• Du solltest Lotto spielen :-/

    Tja. Mitte März hat mir ein Kollege untersagt, weiterhin Vorhersagen über die Durchführbarkeit von Veranstaltungen zu machen, weil die immer zutreffend waren.

    Daß die Verjährung aber nun so eintritt, halte ich für unsportlich. Das hätten die auch ohne Covid-19 geschafft.

  • Juristisch nicht belangt werden können ist die eine Sache. Aber wie die Schuldigen mit der moralischen Schuld umgehen können, nochmals eine ganz andere...

    Zur "moralischen Schuld" bleibt in dem Fall leider nur zu sagen: "Was juckt es die deutsche Eiche, wenn sich die Wildsau daran schubbert!?"

    <X

    Lieber mit Röhre geampt, als in Selbige geschaut!

  • Manches widert mich schon annähernd körperlich an.

    Das hinterlässt mich auch ratlos.

    Alle Konzepte von Sicherheit und Verantwortung werden irgendwie sinnlos wenn so ein massives Versagen wie Duisburg komplett ohne Konsequenzen bleibt.

    Ich meine, was muss noch passieren damit alle Beteiligten Verantwortung übernehmen müssen? Mehr verkacken kann man es doch nicht. Es ist alles bestens dokumentiert, Politik, Polizei, sonstige Behörden und Veranstalter sollten nicht so aus der Nummer heraus kommen.


    Dadurch das der Prozess eingestellt wurde bleiben die Nebenkläger wohl auch auf ihren Prozesskosten sitzen, bei der langen Prozessdauer sind das einige Tausend Euro.

  • Mir wird immer gesagt, man kann sich nicht fremdschämen. Dennoch tue ich es bei solchem (in meinem laienhaften Rechtsempfinden nicht nur moralischen) Versagen. Ich habe Angst davor, dass sowas dann ein Freibrief werden kann. Veranstaltungssicherheit ist Aufwand und Kosten. Dennoch möchte ich als Besucher einer Veranstaltung davon ausgehen, dass für mein bezahltes Ticketgeld auch die Sicherheit nach besten Möglichkeiten gewährleistet ist. Ich finde Leben unbezahlbar. Fremdschämend und kopfschüttelnd...

  • Auf Wikipedia gefunden:


    "Die ursprünglich in Bochum geplante Loveparade 2009 wurde am 14. Januar 2009 abgesagt. Hauptgrund für die Absage der Techno-Veranstaltung war die mangelnde Kapazität des Bochumer Hauptbahnhofs. Die Stadt teilte mit, sie habe nicht die Voraussetzung, den Ansturm von mehreren 100.000 Besuchern zu bewältigen. Bis zuletzt gab es in Bochum außerdem keine passende Strecke für das Großereignis.[45]

    Maßgeblich an der Absage war der damalige Polizeipräsident Thomas Wenner beteiligt. Um sich gegen die öffentlichen Vorwürfe zu wehren, schrieb Wenner im Januar 2009 einen offenen Brief:[46][47]

    „Was denken sich eigentlich Politiker und Journalisten, die die Metropole Ruhr als Monstranz ihrer Popularität vor sich hertragen, wenn es um die Verantwortung derer geht, die als Amtsträger für die Folgen ihres Handelns persönlich haften? Die mit ihrem Tun die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten haben? Die die Enge des Veranstaltungsraumes und die Disfunktionalität der Zu- und Abfahrtströme kennen, die wissen, dass es schon in Dortmund diesbezüglich heikle Situationen gegeben hat? Die wissen, dass ein Großteil der bis zu 1,5 Millionen jungen Teilnehmer erheblich unter Alkohol und Drogen stehen wird und die sich die Auswirkungen einer Panik unter so vielen Menschen unter solchen Umständen auf so engem Raum unverblendet von Wichtigtuerei vorstellen können? Alles nur unerhebliche Opfer für die Metropole Ruhr?

    Eine Metropole, die als solche überhaupt keine verantwortlich Handelnden kennt, weil die Politik dafür keine Voraussetzungen geschaffen hat. Wer manifeste Sicherheitsbedenken so wenig ernst nimmt, obwohl sie offenkundig sind, sollte sich von Verantwortung fernhalten, statt auf die einzuprügeln, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich ihr stellen. Wir wissen ja alle, dass es dieselben Menschen sind, die beispielsweise bei Kernkraft oder Gentechnologie genau wissen, dass alles, was geschehen kann auch geschehen wird und die, wenn es geschehen ist als erste pharisäerhaft auf die verantwortungslosen Verantwortungsträger zeigen, denen es dann auf der Anklagebank wenig hilft über die Metropole Ruhr zu schwadronieren. Denen werden dann die objektiven Fakten und ihr Wissen und Wollen vorgehalten, sonst nichts, weil Verantwortung so geht. Zu Recht, als ständige Erinnerung, körperliche Unversehrtheit und Leben anvertrauter Menschen so gut wie möglich zu schützen, auch wenn der Spaßfaktor auf der Strecke bleibt. Überleben ist wichtiger […]“

    Wenner wurde im gleichen Jahr gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt."


    Den Artikel kannte ich bis dato nicht und ich finde ihn sehr bemerkenswert.


    >> Bei den Paraden 1998-2002, 2008 und 2010 dabeigewesen <<

    Never stop a running System

  • Was wir nicht vergessen sollten: es ist eine Verkettung von Zufällen, teilweise sicher vorhersehbar, die dazu geführt hat. Es hätte auch glatt über die Bühne gehen können. Es gibt also nicht den verantwortlichen für das Desaster.

    Um ganz ehrlich zu sein habe ich auch schon Dinge getan die hochgradig riskant waren. Jeder der sich hier zum Moral Apostel stilisiert sollte sich 2 Dinge vor Augen führen:

    -wer was macht, macht auch mal Mist

    -ist alles, was ich bis jetzt gemacht habe, Regel konform gewesen?

    Was aus den Opfern geworden ist interessiert hier offensichtlich auch keinen

  • Was wir nicht vergessen sollten: es ist eine Verkettung von Zufällen, teilweise sicher vorhersehbar, die dazu geführt hat. Es hätte auch glatt über die Bühne gehen können. Es gibt also nicht den verantwortlichen für das Desaster.

    Diese Argumentation ist an Absurdität nicht zu überbieten. Was ist an einem hohen Besucherzustrom zufällig? Was ist an mangelnden Fluchtwegen zufällig? Wie kann die Chance, dass ein katastrophales Ereignis nicht eintritt auch nur im entferntesten als Argument dafür dienen, dass es keine Verantwortlichen gibt?

    Wie du ja selbst schon geschrieben hast, war ein Teil der Ereignisse vorhersehbar. Da stellt sich mir die Frage, wie man mit anerkannten Methoden der Risikoabschätzung (z. B. einer Risikomatrix) nicht zu dem Entschluss kommen kann, dass ein Handlungsbedarf besteht.


    Jeder der sich hier zum Moral Apostel stilisiert sollte sich 2 Dinge vor Augen führen:

    -wer was macht, macht auch mal Mist

    -ist alles, was ich bis jetzt gemacht habe, Regel konform gewesen?

    Ich bin es leid, dass es immer wieder heißt "Fehler passieren" und dann ratlos mit den Schultern gezuckt wird. Die überwiegende Mehrzahl an Fehlern ist vermeidbar und auch Eintrittswahrscheinlichkeiten können minimiert werden. Mit einer Einfehlersicherheit (wie bspw. einem Safety) lässt sich ein Großteil der gefährlichen Situationen vermeiden. Es gibt aus gutem Grund mindestens eine Person, die die Verantwortung hat und die Arbeit anderer kontrollieren muss. Wenn man die Sicherheit der Mitarbeitenden und der Besuchenden nicht bestmöglich sicherstellen kann und auch nicht die Verantwortung dafür übernehmen möchte, hat man in der Veranstaltungswirtschaft nichts verloren.

  • -wer was macht, macht auch mal Mist

    Und wer nichts macht, macht in den meisten Fällen mehr als Mist. Ob es um Zivilcourage geht oder die Beachtung elementarer Sicherheitsregeln. Manchmal ist es auch besser nichts zu tun oder die Klappe zu halten. Da hier aber ein gewissen Würgreiz einsetzt:

    -ist alles, was ich bis jetzt gemacht habe, Regel konform gewesen?

    Bei vielen vielleicht nicht und sicher auch nicht bei mir. Aber versucht man dies bestmöglich oder entscheidet man sich aus wirtschaftlichen Gründen dagegen? Oder kommt man gar aufgrund des Austausches mit anderen Fachkundigen zum Schluss: Die Regel taugt nicht oder geht nicht weit genug bzw. nutzt man andere Wege um ein äquivalentes Sicherheitsniveau zu erreichen?


    Es wäre manchmal besser, statt nur die Einhaltung von Regeln (die man vielleicht noch nicht mal versteht) lieber die Einhaltung der Schutzziele umzusetzen. Dazu gehört auch das eigene Tun und Denken und dessen Folgen zu hinterfragen. Da bräuchte es nicht zwingen das x-te Scheinchen und Zertifikat. Ja bisweilen widersprechen sich die tollen Regeln auch. Aber oftmals haben sie einen Sinn, bisweilen liegt Ihr Entstehen sogar darin, dass schlimme Dinge passiert sind. Manches schlägt auch über's Ziel hinaus oder ist praktisch kaum mehr umsetzbar.

    Trotzdem: Sicherheit ist kein Zufall, kein glücklicher Zustand und nur sehr bedingt verhandelbar.

    Was aus den Opfern geworden ist interessiert hier offensichtlich auch keinen

    Doch. Aber hier ist ein Forum wo diese persönlichen Schicksale nicht ausgebreitet sollten, sondern wir als Branche uns fragen warum es diese überhaupt gab - und wie man soetwas vermeiden kann. Opfer heißen bei uns gerne eben auch: Tote. Bekanntlich können die weder posten noch haben sie eine Stimme. Betroffenheit schließt klare Betrachtung nicht aus, umgekehrt braucht es nicht zu jedem klaren Fakt noch Rührseligkeit.

    Unter der Wahrung der Persönlichkeitsrechte lese ich gerne aber einen guten Beitrag darüber, wie es den Opfern ergangen ist! Ganz ehrlich: Am liebsten natürlich von Menschen, die dies in einen sensiblen und vielschichtigen Interview mit den Betroffenen herausarbeiten und mit recherchiertem Hintergrundwissen ergänzen und einordnen.

    Es gibt also nicht den verantwortlichen für das Desaster.

    Was wir nicht vergessen sollten: es ist eine Verkettung von Zufällen, teilweise sicher vorhersehbar, die dazu geführt hat.

    Nicht den oder die. Eine großer Unfall, eine Katastrophe o.ä. tritt meistens als ein Versagensfall von mehreren Faktoren auf - da führt aber nicht Gottes (Un)gnade hin, sondern eine kausaler Fehlerpfad - gerne auch "Kette von Ereignissen" genannt. Und da ist die Kette nicht zwingend so schwach wie das schwächste Glied, sondern es reicht oft eine (1) Sache oder Änderung aus, damit aus tragischen Ergeignissen eben genau keins wird.

    Das Ereignis hätte an vielen Stellen vermutlich duch simple, billige, planbare Maßnahmen verhindert werden können - und da sollte jeder aufgerufen sein nachzudenken, ober er/sie nicht eines Tages nicht die Person ist. Im besten Fall machen das viele, so dass es nicht den einen Held oder Heldin braucht. Und auch hier hätte manch Schreibtischtäter wohl was retten können.

    Die Frage ist schon, ob man etwas "vergisst", "übersieht" oder ob man z.B. eine Sicherheitseinrichtung "überbrückt". Oder warum Dinge mit unterschiedlichen Maß gemessen werden. Corona zeigt es: Offenbar kann auch eine fünfstellige Personenanzahl wiederholt völlig ungeschoren Auflagen ignorieren, die jedes Kulturforum mit 30 Besuchern an den Rand der Schließung / Existenz bringen würden - ist halt keine UEFA-Veranstaltung mit ominösen und in den Bereich der Kriminalität reichenden Geldflüssen.


    Das war jetzt ja keine Dorfparty (die durchaus sicherer sein kann!) mit Leichtsinn, sondern da haben sich viele Menschen vorher Gedanken um Sicherheitsfragen gemacht oder machen sollen. Und die Faktoren sind mehr als gut bekannt. Man weiß sogar sehr wohl, wie Menschen in Massen, in Panik, bei Evakuierungen, etc. reagieren.


    Würden andere Branchen so arbeiten? Ja auch dort passieren Unglücke - aber wenn mit der Mentalität z.B. Ingenieure Brücken, Schiffe, Flugzeuge, Chemieanlagen oder ähnliches designen würden... Auch da heißen Fehler Tote. Auch dort gehen Dinge schief - oft aber aus purer Absicht denn aus Unwissen. Und die wissen:


    Absolute Sicherheit ist kaum erreichbar bzw. gesellschaftlich auch nicht gewollt, weil dann eben vieles noch teurer oder schwieriger wird. Die gefühlte Sicherheitstoleranz zwischen Auto und Flugzeug ist auch gänzlich anders, die Gesellschaft ist manchmal bereit mehr Risiko zu akzeptieren und manchmal eben nicht. Und hier erwartet man als Besucher einer Veranstaltung schon, dass man lebend und unversehrt wieder aus dieser herauskommt.


    Um ganz ehrlich zu sein habe ich auch schon Dinge getan die hochgradig riskant waren. Jeder der sich hier zum Moral Apostel stilisiert

    Wir alle haben vielleicht mal Mist gebaut, wir haben auch mal dumme Dinge gemacht und vielleicht auch mal gemerkt, dass Dinge nicht sicher waren. Aber man kann gerade dabei auch merken: Hoppla, das war scheiße oder hätte auch richtig, richtig schief gehen können. Und die macht man dann eben nicht nochmal. Also ich und ziemlich viele andere. Und da hört die Schwelle besser lange vor hochgradig riskant auf. Das kann man bie Dingen tun, die nur einen betreffen (auch wenn Angehörigen, Freunden oder dem Klinkpersonal oder dem Bestatter manches auch gerne erspart werden dürfte).

    Und wer diese Form von Selbstreflektion, kritischem Hinterfragen oder im Idealfall auch Fehlerkultur nicht hat, der sollte m.E. besser Dinge tun, die nicht das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer gefährdet oder wenigstens nur minimal beinträchtigt. Punkt.


    Unsere Branche hat in vielen Teilen gemerkt, dass ein immer höher, weiter und toppen von Emotionen und Erfahrungen irgendwann auch ein mehr an Sicherheit braucht. Und viele würden heute nicht mehr das tun, was sie früher noch getan haben. Und das ist dann handfeste Erfahrung oder fundierte Meinung aus eigen Erleben und sicher kein aufspielen als Moralapostel. Auch wenn sich das jetzt am Samstagabend wie das Wort zum Sonntag lesen mag.

    • Hilfreichste Antwort

    Es hätte auch glatt über die Bühne gehen können. Es gibt also nicht den verantwortlichen für das Desaster.

    Nein, hätte es nicht.


    Wenn wir jetzt von sehr unwahrscheinlichen Szenarien mal absehen (an dem Tag regnet oder hagelt es derart heftig, dass nur 10% der Erwarteten kommen), hätte das nicht funktionieren können.


    Und ja, auch ich habe schon mal $DINGE gemacht, die nicht ungefährlich waren.


    Die (nicht ganz unwesentlichen) Unterschiede:

    1. Das Risiko, dass es schief geht, war unter 5% und nicht über 98%. (Wenn man ausreichend viele Sachen macht, die zu 5% oder auch nur zu 1% schief gehen können, dann wird das aus reiner statistischen Wahrscheinlichkeit auch mal schief gehen. Wir müssen an den kritischen Stellen in der Branche deutlich unter 0,1% kommen)
    2. Wenn es bei mir schief gegangen wäre, wäre vielleicht einer dabei gestorben (in den meisten Fällen ich selbst), auf jeden Fall wäre die Zahl des Todesopfer einstellig geblieben (schlimm genug), meist wäre es nur Sachschaden gewesen. Wer die Verantwortung für mehrere hunderttausend Menschen trägt, sollte deutlich anders agieren (ja, ich weiß, die Politik agiert da im Moment nicht gerade als Vorbild...).
    3. Dass ein Einzelner mal etwas übersieht, in der Hektik einer Veranstaltung mal irgendetwas "hinpfuscht", bei einer Berechnung sich mal in der Dimension vertut, ok. Da bin ich sicher der Letzte, der da mit der großen Moralkeule kommt. Aber hier haben wir in der Planung monatelangen Vorlauf, wir haben mehrere Leute vom Bauamt, welche sich die Planung ansehen, wir haben hier einen Professor als Gutachter. Und keinem fällt auf, dass das an zumindest zwei Stellen (Platz im Tunnel und Abfertigungszeiten Einlassschleußen) um etwa den Faktor 10 unterdimensioniert ist?

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