mitbekommt wann es klatschen soll. also muss es zumindest irgendwas hören. und je schöner der kollege am tonpult das - trotz aller widrigkeiten - hinbekommt, dasto besser ist auch das publikum drauf ;)



    z.b. im baden-badener rundfunkkomplex habe ich schon öfter mal den saalmix für diverse bands gemacht.

    es war überhaupt kein problem, da mit dem eigenen pult anzukommen - weil sich der rundfunk die signale einfach an der stagebox abgegriffen hat und diese signale für den sendemix in ein separates studio führt, in dem eine dicke Lawo konsole nebst tonmeister sitzt. das was man also im radio oder bei TV-sendungen mitbekommt, hat meist überhaupt nix mit dem saalton zu tun.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Interessant sind TV Shows, bei denen es klassische Talks aber eben auch vollwertige Konzerte mit Fans etc gibt. Da ist sehr viel Fingerspitzengefühl in der Zusammenarbeit mit den Ton-Kollegen im Ü-Wagen angesagt. Alles lösbar, aber einfach nur seinen Stiefel durchziehen stösst in der Regel nicht auf Freunde.

  • das was man also im radio oder bei TV-sendungen mitbekommt, hat meist überhaupt nix mit dem saalton zu tun.

    Das heißt; eine Band wird zweimal gemischt?

    Die Moderations-Mikros ebenfalls?

    Never stop a running System

  • Das heißt; eine Band wird zweimal gemischt?

    Die Moderations-Mikros ebenfalls?

    Vermutlich eher 3mal. Monitormix, Saalmix und Sendeton. Das ist ja an sich keine Seltenheit, dass ein "Audioereignis" mehrfach gemischt wird. Auch wenn man gute Livemitschnitte haben möchte, braucht das einen zweiten Mix. Sofern man das nicht mit einer Mehrspuraufnahme löst, die man später nochmals neu mischt, braucht das auch 2 Leute. Beide Mixe gleichzeitig auf hohem Niveau zu machen, mag nur in speziellen Ausnahmefällen funktionieren.

    Der Ton macht die Musik.

  • Und wozu?

    Kann das nicht einmal für alle gemacht werden?

    Guter Sound ist doch guter Sound. Bzw. die Mischung.

    Reicht das nicht; die jeweilige Summe (nach)zubearbeiten?

    Never stop a running System

  • Wenn man für den Saal mischt, muss man die Raumakustik mit einbeziehen, den Sound der PA anpassen und evtl. auch Feedback-gefährliche Frequenzen rausziehen. Bei kleineren Locations kommt der Bühnensound dazu, der auch Einfluss auf den Mix hat.

    Beim Sendeton muss man solche Aspekte nicht/wenig berücksichtigen.

    Der Ton macht die Musik.

  • ich gehe mal davon aus, dass sich der rundfunk im zweifelsfalle dann doch lieber auf sein eigenes personal verlässt. in der regel sind das ja studierte toningenieure (und im übrigen oft recht nette und entspannte zeitgenossen).

    man hat da also vertraute leute am pult sitzen, die über viel erfahrung und auch ein gewisses talent verfügen, aus jeder signalquelle noch irgendwas brauchbares zu machen.


    im gegensatz dazu weiß der sender im vorfeld aber überhaupt nicht, über welche art von talent der von den künstlern mitgebrachte tonmischer verfügt.

    wir alle kennen ja auch solche zeitgenossen, bei denen man sich denkt: "oh mann, was treibt denn der da am pult überhaupt?"...


    sich also auf unbekannte leute zu verlassen wäre dann ein bisschen wie russisch roulette...

    ich verstehe jedenfalls durchaus, dass der rundfunk das so macht. und ich fühle mich da auch keineswegs irgendwie hintergangen, ich mache meinen mix für die leute im saal und bekomme mein geld dafür. der toningenieur vom rundfunk bekommt sein geld, um den radio- oder fernsehzuschauern ein gutes ergebnis zu präsentieren. wie zegi schon beschrieb, fallen diese mixe nicht zwingend gleich aus, man muss im saal zum teil ganz anders arbeiten als für den äther.


    und die zeiten, wo man merkte dass der toningenieur vom rundfunk noch nie zuvor in seinem leben eine rockband gemischt hat, sind zum glück schon lange vorbei ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang