Liebe Gemeinde,
in diesen Tagen werden wir Zeugen des nächsten Paradigmenwechsel in Bezug auf unser elementarstes Werkzeug: Das Mischpult.
In den letzten Jahren determinierte unser tontechnisches Dasein die Dualität aus analogen und digitalen Mischpulten. Diese Dichotomie mutiert nun zu einem Tryptichon, einer „Dreifaltig in Ton“. Neben analogen & digitalen Hardware Mischpulten wird uns in diesen Tagen eine weitere Möglichkeit offeriert:
NATIVES MISCHEN
Sprich: Herkömmlicher PC mit einer Mix-Software samt Audiohardware von der Stange.
Einer der Pioniere in dieser Hinsicht ist Bob Lentini mit seiner „SoftwareAudioConsole“ oder als Akronym kurz: SAC.
Link:
http://www.softwareaudioconsole.com
Hier Live in Action:
http://www.youtube.com/watch?v=UOpywReGqEE&fmt=18
und:
http://www.youtube.com/watch?v=dLlsf6qoySw&fmt=18
EDITH: Bezüglich Hardware-->
http://softwareaudioconsole.wikidot.com/faq-hardware
Erinnern wir uns an die Zeiten, als die ersten professionellen digitalen Mischpulte auf den Markt kamen. Als „Taschenrechner“ wurden sie bezeichnet, als nicht bedienfähig, nicht massenkompatibel. In der Gegenwart angekommen muss man feststellen, dass die tontechnische Evolution sich fast ausschließlich digital weiterentwickelt hat. Digitalpulte überall, ich selbst habe in diesem Jahr auf Kofferjobs genau einmal ein analoges MH3 gehabt, sonst nur noch digital.
Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Digitalpulte mit professionellen Features sind trotz der übersichtlichen verbauten Hardware immer noch erstaunlich teuer. Dazu kommt eine protektionistische Herstellerpolitik, was die verwendete Hard- und Software angeht.
ProTools Plugins laufen nur in Digidesign Pulten, Yamaha Pulte gibt es nur mit Yamaha Effekten, Soundcraft setzt ausschließlich auf Harman Konzern Ressourcen (Lexicon). Eine absurde Situation: Jetzt ist man schon digital und hat im Grunde genommen noch weniger Auswahl als in den alten analogen Tagen, wo man sich Dynamics und Effekte frei aussuchen konnte. Wem das auf den Sack geht, der sollte vielleicht mal einen Blick auf SAC werfen.
In SAC können DirectX und VST Plugins aller Hersteller verwendet werden. Gelebte „Audiokratie“ in der Dynamic&FX Sektion! Aber auch sonst werden mit SAC viele Barrieren überschritten, die herkömmliche Pulte im Laufe ihrer Evolution aufgebaut haben. Ich will nicht zu weit ins Detail gehen, in der nächsten „Tools4Music“ Ausgabe ist ein ausführlicher Test und eine Übersicht aller wichtigen Features von SAC enthalten. Zudem wird es dazu Video-Tutorials auf dem Tools4Music YouTube Channel geben.
Wie bei jeder Software, so erfordert auch SAC Einarbeitung und Lernbereitschaft. Dazu kommt, dass in SAC einige Sachen möglich sind, die kein herkömmliches Pult (egal wie teuer es sein mag) bietet. Aber der Umgang damit will gelernt sein.
Q: „Wie sieht ein SAC Setup aus?“
A: “Es gibt nicht DAS SAC Setup!“
Schon in diesem Punkt ist umdenken gefragt. Nur die rudimentäre Ausgangsbasis ist stets gleich: Ein Windows PC (mit XP oder für mutige auch mit WIN7) und die SAC Software. Alles was danach kommt, bleibt dem Anwender überlassen. Völlig Freiheit welche Soundkarte oder welche Mikropreamps man verwenden möchte. Von very low budget bis HiEnd ist alles möglich!
Als Low Budget Setup möchte ich mein komplett gebraucht zusammengekauftes SAC Rig vorstellen:
Computer: ASUS A6ja Laptop (Core2Duo T7200, 2GB RAM)
Soundkarte: RME Digiface mit PCMCIA Karte
MicPres: 3xBehringer ADA8000
Kopfhöreramp: Millenium 4fach für 19,- EUR
Case: SKB Laptopcase, in dem alles fest verkabelt ist.
Kostenpunkt: 1.150,- EUR
Dieses SetUp bietet 26Inputs und 26Outputs. Billiger als ein 01V96 und bietet größere Mixmöglichkeiten als ein PM5D.
Wer mehr Inputs braucht, kann beispielsweise einen 19“ PC bauen mit einer MoTu 424 Karte und bis zu vier Motu 2408 anschließen. Dazu 12x ADA8000 und man hat für ca. 6k ein Setup mit 96 Mikrokanälen und 96 symmetrische Outputs. Wer HiEnd will kann natürlich auch MADI Systeme (SSL Alphalink oder RME) verwenden.
Stichwort Bedienung: Hier heißt es „loslassen können“. Loslassen von der Vorstellung, dass ein Mischpult groß, viele Potis und für jeden Kanal einen Fader braucht. Tonleute mit viel Studioerfahrung haben zugegeben den leichteren Einstieg. Die Arbeit mit Tastatur und Maus ist hier längst normal. Wer gar nicht ohne Fader „kann“, dem bietet sich die Möglichkeit diverse Midicontroller unterschiedlicher Preis- und Leistungsklassen anzuschließen. Ich selbst verwende ab und an einen Behringer BCF2000 für genaue Faderfahrten oder Effektfahrten.
Die Software bietet viele Möglichkeiten der schnellen Navigation, man muss nur gewillt sein, diese zu lernen.
SAC wird definitv nicht für jeden eine Option sein. Ich bin mir allerdings sicher, dass sich das native Mischen neben den bekannten analogen und digitalen Pulten als dritte Möglichkeit etablieren wird. Gegen Ende des Jahres wird es u.a. eine native Mixing Software als SAC Alternative aus deutschen Landen geben. Das Thema wird kommen – ganz sicher.
Unschwer zu erkennen, dass ich selbst mächtig auf natives Mischen abfahre. Durch meine Studioerfahrung bin ich happy, endlich meine bevorzugten PlugIns auch Live benutzten zu können. Anyway, wer Lust hat kann ja mal mit der SAC Demo herumspielen.
Ich werde gerne versuchen, bei Problemen zu helfen. Wie gesagt: SAC ist Neuland, und die erste Orientierung fällt nicht so leicht. Zudem wird man schnell feststellen, dass altbekannte Arbeitsweisen in SAC nicht immer die erste Wahl sind. Ausprobieren – es lohnt sich.
LG
WW