Diskussion über Arbeitszeiten

  • Naja geht doch mal den scheinselbständigen Tonmann im alter von 22 Jahren fragen. Hat er denn brav Steuern beiseite gelegt, Krankenkasse bezahlt, Haftpflicht abgeschlossen und auch noch Budget fuer Bildung und Erholung eingeplant?

    Die Antwort ist sicher nicht überall Ja. Die Branche glaubt davon zu leben das man selbständig ist. Also eher so wie Selbst und Ständig.

    Solange wir Kollegen haben die das mitmachen werden wir auch Konzerte haben die das ausnutzen. Von daher empfehle ich allen Scheinselbständigen ( Ihr wisst schon wer Ihr seit!!) aufzuhören Euch selber in die Tasche zu luegen und endlich mal selbst zu entscheiden!

    Das einzige was Euch sicher macht ist hochkonzentriertes kompetentes Arbeiten. Das geht bei dieser jetzigen Branche nicht. Da hilft auch der Helm nicht...

    Zahlen muss es der Zuschauer

    Practice, Practice, Practice

  • Als sowohl Selbstständiger im Nebengewerbe als auch Angestellter sehe ich das so:

    Solange im Arbeitszeitgesetz Ausnahmen für die wichtigsten Berufe bestehen, an denen hunderte Leben hängen, mache ich mir wenig Gedanken, ob ich 8 oder 12 Stunden arbeite. Alles über 12 Stunden sind absolute Ausnahmen zumindest bei allem, womit ich noch Kontakt habe. Wenn ich mich nicht so fühle, dass ich das schaffe, sage ich das. Hat mein Arbeitgeber etwas dagegen ist er der falsche Arbeitgeber. Hat mein Auftraggeber etwas dagegen, ist er der falsche Auftraggeber für mich.

    Arbeitsplätze gibts genug, zumindest hier in der Region.


    Aber:

    Polizisten hier haben Dienst von 5:30 bis 18:30 bzw. 17:30 bis 06:30 laut Dienstplan 4 Tage die Woche.

    Bei Ärzten sind Doppelschichten normal, im Dienstplan haben viele Ärzte 12 Stunden stehen, ebenso Rettungssanitäter.

    Piloten arbeiten auch oft 12 Stunden und mehr am Stück.

    Da wird das alles hingenommen, ist ja normal.

  • Aber:

    Polizisten hier haben Dienst von 5:30 bis 18:30 bzw. 17:30 bis 06:30 laut Dienstplan 4 Tage die Woche.

    Bei Ärzten sind Doppelschichten normal, im Dienstplan haben viele Ärzte 12 Stunden stehen, ebenso Rettungssanitäter.

    Piloten arbeiten auch oft 12 Stunden und mehr am Stück.

    Da wird das alles hingenommen, ist ja normal.

    Du kannst doch nicht Piloten, Ärzte, Polizisten... mit Technikern, geschweige denn Tontechnikern vergleichen.

    Techniker sind doch alle extrem qualifizierte, höchst intelligente und gebildete Stützen unserer Gesellschaft.


    Ich kann dieses elende gejammere um Verdienst und Arbeitszeiten nicht mehr hören.


    Es zwingt euch doch niemand!


    Hättet ihr in der Schule besser aufgepasst, könntet ihr auch in einem Beruf mit geregelten Arbeitszeiten und gutem Verdienst arbeiten.


    Jeder ist seines Glückes Schmied!


    Und jetzt Feuer frei

  • Nix Feuer. Du sprichst mir aus dem Herzen.

    Wer keine Nachtarbeit mag sollte nicht als Nachtwächter anheuern. Wer nicht gerne auf Montage arbeitet sollte keinen Job als reisender Monteur annehmen. Und wer nicht gerne arbeitet während alle anderen feiern sollte sein Glück vielleicht nicht unbedingt in der Veranstaltungstechnik suchen. Ist doch eigentlich ganz einfach.


    Feste Arbeitszeitregeln sind Hilfsvehikel für sklavenähnliche Beschäftigungsverhältnisse und Tätigkeiten. 4 Stunden Fließband, 1 Std. Mittag, wieder 4 Std. Fließband – klares Ding. 4 Std. Autobahn, 45min. Mindestpause, noch mal 4 Std. Autobahn – ebenso klar.

    Der Handwerksgeselle im Kunden- Außendienst? Schon nicht mehr so klar. Arbeitet er straight seine Aufträge ab, kann er sich mittags vielleicht ein Stündchen in der Sonne gönnen; trödelt er rum und lässt's eher ruhig angehen reicht's u.U. nur für Currywurst/ Pommes im Stehen oder die mitgebrachte Stulle hinterm Steuer. Man gesteht ihm also ein gewisses Maß an Eigenverantwortung zu.

    Über andere Berufsfelder und deren Arbeits-/ Bereitschaftszeitregelungen wurde schon geschrieben.


    Wo siedeln wir unsere Arbeit diesbezüglich an, und wie sieht das in der Praxis aus? Betrachten wir dafür mal ein paar der weiter oben angesprochenen Fälle (die, die ich einigermaßen bis sehr gut kenne).


    - Der 'Bandtechniker des Headliners': ist vielleicht tatsächlich vor dem Frühstück um 08:00 morgens am Start. Lässt seine vorkonfigurierten Dollies aus dem/ den Trailer(n) an ihre spätere Spielposition rollen. Inbetriebnahme, Funktionsprobe, markieren der Bühnenpositionen, Besprechung mit Stagemanagement über's weitere Vorgehen. Dollies auf Parkposition, fertig. 10:00, die erste Vorband rückt an. Ab jetzt mindestens 10 Std. Zeit für 'Leben': Frühstück, Dusche, Tageshotel, daddeln in Internet, Mittagsschlaf, Stadtbesichtigung, was auch immer. Größte Herausforderung: Cateringzeiten nicht verpassen. Ab 20:00 hinter der Bühne Showvorbereitungen, 21:00 Changeover, 23:55 Curfew, 01:00 Trucks zu.

    - Die 500er – 2000er Nightlinertour: die findet aus guten Gründen heutzutage fast ausschließlich in technisch dafür gut ausgerüsteten Profivenues statt. 10:00 Get In, Dusche, Frühstück, Tageszeitung. 12:00 Load (Backline/ Deko/ bisschen Licht/ eigene Pulte + In Ear/ was halt so in den 3t Bushänger passt). Ein, zwei Stunden Aufbau/ Arbeit mit dem eigenen Gerödel. Nachmittags probt die Band 2 neue Songs ein, während die Crew Kaffee trinkt oder Süppchen isst. 21:00 Show, Mitternacht Klappe am Bushänger zu.

    - Die selbe Show aus Sicht des Haustechs: ab 11:00 Anwesenheit. Gern freiwillig auch ein Stündchen früher, weil's lecker Frühstück für Umme gibt und man alte Kollegen trifft, die man schon länger nicht mehr gesehen hat. Kann man auch gleich schon mal den Tag besprechen – eure BA, echt sehr nett; ihr wisst wie's bei uns aussieht, lass mal kurz überlegen wie wir's heute wirklich machen. Anschließend ein bisschen mikrofonieren, verkabeln, vielleicht die Supportband über's Hauspult betreuen. Kurz Changeover, später noch mal 30min. abkabeln und einpacken.

    - Die Großhallenshow (die mit Vermutungen über den Grund für einen sehr schweren Arbeitsunfall Anlass für diesen Thread war): ist völlig anders organisiert. Im Dach agiert dort typischer Weise beim Abbau kein übermüdeter Tourrigger, sondern örtliches Riggingpersonal, welches sich da oben auskennt. Das hat nicht selten gegen Showende Schichtbeginn, lässt die Tourproduktion ab und bereitet fast übergangslos bzw. gleichzeitig schon die Punkte für den nächsten Tag vor. Feierabend ist dann, wenn die Produktion des nächsten Tages hängt und gesichert ist.


    So unterschiedlich diese Jobs auch sein mögen: ihnen ist gemein, dass sie über relativ viele Stunden verteilt ziemlich wenig 'echte Arbeitszeit' und viel Leerlauf-/ Pausen-/ reine Anwesenheitszeit beinhalten. Und das ist etwas völlig anderes als die oben erwähnten 2x 4Std. Fließband mit vorschriftsmäßiger Mittagspause.


    Klar sieht das für den 22jährigen Nachwuchs- VTler, der in 18Std.- Schichten 'selbständig' Abiparties betreut, u.U. etwas anders aus. Aber der steht gerade mal am Anfang seines knapp 50jährigen Berufslebens, muss und wird seine Erfahrungen sammeln, und muss und wird sich höchstwahrscheinlich (nicht nur) beruflich im Leben noch so einige Male komplett umorientieren.

    Der schafft das schon; auch ohne gutgemeinte Ratschläge von netten älteren Onkeln aus dem Internet. Oder haben wir etwa mit 22 die Ratschläge unserer Eltern oder irgendwelcher netten älteren Onkel ernst genommen?

    Na also! :)


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    (der bei Verfassung dieser Zeilen vermutlich mehr gearbeitet hat als an manch einem voll vergüteten Einsatztag)

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • wie gesagt, ich zweifle ja schon daran, dass es hierfür überhaupt genügend kontrolleure geben wird.

    denn kontrollieren müsste man solche arbeitszeitregeln zweifellos.


    und dann bekommen wir auch wieder neue probleme: das risiko, dass die die arbeitszeitkotrolleure auch richtige "spaßbremsen" sein können, ist sehr hoch. z.b. wenn man mal einen kreativen lauf hat, also gerade eine großartige idee ausprobieren möchte, dann könnte es sein dass man das untersagt bekommt, nur weil es mal die zeiten überschreiten könnte. hier besteht also auch die gefahr, dass man kreativität abwürgt.


    ich habe da jedenfalls echte bedenken zur umsetzung solcher ideen - so ehrenwert sie auch sind!

    aber man muss natürlich darüber nachdenken dürfen, wie man die lage verbessern könnte.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Hehe, langsam wird es interessant :)


    Meine kleine Schwester ist bald Notfallsanitäterin und viel spannender als die oben genannten Doppelschichten sind die zwei Schichten mit der einen Bereitschaft dazwischen, bei der man vorher nie weiß was passiert. Und dann steuert sie am Ende mit fast 36 Stunden auf der Uhr einen Krankenwagen durch den Berufsverkehr... also ja, Menschen können ganz schön belastbar sein, aber meine Schwester genießt den "Schutz" ihrer Festanstellung, denn nach diesem Wahnsinn hat sie auch einfach Mal drei Tage frei zum Ausgleich und kann sich erholen.


    Gerade auf der Ebene der Hands, kenne ich doch genug Fälle, für die die oben beschriebene heile Welt nicht zutrifft. Die haben den Absprung nicht geschafft und erleben die 18 Stunden Schichten, die vermutlich die meisten von uns Mal mitgemacht haben als wir noch jung waren, alle paar Tage. Und wenn sie die Chance haben, tragen sie nicht nur Bühnenelemente, sondern steigen auch ins Dach, wenn sie dadurch ein paar Euro mehr verdienen können. Die haben sich das auch nicht unbedingt ausgesucht bzw. ihnen fehlen die Alternativen und so machen sie solange am Limit weiter bis etwas schief geht.


    Und bei den 500-2000er Hallen sind doch etliche Multifunktionshallen dabei, in denen die lokalen ganz schnell Mal einen ganzen Tag Vorlauf haben und hinterher wenn nach der Show um Mitternacht die LKWs geladen sind, kommt der Reinungstrupp und anschließend wird umgerüstet für das Sportevent des nächsten Tages.


    Da wo es sicherheitsrelevant ist, da muss das ewige Gejammer um Verdienst und Arbeitszeit noch ein wenig weitergehen.

    freier Tontechniker & Eventplaner, auch Tätig im Vertrieb - hier aber rein privat unterwegs

  • Die Welt die hier als heile beschrieben wird gibt es ja wirklich. Die unheile Welt gibt es aber genau so. Was aber tatsaechlich fuer viel mehr Leute zutrifft ist das sie Scheinselbststaendig sind. Das heist im Gegensatz zu Ihrem im Sklavenmaesigen Arbeitsverhaeltnis Kollegen, tragen Sie nicht Ihren Teil zur Sozialversicherung bei. Das bedeuted das Sie nach Ihrem 50 Jaehrigen Berufsleben dem Sklaven noch auf der Tasche liegen. Nur deswegen kann er es sich ueberhaupt leisten fuer 250 Euro zu arbeiten. Das Problem ist nicht jetzt sondern kommt erst noch.

    Practice, Practice, Practice

  • Heile Welt gibt’s nicht; stattdessen ist und bleibt das Leben ein Flickenteppich aus Dauerbaustellen. Und da muss man schon selbst ein bisschen mitbauen; wer sich dabei nur auf andere verlässt ist schnell verlassen.

    Als ich 20 war war die Rente sicher. 10 Jahre später musste man unbedingt zusätzlich privat vorsorgen. Kapitallebensversicherung, per 'möglicher' Überschussbeteiligung schöngerechnet – super Sache, das. Später dann Riester und Rürup – am Ende alles Käse. Übrig geblieben sind davon schöne Versicherungshochhäuser und quasi null Rendite für die Vorsorger.

    Niemand weiß, wie sich das alles in den nächsten 40 oder 50 Jahren entwickeln wird. Wäre ich heute 20, würde ich (auch und gerade als Selbständiger/ Freelancer) mit einem Minimalbeitrag freiwillig pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung bleiben, um mir über lückenlose Zahlung für später alle Möglichkeiten offen zu halten. Und darüber hinaus jeden Monat ein paar Hunderter stumpf in verschiedene Aktiensparverträge (solche mit minimalen Verwaltungsgebühren!) einzahlen, dann klappt das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch später mit der Altersversorgung. Garantieren kann aber selbst das niemand. (Mal so ganz am Rande: die 'Problemflüchtlinge' von heute sind in diesem Zusammenhang unsere Altersvorsorge von morgen oder übermorgen.)


    Übrigens habe ich den subjektiven Eindruck, dass sich die Zwanzigjährigen von heute mehr Gedanken über so was machen als wir damals. Mag mit der allgemeinen 'Unsicherheitsgrundstimmung' unserer Tage zu tun haben – Ende der 70er war dagegen einfach klar, dass die Welt extra für UNS gemacht ist und es selbstverständlich immer nur aufwärts gehen würde.


    Was das alles mit Arbeitszeiten zu tun hat? Festanstellung und/ oder gar Arbeitszeiten nach Stechuhr halte ich langfristig gesehen für ein Auslaufmodell der Arbeitswelt, Sklaverei und Leibeigenschaft wurden schließlich auch irgendwann mal abgeschafft. Eigenverantwortliches Arbeiten und Wirtschaften (als Selbständiger/ Freelancer/ wie auch immer man das dann nennt und organisiert) dagegen für die Zukunft und die natürliche und erstrebenswerte Variante beruflichen Wirkens. Zum Einen, weil möglichst viel (berufliche) Selbstbestimmtheit automatisch für ein gewisses Maß an Lebenszufriedenheit sorgt. Zum Anderen, ganz profan und beinahe schon neoliberal gedacht, weil auf diese Weise das Potential des (arbeitenden) Menschen letztlich am effektivsten genutzt wird.


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • billbo, deinen text kann ich sehr gut nachvollziehen und unterschreibe ihn gerne grösstenteils.

    eine wichtige sache kommt dabei jedoch zu kurz: du gehst davon aus, dass alle menschen fähig genug sind, sich selbst gut zu vermarkten und damit im markt zu bestehen. das ist aber leider nicht so. ich bin z.b. auch so einer, der sich nie richtig gut verkaufen konnte. und ich kenne nicht wenige kollegen, denen das ähnlich ergangen ist. und viele von uns sind schlussendlich doch irgendwo in einer festanstellung gelandet (was übrigens nicht immer zwingend ein "sklavenverhältnis" sein muss)

    die ganze sache ist meiner ansicht nach einfach zu komplex, um da einfache antworten und rezepte zu präsentieren.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Einfach sicher nicht. Einfach war früher: da gab es einen absoluten Herrscher (Pharao/ Kaiser/ Zar/ Großer Vorsitzender/ Fabrikbesitzer/ was auch immer). Und alle anderen mussten schuften bis sie tot umfielen. So ein paar Fortschritte hin zur Selbstbestimmung haben wir (zumindest hierzulande) seither ja durchaus schon gemacht.

    Deshalb wehre ich mich grundsätzlich gegen Angriffe auf''s 'Freelancertum'. Auch dann, wenn sie gut gemeint sein mögen – der Unterschied zwischen gut gemeint und gut gemacht ist nicht umsonst einer der am häufigsten gebrauchten Aphorismen. Ich sehe uns da eher als Vorreiter auf dem Weg in eine eigenverantwortlichere (Erwerbs)zukunft denn als rückständige Selbstausbeuter. Obwohl ich mich ebenfalls nie gut selbst verkaufen konnte - aber man wächst ja an seinen Aufgaben.


    Seit kurzem habe ich durch Zufall ein bisschen Einblick in die 'artverwandte' Filmbranche. Dort läuft's etwas anders als bei uns, aber tendenziell ebenfalls stark in Richtung Eigenverantwortung. Fast alle Mitwirkenden dort sind Angestellte auf Zeit, mit auf die Dauer einer ganz bestimmten Produktion abgestimmten befristeten Arbeitsverträgen. Das läuft erkennbar hoch professionell, die Bezahlung ist gut, und die Jungs und Mädels knien sich richtig rein; nach 14 Std. Dreh wird gerne noch mal spontan ein paar Stunden an der Deko rumgebaut, und Regisseur und Kameramann fahren nach Mitternacht schnell noch mal wieder zum Set und schauen sich an, ob das so für den Drehbeginn am nächsten Morgen passt. Ist das Projekt beendet meldet man sich arbeitslos, macht ein paar Wochen Urlaub, und kümmert sich beizeiten um was Neues. Sicherlich auch nicht immer ganz einfach, scheint aber zu funktionieren. Einen gelangweilten, frustrierten, mies gelaunten Regieassistenten/ Aufnahmeleiter/ Requisiteur/ usw. usw. habe ich dort jedenfalls bisher trotz teilweise extrem anspruchsvoller Tagespensen noch nicht erlebt.


    Offenbar gibt es also durchaus bereits funktionierende 'Berufsausübungsverhältnisse', in denen der schwierige Balanceakt zwischen ausreichendem Einkommen, stark unregelmäßigen Arbeitszeiten, Spaß an der Arbeit, weitestgehender wirtschaftlicher Eigenverantwortlichkeit und der damit verbundenen Abwechslung auf der einen und Unsicherheit auf der anderen Seite ganz passabel klappt.


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Grundsaetzlich ist das richtig aber,

    Die meisten Freiberufler sind eben nicht frei! Denn Sie sind nur dann frei wenn der einzige Kunde sie nicht braucht!

    Grundsaetzlich ist Selbstaendig die bessere Form der Arbeit jedoch dann auch richtig.

    Mit den richtigen Preisen und der richtigen Vorsorge und eben auch der Freiheit selbst zu bestimmen.

    Aber Du hast recht wenn Du sagst das die jungen Leute da heute smarter sind. Das habe ich auch teilweise schon beobachtet.

    Practice, Practice, Practice

  • Warum muss das jetzt eigentlich wieder in dieser unsinnig nervigen Selbstständig/Unselbstständig-Diskussion, deren hauptsächlicher Hintergrund in einer vom Staat mangelhaften Gesetzgebung bzgl. Renten- und Sozialversicherungen in Verbindung mit praktisch nicht vorhandener Informationspolitik für Gewerbe-Frischlinge zum genannten Thema liegt, ausarten? Was hat das bitte mit den Arbeitszeiten für einen DIREKTEN Zusammenhang?


    Ich sehe regelmässig (auch sehr junge) Angestellte in unserer Branche, die sich die Stunden nur so um die Ohren hauen und dann mit den Augenlidern auf Halbmast in den Transporter steigen... übrigens auch zuletzt bei deutschen Firmen, als ich mit denen noch zu tun hatte.


    Zum Thema "Angestellte haben ein geregelteres Arbeitsumfeld" kann ich mittlerweile nur noch lachen:


    http://www.srf.ch/news/wirtsch…-weniger-leiden-aber-mehr

    http://www.srf.ch/news/wirtsch…bueros-wegen-ueberstunden

    http://www.srf.ch/sendungen/ka…er-unertraeglichen-stress


    Als hier vor 2 Jahre der Franken-Mindestkurs von der Nationalbank aufgehoben wurde gab es so eine Panik dass sich Angestellte im industriellen Bereich offiziell bereit erklärt haben ohne Lohnerhöhung länger zu arbeiten.


    Privat habe ich aktuell daheim einen mittlerweile doch erheblichen Diskurs über Arbeitszeiten (annähernd 7 Tage/Woche über 2 1/2 Monate, kein Ausgleich), Stress, fehlende Konzentrationsfähigkeit usw. Wobei diese Punkte nicht auf meiner (selbstständigen) Seite anfallen - klar gibt es mal lange Tage, aber ich nehme mir immer die Freiheit für einen Ausgleich. Dem 20stünder-Auftrag, der heute reinkam, stehe ich so völlig entspannt gegenüber - ich kenne halt den PL, der immer etwas mehr einplant und bzgl. der Heimfahrt kann ich im Zweifel noch den Familienjoker ausspielen. Auch kommt in diesem Szenario keine Höhenarbeit vor.



    Wollt ihr die Menschen wirklich vor sich selbst schützen? Dann verbietet bitte erst einmal jeglichen privaten Einsatz von PKW für den Arbeitsweg, Alkohol und Twitter/facebook-Kommentarfunktionen...


    Hat denn noch jemand hier echte Ideen wie man zu lange Arbeitszeiten mit hohem Gefährdungspotenzial, unabhängig davon auf welcher Basis abgerechnet wird, vermeiden kann?

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

    2 Mal editiert, zuletzt von audiobo ()

  • Seit kurzem habe ich durch Zufall einbisschen Einblick in die 'artverwandte' Filmbranche. Dort läuft'setwas anders als bei uns, aber tendenziell ebenfalls stark inRichtung Eigenverantwortung. Fast alle Mitwirkenden dort sindAngestellte auf Zeit, mit auf die Dauer einer ganz bestimmtenProduktion abgestimmten befristeten Arbeitsverträgen.

    Naja, gerade auch die Film- und Nachrichtenbranche ist vor einiger Zeit bzgl. Scheinselbstständigkeit ja mal ordentlich rangenommen worden. Was zur Folge hatte dass sich einige freie Kameraleute jahrelang mit der DRV vor Gericht prügeln mussten und man auf einmal von seinen Kunden einen schlechten Abklatsch des Fragebogens zur "Feststellung des Sozialversicherungsstatus" vorgelegt bekam - eine höchst fragwürdige Angelegenheit, aber nachvollziehbar wenn ein grosses Medienhaus von jetzt auf gleich alle Fotografen entlässt und als Freiberufler/Selbstständige weiterhin fast zu 100% beschäftigt.

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  • Hat denn noch jemand hier echte Ideen wie man zu lange Arbeitszeiten mit hohem Gefährdungspotenzial, unabhängig davon auf welcher Basis abgerechnet wird, vermeiden kann?

    tja, leider nein.

    denn das würde vorausetzen, dass alle techniker mitziehen. und darauf kann man lange warten.

    deshalb wird das einfach so bleiben müssen wie es ist - und es ist ja nun wirklich nicht alles schlecht.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Warum muss das jetzt eigentlich wieder in dieser unsinnig nervigen Selbstständig/Unselbstständig-Diskussion, deren hauptsächlicher Hintergrund in einer vom Staat mangelhaften Gesetzgebung bzgl. Renten- und Sozialversicherungen in Verbindung mit praktisch nicht vorhandener Informationspolitik für Gewerbe-Frischlinge zum genannten Thema liegt, ausarten? Was hat das bitte mit den Arbeitszeiten für einen DIREKTEN Zusammenhang?

    Naja, das soziale Umfeld hat schon sehr direkt was mit Arbeitszeiten zu tun. Der Freiberufler wird sicher oefter mal einen Job annehmen damit sein guter Einzel oder sogar Stammkunde auch in der Zukunft wieder anruft. Vielleicht waere es aber besser wenn mal zuhause bleiben wuerde. Bei mir war das frueher oft so. Da brauchte man vielleicht das Geld gerade mal nicht und musste trotzdem los, weil man Angst hatte das man sonst erstmal wieder keinen Anruf fuer die naechste Tour bekommt.

    Und schon ist es mit gesunden Ruhezeiten vorbei. Das kann schnell gefaehrlich werden. Die latente Abhaengigkeit ist da ein echtes Problem. Fuer den Auftraggeber ist das supi weil die Verantwortung ja bei dem Selbststaendigen liegt. Wenn der Kollege festangestellt waere wuerde er ggf ja auch los muessen. Allerdings waere dann die Verantwortung beim Arbeitgeber. Und genau dann zeigen Diese sich weniger Risikobereit.

    Das ist natuerlich eine Pauschalisierung, das findet aber in der Tat statt. Ich kenne auch noch Zeiten da hiess es von einer Company, das wenn man fuer die anderen arbeitet wuerde man bei Ihnen keinen Job mehr kriegen. Das ist dann aber doof wenn die Miete faellig ist. Und schon geht man wieder arbeiten obwohl man vielleicht grade lieber schlafen sollte.

    Klar finde ich Freelance sein eigentlich klasse. Allerdings schaffen es die wenigsten wirklich frei zu sein. Und sobald das passiert kommt man haeufig in die Situation in der man muss obwohl man lieber nicht sollte. Das sind dann die Jobs wo es auch mal gefaehrlich wird.

    Also den Zusammehang sehe ich schon.

    Es gibt mehr Kunden mit schoenen Autos als Techniker!

    Practice, Practice, Practice

  • die grundsätzliche problematik, die gert da anspricht, ist mir aber auch bekannt.

    auch wenn es mich persönlich schon seit langer zeit nicht mehr betrifft (ich arbeite sehr selten mal für verleiher), kenne ich da aktuell ein paar kollegen, denen das ähnlich geht.


    und früher ist es mir tatsächlich passiert, dass ein karlsruher verleiher mich nicht beschäftigen wollte, weil ich zuvor bei einem anderen karlsruher verleih gearbeitet hatte... auch dieses kleinliche spiel ist mir also bekannt.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Und ich kenne im Gegenzug sehr viele Festangestellte die sich permanent von der unterschwelligen Angst, dass sie ihre Anstellung verlieren könnten, dazu verleiten lassen doch mehr zu arbeiten als sie müssten. Viele sind sich der gesetzlichen Grundlagen überhaupt nicht bewusst oder scheuen die Auseinandersetzung. Da ich mich vorletztes Jahr wegen einer unrechtmässigen Kündigung in der Familie damit auseinandersetzen musste habe ich dort etwas Einblick erhalten.


    Ghettos gibt es in beiden Fällen und in beiden Fällen basieren sie auf unzureichender Kenntnis von Arbeit-/Auftragnehmer und gleichfalls fehlendem Wissen oder gar Vorsatz bei Arbeit-/Auftraggeber.

    Kontrollieren lässt sich das nicht. Selbst die Grossen der Branche tauchen scheinbar nicht richtig im Focus der zuständigen Ämter auf. Also entweder ist es dann eher ein Glücksfall oder aufgrund unglücklicher Umstände.


    Dem (deutschen) Auftraggeber, der meint ich dürfe nur exklusiv für ihn arbeiten, würde ich genau oben erwähnten Fragebogen zur "Feststellung des Sozialversicherungsstatus" (und zwar die richtige Version) vorlegen mit dem Kommtar "Ich arbeite ja wirklich gerne für euch, ist cool und so, aber ihr solltet eure Haltung dazu noch einmal überdenken, nicht nur bei mir. Wenn ihr mich fest haben wollt, kein Thema, dann aber bitte richtig."

    Allerdings habe ich eher das Gefühl, dass es in dieser Hinsicht viel besser geworden ist, gerade auch aufgrund des ganzen Ärgers der letzten Jahre.


    Btw. wird man hier in der Schweiz seit einiger Zeit beurteilt, wenn man sich selbstständig machen will. Bei mir hiess es dann "Zu wenig Direktkunden, kein nennenswertes Material, blabla, geht nicht." (Ich war ja neu im Land) Und dann: "Gründen sie einfach eine GmbH oder Kommanditgesellschaft, da können sie genau so schaffen wie sie es wollen. Ich weiss, das macht überhaupt keinen Sinn, aber so sind die Regeln nun mal."

    Diese Beurteilung wurde übrigens - im Auftrag der SVA (Sozialversicherungsanstalt) - von der SUVA durchgeführt, welche sich hier in der Schweiz u.a. massgeblich für Unfallprävention am Arbeitsplatz verantwortlich zeichnet.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Wobei der Kunde ja nicht wissen kann, ob du vorher Wochenlang durchgearbeitest hast, oder 20 Tage keinen Auftrag hattest.

    Ganz genau das ist ja mein Argument! Er weiss es nicht und hat keine Verantwortung. Jedoch hat der Disponent nach wie vor alle Druckmittel in der Hand und will den Job so schnell wie möglich loswerden. Wenn er dann mehr als drei Leute anrufen muss ist er schon genervt.

    Wenn er zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung für Arbeitszeiten und Versicherung etc hätte wäre er viel vorsichtiger und würde es Dir nicht übel nehmen wenn Du mal absagst!

    Practice, Practice, Practice