Dual-Diaphragm Microphone

  • Mmh ja, das paper bezieht sich auf die klassische Braunmühl-Weber-Kapsel wie KSM44 oder C414 und dort gibt es klassischerweise diese Aufweitung der Richtcharakteristik zu tiefen Frequenzen.
    Es löst aber genau nicht Kai Pirinjas Ausgangsfrage zum KSM8 :roll:

  • Das nicht. Aber - was ich viel spannender finde - es bestätigt meine Beobachtung, dass sich der Begriff "Dual-Diaphragm" offensichtlich (und bis vor kurzer Zeit ausschließlich) auf ...

    Zitat von "shure"

    klassische umschaltbare Richtcharaktertisitiken mit zwei Nierenkapseln (wie das KSM44) bezieht und recht wenig mit dem Dualdyne Prinzip des KSM8 zu tun hat.

    Ich denke, also bin ich hier falsch.

  • Das Thema "Doppel-Grossmembrankapsel, welche im Tieffrequenzbereich zum Druckempfänger mutiert" hatte wir tatsächlich schon einmal vor ca. 5 1/2 Jahren, inkl. eines sehr aufschlussreichen Gedankenspiels zum Thema von Seiten eines Mitarbeiters der Firma Schoeps: :wink:


    http://paforum.de/phpBB/viewtopic.php?f=24&t=75937&p=630653&hilit=Grossmembran+Kugel+Druclempf%C3%A4nger#p630653

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  • So jetzt habe ich mir das mal genauer angeschaut:


    In dem Päckchen, das uns Jürgen geschürt hat, ist doch einiges mehr drin, als uns Kai Pirinja dann weiter zitiert hat, und, wer lesen kann, ist wie immer im Vorteil, es steht auch eindeutig vor diesem "Kondensatormikro-Paper"Zitat, dass es zitiert ist, um den Unterschied zu verstehen!!! :roll:


    1. Die "Laienerklärung" des Basistextes gibt schon einiges her

    Zitat

    The second diaphragm is acoustically transparent at higher frequencies, and partially blocks low frequencies from getting to the front diaphragm while still maintaining a true cardioid polar pattern even at low frequencies. Being a cardioid microphone, sound still strikes the rear of the front diaphragm to create rejection, however the second diaphragm controls the buildup of low frequency information that the front diaphragm encounters during proximity effect.
    In a sense, the second diaphragm tricks the front diaphragm to behave like an omnidirectional microphone at low frequencies, resulting in a substantial reduction of proximity effect.
    The second diaphragm controls the proximity effect creating a large “sweet spot” for vocalists, while still maintaining a consistent polar pattern at virtually all frequencies.


    Der Trick besteht also in einer akustischen Semipermeabilität der hinteren Membran, die mit dem erhöhten Widerstand für tiefe Frequenzen ähnlich wie die semipermeabel gemachten unterschiedlich langen Kanäle im VariableD dafür sorgt, dass tiefe Frequenzen relativ später an der Membranrückseite der vorderen Membran ankommen als höhere Anteile. Das hat logischerweise nichts mit der Doppelmembrankonstruktion nach Braunmühl-Weber zu tun und klar, diese Konstruktion wird eben nicht zur Kugel, da der Gradient eben über den größeren Gangunterschied nicht zu tiefen Frequenzen abnimmt! Dieser Teil der Laienerklärung

    Zitat

    In a sense, the second diaphragm tricks the front diaphragm to behave like an omnidirectional microphone at low frequencies, resulting in a substantial reduction of proximity effect

    ist also irreführend, denn bei einem Druckempfänger gibt es per Definitionem keinen Gradienten und schon gar keinen der für tiefe Frequenzen zunimmt. Also nochmal: der Gradient der in einer normalen Nierenkapsel gegen tiefe Frequenzen abnimmt (sogenannte Bassschwäche des Gradientenempfängers), nimmt durch die relative Weglängenvergrößerung für tiefe Frequenzen zu, (b.z.w. nicht ab, was er in der Kondensatordoppelmembrankapsel genau nicht tut) und der Naheffekt nimmt dadurch ab, was er bei Braunmühl-Weber ebenfalls genau nicht tut!


    2. Die Patentschrift ist verlinkt!
    Dort drin steht eigentlich alles, was der geneigte Ingenieur wissen muss, um es zu verstehen. :wink:
    Auf Abbildung 1 und 2 sieht man in den Schnitten schematisiert sehr schön die im Gegensatz zum konventionellen Gradientenempfänger geänderten Wege zur Membranrückseite, auf Abbildung 9 der Patentschrift ist im Messprotokoll auch eindeutig zu sehen, wie sich der Frequenzgang zum Aufnahmewinkel und damit auch die Richtcharakteristik verhält:
    von 0° bis 90° bleiben die Frequenzgänge abgesehen von der erwarteten Gesamtdämpfung bis -6dB bei 90° konstant, bei 180° fällt eben auf, dass die Rückwärtsdämpfung bei tiefen Frequenzen bestehen bleibt und sich nicht die gewohnte Badewanne, wie man sie auch von Kleinkondensatornieren kennt (In der Mitte die Senke auf der Nierenrückseite, oben der Anstieg durch die zunehmende Supernierencharakteristik für hohe Frequenzen und unten der Anstieg zur Kugel durch den abnehmenden Gradienten) zeigt.


    Danke an Jürgen, ich war durch das unvollständige Zitat in Kai Pirinjas Beitrag fehlgeleitet.

  • Noch ein kleiner Exkurs zum Verständnis des Tricks mit der Vergrößerung des Gangunterschieds für tiefe Frequenzen zur Membranrückseite:


    Gebt Electro-Voice 666 (die Urmutter der VariableD Mikros) in die Suchmaschine ein -> Bilder -> dann ein Bild suchen, in dem man das Mikro von seitlich hinten sieht:
    Man erkennt am Kopf des Mikros seitlich die rückwärtigen Einlässe zur Membran, wie man sie auch von anderen Gradientenempfängern kennt, etwas weiter hinten oben eine weitere zweite Öffnung wie ein Ventil und am hinteren Ende eines merkwürdigen Stegs/Höckers am Mikrofonschaft eine dritte kleine Öffnung durch die der Schall offensichtlich einen recht langen Weg zur Membranrückseite nimmt, und in dem ein Absorber hohe Frequenzen zurückhält, sodass man hier den Kanal für den "Bassgradienten" vor sich hat.
    Den gleichen Job übernimmt die semipermeable Membran im KSM8, die hohe Frequenzen ungehindert auf dem "kurzen" Weg zur Membranrückseite der vorderen, eigentlichen Wandlermembran durchlässt, für tiefere Frequenzen jedoch einen "längeren"(über die resistance langsameren) Weg erzwingt. That's it.

  • Gerade habe ich mir mal den Bonedo "Test" :lol: zum KSM8 zu Gemüte geführt. Das Mikro ist bestimmt super und ich werde sicher auch eins testen, allerdings ist von dem, was der Verfasser sich hier ausgedacht hat, eins schlicht falsch:


    Das RE20 ( und dessen Abkömmlinge RE27 und RE320) ist nicht das einzig übriggebliebene VariableD Konkurrenzprodukt, welches wegen des Handlings nicht in Frage kommt, sondern es gibt bis heute noch immer das EV RE16 als Gesangsmikro neu zu kaufen, welches als Gesangsmodell mehrere Jahrzehnte dieses Prinzip als Alleinstellungsmerkmal unter den Gesangsmikros aufwies und daher immer weiter gebaut wurde. :wink:

  • Was wir damals vergessen haben:


    Zweiwegemikrofone


    Gleiches Ziel -> bessere Einhaltung der Richtcharakteristik auch für tiefe Frequenzen und Unterdrückung des Naheffekts.


    Typische Vertreter: AKG D200, D202, D222, D224, D3600. Allesamt exzellente Mikros mit einem breiten Anwendungsspektrum.

    Nachteile:

    1. die notwendigen Schaltungen fraßen ganz ordentlich am Wirkungsgrad und man brauchte gute, damals teure Preamps um die niedrige Empfindlichkeit auszugleichen. (Wäre heute kein Kostenfaktor mehr)

    2. Die 200er Serie der 60er Jahre war nicht so besonders robust und ich habe schon in den Achtzigern viele defekte Exemplare gesehen.


    Das späte, letzte Modell aus der Tripower-Serie der Achtziger, das D3600 war deutlich robuster, dann aber schon verhältnismäßig teuer und hatte nur eine sehr kleine Fangemeinde unter Bläsern und Drummern. Ein Sleeper sozusagen, der dann in den Neunzigern eingestellt wurde. Defekte Exemplare weisen entweder Zeichen falscher Lagerung (feuchte Keller) oder Spuren menschlicher Neugier auf. Es sind aber auch gut erhaltene Exemplare im Umlauf. ;)

  • Hihi, wenn es der dünne Spulendraht war, der reißt bei dem Versuch ab, vor dem Öffnen des Mikros den XLR hinten raus zu ziehen. :)

    Ich denke, da war noch was anderes kaputt, denn das klappt bei meinem Exemplar ganz gut. Man darf aber nicht vergessen, dass das Mikro auch für Kick oder Tuba oder Bari funktionieren sollte. Der Naheffekt ist also nur reduziert aber nicht weg.