Schlagzeugmikrofonierung so klangneutral wie möglich

  • Hallo zusammen,


    ich muss für ein Event mehrere Drumsets so klangneutral wie nur irgendwie möglich mikrofonieren und über eine PA wiedergeben.
    Was habt ihr denn so für Ideen zu der Aufgabenstellung?


    Closemicing fällt ja, auf Grund des Nahbesprechungseffekts eigentlich von vornherein raus, eine Mikrofonierung der Toms mit Kugeln halte ich auf Grund des wahrscheinlich starken Übersprechens auch nicht für besonders sinnvoll.
    Meine Überlegung war schon ggf. mal die Recordermantechnik und eine Bassdrumstütze auszuprobieren.
    Oder doch ein normales AB ggf. mit Kugeln?
    Ich bin mir noch sehr unschlüssig und freue mich über Tips.


    Gruß


    Sebastian

    Jäger-Audiosolutions - Tools vom Tontechniker für Tontechniker
    http://www.jaeger-audiosolutions.de Cat Multicores, Speakon Multicores, Rednerpultmulticores etc., CNC Bearbeitung

  • Hallo,


    das klingt doch wie eine Jazz-Anforderung ;)
    Ich würde da mit zwei ordentlichen Overheads schaffen, in der Ausrichtung z.B. XY über dem Kopf des Drummers. Als Stütze noch Bassdrum und bei Bedarf Snare.
    Mit den Overheads ist in der Regel die Snare nicht in der Stereomitte, das kann durchaus mal störend sein. Hierfür würde ich mit der Ausrichtung der Mikros spielen oder versuchen über das Stützmikrofon die Snare weiter in die Mitte zu ziehen.


    Grüße

  • Dem kann ich beipflichten, recht neutral wird es mit (guten) Overheads. Studio-Kondensator-Mikros (Neumann KM184 oder vergleichbare von Haun etc.) sind hier am sinnvollsten. Bass-Drum wenn nötig stützen. Ein akustisch geeigneter Raum sollte auch vorhanden sein. Statt XY würde ich aber eher eine Äquivalenz-Anordnung bevorzugen da sie mehr Räumlichkeit liefert [Infos dazu hier: http://www.sengpielaudio.com/Visualization-EBS.htm


    Wenn nur das Drumset alleine aufgenommen werden soll und so klingen soll, wie es live unplugged klingt, dann würde ich aber eher so vorgehen wie bei einer Ensemble-Aufnahme und eine Stereo-Mikrofon-Anordnung ganz normal vor das Drumset platzieren wie man es vergleichbar auch vor einem akustischen Ensemble aufbaut. Dann könnte man auch Kugeln in AB-Anordnung einsetzen und u.U. generell auf eine Bass-Drum- Stütze verzichten. Der Raum muss aber auf jeden Fall akustisch gut geeignet sein.
    Wenn es möglich ist, einfach mal ausprobieren.


    Ach ja, auch der Drummer sollte gut sein und das Set gut zum Klingen bringen können, denn die sonst üblichen Nachbearbeitungen der einzelnen Mikro-Spuren fällt hier ja komplett weg.

  • Bitte nicht abnehmen mit aufnehmen verwechseln... :wink:


    Die Sache steht und fällt mit der Größenordnung, in der das geschehen soll. Wenig Gain erforderlich, Akustik gutmütig, PA über den gesamten Wiedergabefrequenzbereich sauber richtend und weit genug weg positioniert vom Drumkit: Stereo- Condenser drüber und fertig; eventuell Kick stützen. Wenn's laut sein muss, die Halle akustisch Mist und die PA Schrott und 3m entfernt willkürlich auf der Bühne gestackt ist (also der Normalfall :D): vergiss' es – dafür wurde 'Closemiking' erfunden.


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Sollen die Schlagzeuge gleichzeitig oder nacheinander spielen?
    Wenn gleichzeitig-dann auf jeden Fall Closemiking. - alleine schon wegen Crosstalk.
    Wenn nicht kick,snare,overhead.
    Je nach Größe des Raums und dargebotenen Stilen wäre für eine möglichst NATÜRLICHE Übertragung auch zu überlegen einfach auf eine Abnahme zu verzichten...

  • Definiere bitte "klangneutral".


    Sobald Lautsprecher mit im Spiel sind klingt es idR. eh nicht mehr natürlich, es sei denn, sie dienen nur als Delaystütze für die hinteren Ränge. Allein schon dadurch, dass die Ortung in fast allen Fällen in Mitleidenschaft gezogen wird.


    Dann: welche "virtuelle" Hörposition zum unverstärkten Drumset wird angestrebt? Vor der Bühne klingt es anders als direkt davor stehend und wieder anders als auf Drummers Hocker.


    Welche Musikrichtung? Bei einem entsprechend gestimmten Schlagzeug können die Toms in unmittelbarer Nähe recht wuchtig klingen, leider kommt dies wiederum bei einigen Overheadabnahmen nur unterpräsentiert rüber.
    Wenn's rockig wird, könnte eine 8er-Charakteristik-Abnahme ala guma die Wahl der Stunde werden (Thread bitte suchen). Ansonsten habe ich für einen fülligen Gesamtklang schon gute Erfahrung mit Gross-AB links und rechts neben dem Drummer gemacht - eignet sich allerdings nicht, wenn dieser einen grösseren Bewegungsradius aufweist.


    P.S.: bei gleichzeitigem Spiel besser genügend hohe Plexiglaswände einplanen

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Sorry, da hatte ich wohl das mit "PA" überlesen und war auf der falschen Baustelle unterwegs.
    Mit PA und den oben praxisnah erwähnten üblichen wenig gut gesonnenen Räumen und Umständen kommt man in der Tat nicht so einfach davon.
    Dazu haben die Kollegen schon zutreffenderes geschrieben.
    Dennoch spielt in dem Zusammenhang die Stilistik eine wie ich finde große Rolle. Neutral bedeutet im akustischen Jazz nun einmal etwas ganz anderes als im Heavy Metal. Mit den auch schon angedeuteten Konsequenzen für die Mikrofonierung.

  • Ich würde Folgendes zuerst probieren:


    2 Overheads, gute KM-Kondensatormikros:


    - OVH1 auf der Floor Tom Seite direkt auf Höhe des Schlagfelles der Floortom, ca. 2 Handbreit von der Floor Tom entfernt.
    - OVH2 auf der High Hat Seite direkt über der Snare, genau so weit entfernt von der Mitte des Schlagfells der Snare wie OVH2
    - hart links - rechts pannen


    1 Fußtrommelstütze auf der Schlagfellseite mit einem möglichst neutralen Mikrofon.


    Kette der Fußmaschine ölen.


    Fertig.


    Das funktioniert bei gut gestimmten Schlagzeugen, moderaten Ziel-Lautstärken und halbwegs anständigen Räumen und PAs ganz gut.

  • Jup, eine abgewandelte Glyn Johns Technik. Auch ne gute Idee aber wie Billbo schon sagte: alle diese Techniken brauchen eine "ruhige" Umgebung. Wenn's drum herum lärmt, ist die "Halbnah"-Technik mit den Achten, die Boris zitiert hat, ein guter Kompromiss.

  • ... ah ja und was ich noch sagen wollte:


    AB oder wide AB finde ich als Effekt ganz prima aber die snare klingt dabei manchmal doch ganz schön verfärbt. Da würde ich eine Methode mit zuverlässig äquidistanter Snare Abnahme wie xy, recorderman oder der genannten Glyn Johns bevorzugen. Die Kick/Glyn Johns-Technik wie sie Christian gerade beschrieben hat, will ich jetzt mal bei meiner Kemper/inear Truppe probieren. Das sollte bei deren "Lärm nur vom Drumset-Situation" eigentlich gut funktionieren. Ich werde berichten.

  • Super, vielen Dank an Alle. Da habe ich mit der Recorderman Technik ja gar nicht so verkehrt gelegen.
    Die Glyn Johns Technik, scheint ja das Gleiche Prinzip zu sein, kannte ich nur noch nicht.
    Ich werde berichten. Es geht wirklich nur um den reinen Drumset Sound, es wird sonst nichts weiter geben, sollte also auch alles so funktionieren.


    Gruß


    Sebastian

    Jäger-Audiosolutions - Tools vom Tontechniker für Tontechniker
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  • mit reduzierter mikrofonierung habe ich auch schon sehr gute erfahrungen gemacht, wenn es um einen möglichst authentischen drumsound geht.
    dazu habe ich zwei Schoeps MK4 auf kleinen Stativen etwa in höhe des floortom-schlagfells vor das drumset gestellt. reinhören, einmal korrigieren, fertig.
    für die bassdrum hatte zusätzlich ein B52, als snare-stütze hab ich damals ein M201 benutzt.
    also vier kanäle.
    das Ergebnis klang dann auf der aufnahme (und mit sehr wenig schrauberei) sehr gut, auch deutlich besser als die zweite variante mit einer herkömmlichen nahmikrofonierung.
    aber das war ja schon immer so: in der beschallungstechnik brauchen wir eben oft die nahmikrofonierung, um möglichst viel GBF zu bekommen. aber je näher man mit den mikros an die quellen rangeht, desto unnatürlicher klingt das Ergebnis. es ist eben immer eine Abwägung, welchen weg man gehen möchte - oder muss.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang