Messmikrophon mit Vorverstärkern kalibrieren?

  • Hallo,
    ich studiere Elektrotechnik und habe Probleme die Theorie und die Praxis in Einklang zu bringen.


    Hintergrund meiner Frage: Ich besitze ein USB-Interface von Lexicon und würde das gern nutzen, um mit einem Messmikrophon einen Lautsprecher zu vermessen. Deshalb interessiere ich mich für ein kalibriertes ECM-80 (darf ich hier sagen, woher? tut aber nichts zur Sache). Das Lexicon mit zu kalibrieren fällt laut Aussage des Shops flach. Der Shop bietet aber ein Set aus Messmikro und Vorverstärker zusammen kalibriert an.


    Nach der linearen Systemtheorie besitzt jeder Funktionsblock (Mikrophon, Vorverstärker, Interface) eine spezifische Übertragungsfunktion. Wenn ich also mein Mikrophon kalibriere habe ich trotzdem das Systemverhalten von Vorverstärker und Interface auf meinem Signal.


    Welchen Vorteil bringt es mir dann, wenn ich mir ein Mikrophon mit dem dazugehörigen Vorverstärker zusammen kalibriert kaufe? Das Signal wird trotzdem (mit höherer Amplitude) durch das Systemverhalten des Vorverstärkers im Interface und das Interface selbst gestört.


    (Messkette: [Mikrophon – Vorverstärker] kalibriert – Vorverstärker – Interface)


    Kann mich jemand aufklären? =)


    Liebe Grüße
    Benjamin Christa

    Liebe Grüße
    Taranis

  • Hi,

    Zitat

    eigentlich ist es üblich die von dir genannte "Messkette" mit Hilfe der verwendeten (Mess)software zu kalibrieren


    Hmm.. Das Mikrophon mit der Software kalibrieren..? Nach meinem Verständnis bedeutet kalibrieren immer Vergleichen mit einem Normal. Im Standartfall wäre das ja der Ausgang des Interface.. In so fern kann ich dann nur den elektrischen Teil kalibrieren und messe die Nichtlinearität des DA Wandlers im Interface mit..


    Hat das etwas mit dem kalibriert gekauften Vorverstärker zu tun..?


    LG
    Benjamin

    Liebe Grüße
    Taranis

  • Hi Benjamin,


    warum informierst du dich nicht vor dem Kauf des Equipments ?


    Im Standartfall wird bildet ein Ausgang eines Audiogerätes die Referenz, dieser wird auf das Interface geroutet. In einem weiteren Input des Interfaces (möglichst baugleich) wird dein Messsignal mit dieser Referenz verglichen und ausgewertet, das übernimmt die Messsoftware. Mit der Verwendung baugleicher Inputs kompensiert man in gewisser Weise die Nichtlinearität der Wandler im Interface. Bei einer Lautsprechermessung würde ich mir aber um Wandlerlinearitäten absolut keine Gedanken machen, moderne Wandler vorausgesetzt sind sie bei diesen Art von Messungen vernachlässigbar. Ich empfehle dir dich vorab mal in die Materie reinzulesen z.B. -> http://www.rationalacoustics.de/Downloads.html oder besser einen Workshop zu besuchen...


    https://www.satlive.audio/
    http://www.rationalacoustics.de/Seminare_2016.html


    Beste Grüße


    radartuete

  • Hallo,

    Zitat

    warum informierst du dich nicht vor dem Kauf des Equipments ?


    Ich dachte das tue ich hier gerade? =) bisher habe ich nur das Interface, das nicht in erster Linie zum Messen angeschafft wurde.


    Ich gebe zu, dass ich die Feinheiten der Mesprozeduren noch nicht nachgeschlagen habe, aber der prinzipielle Messaufbau ist mir klar. Ich habe nur nicht verstanden, wo der Vorteil eines kalibrierten Vorverstärkers liegt, wenn doch sowieso ein weiterer Vorverstärker im (Standard-) Interface verbaut ist.


    Wenn Du sagst, dass Deiner Meinung nach die Fehlereinflüsse durch die Elektronik vernachlässigbar sind, kannst Du irgendwelche Werte nennen? Sicherlich hängt das wieder von den verwendeten Bauelementen ab, aber zumindest die Größenordnung wäre für mich hilfreich.


    Danke jedenfalls für die Links ;)


    LG
    Benjamin

    Liebe Grüße
    Taranis

  • Ich hänge hier noch ein bisschen mit den Begrifflichkeiten im Dunkeln - magst du mich etwas erhellen?
    Was ist das ECM-80 für ein Mikrofon? (welcher Hersteller??) und: ist der Vorverstärker dazu schlimmstenfalls mehr, als nur Vorverstärker - sprich: macht er das Signal erst linear??


    Das von Dir erwähnte "Systemverhalten" der Meßkette inkl. Interface(-vorverstärker) eliminiert man ja bei den allermeisten Meßverfahren & -softwares, indem man den zweiten Stereokanal zur Kalibrierung heranzieht, sprich: ein kurzes Stück Kupfer zwischen Out & In nutzt. Die Kanäle sind ja i.d.R. Baugleich, damit bleiben die Unlinearitäten dann auf den Teil davor (Mikrofon) und den danach (Amping/Box) begrenzt. Wenn Teil a aufgrund einer erfolgten Kalibrierung ausgeschlossen wird, bleibt nur Teil b, welcher unlinear sein kann.

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Hi,

    Zitat

    Was ist das ECM-80 für ein Mikrofon?


    Es tut mir Leid, da habe ich wohl das ECM-40 von Monacor mit dem Behringer ECM-8000 gemixt.. Tatsächlich meinte ich das ECM-40 von Monacor: Low-Cost Elektret-Messmikrophon für 80€


    Der Vorverstärker dazu ist der MPA-102 ebenfalls von Monacor.


    Zitat

    Wenn Teil a aufgrund einer erfolgten Kalibrierung ausgeschlossen wird, bleibt nur Teil b, welcher unlinear sein kann.


    Hmmmmm :?: ich glaube ich muss mir noch mal genau aufmalen, wie das funktionieren soll mit dem kalibrieren... Denn woher weiß ich denn, wo der Fehler genau liegt? Wenn ich den Ausgang des DA-Wandlers an den Eingang des AD-Wandlers hänge messe ich einen Unterschied zum beabsichtigten Signal. Ich kann aber nur aus der Messung heraus nicht sagen, ob der Linearitätsfehler im AD- oder DA-Wandler liegt geschweigedenn zu welchen Anteilen.


    Unter der Annahme eines linearen Systemverhaltens aller Komponenten:
    Wenn der Fehler im DA-Wandler liegt, dann wird der Fehler verstärkt, durch die Lautsprecher ausgegeben, vom kalibrierten Mikro abgetastet und (korrekt) vom AD-Wandler aufgezeichnet - danach erfolgt die Korrektur um den Fehler des Testsignals. Dafür allerdings müsste die Übertragungsfunktion aller vorherigen Komponenten bekannt sein, denn


    Messsignal = (DA + delta DA) * AMP * Lautsprecher * Mikrophon * Vorverstärker * AD


    wobei alle Variablen als Übertragungsfunktionen zu verstehen sind. Will ich also delta DA (den Fehler des DA-Wandlers) eliminieren, muss ich von "Messsignal" delta DA * AMP * Lautsprecher * Mikrophon * Vorverstärker * AD abziehen.


    Im Fall der Fehler liegt im AD-Teil ist es einfacher, denn der AD-Wandler ist der letzte Wandler in der Kette, sodass man "Messsignal" nur noch korrigieren muss.


    Bei gemischten Fehlern fällt mir gerade keine einfache Aussage ein...


    Um mit einer Frage zu enden:
    Man nimmt also an, dass der DA-Wandler korrekt arbeitet und "kalibriert" so seinen AD-Wandler und nimmt in kauf, dass man das Signal verschlimm-bessert, falls der DA-Wandler einen ähnlichen oder größeren Fehler aufweist, als der AD-Wandler. Stimmt das in etwa so?


    Und auf die eigentliche Frage bezogen: Warum sollte man nun den zusätzlichen MPA-102 im Labor mit-kalibrieren?


    LG
    Benjamin

    Liebe Grüße
    Taranis

  • Zitat von "Taranis"

    Ich kann aber nur aus der Messung heraus nicht sagen, ob der Linearitätsfehler im AD- oder DA-Wandler liegt geschweigedenn zu welchen Anteilen.

    Warum willst du das?
    Du benutzt ja zwei "Stereo-" bzw. bauteilgleiche AD/DA-Wandlerpaare. und willst beim Messen nur den Fehler ausserhalb dieser Kombination berücksichtigen.
    Die Software sendet also ein identisches Signal über die Ketten
    linker Kanal: a) D/A :arrow: Controller>Amp>Box :arrow: Meßmikro :arrow: A/D
    rechter Kanal: b) D/A :arrow: A/D
    Von Kabel & Steckverbindungen verursachte Unlinearitäten sind als Vergleichsgröße um Potenzen zu klein, fallen also aus der Messung nahezu heraus.
    Die Differenz zwischen a) und b), die nun von der Software gebildet & genutzt wird, ist also auf Controller, Amp, Box und Meßmikro beschränkt.
    Wenn das Mikro nun also linear ist, kann der Fehler in der Kette nur im Teil Controller>Amp>Box liegen - dem einzigen Teil, über den ja auch im Anwendungsfall das Audiosignal läuft.


    Insofern ist es völlig irrelevant, ob du dein Interface kalibrieren lässt, die AD/DA Fehler spielen nur im Unterschied zwischen linkem und rechtem Kanal eine Rolle. Und der ist bei nahezu allen Geräten vernachlässigbar klein - im Vergleich zu der Fehlerquelle Elektro-akustik Wandler (Box).


    Zitat von "Taranis"

    Und auf die eigentliche Frage bezogen: Warum sollte man nun den zusätzlichen MPA-102 im Labor mit-kalibrieren?

    Berechtigte Frage.
    Die würde ich lieber aus kaufmännischer, denn aus technischer Sicht beantworten:
    Zwei Geräte bringen doppelt so viel Umsatz (und mehr Gewinn), als eines... :oops:


    Aus technischer Sicht liesse sich vielleicht noch so viel hinzufügen:
    das Condenser-Mic braucht Phantomspeisung. Wenn dein Interface das kann, toll. Wenn nicht, solltest du darauf achten, dass der zusätzliche Speiseadapter/Preamp keine unerwünschte Unlinearität hineinbringt.



    Aus meßtechnischer Sicht ist ja eh keine wortgetreue Kalibrierung bei den "günstigen" Meßmikrofonen gemeint, sondern nur, dass die Abweichung von der Linearität im praktischen Böxlebauer/Faderschubse Tagestrott vernachlässigbar ist.
    Niemand würde anfangen, den Kalibrierungsschrieb auch in das Meßverfahren bzw. die Korrekturen am System mit einzubeziehen. Insofern werden - falls es überhaupt passiert - die zu erwerbenden Gerätschaften einzeln kalibriert und die daraus entstehenden Fehler addieren sich.

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Hallo noch mal,


    Zitat

    Die Software sendet also ein identisches Signal über die Ketten
    linker Kanal: a) D/A :arrow: Controller>Amp>Box :arrow: Meßmikro :arrow: A/D
    rechter Kanal: b) D/A :arrow: A/D


    Ich habe noch ein mal darüber nachgedacht und habe das ganze als Gleichung aufgeschrieben. Jeeetzt verstehe ich auch, was du gesagt hast.


    Variablen:

    • Testsignal T
    • Übertragungsfunktion vom (Mess-) Eingang dIN
    • Ü-Funktion vom Ausgang dOUT
    • Ü-Funktion der Verstärker G1 und G2
    • Ü-Funktion des Lautsprechers L
    • Ü-Funktion des Mikrophons M


    Dann gilt für die Messkette
    Signal_1 = T * dOUT * G1 * L * M * G2 * dIN (1)


    und für den als baugleich angenommenen Referenzkanal
    Signal_2 = T*dOUT*dIN (2)


    Ich kann Gleichung (2) in Gleichung (1) einsetzen und nach L (Lautsprecher) umformen.


    Signal_1 = Signal_2 * G1 * L * M * G2


    L = Signal_1 / (Signal_2 * G1 * M * G2)


    Verstanden :!::D


    Danke für die angeregte Diskussion. Jetzt steht neben der Lektüre einer Anleitung ersten Messungen nichts mehr im Wege.


    Liebe Grüße
    Benjamin

    Liebe Grüße
    Taranis

  • ich habe diesen thread gerade erst entdeckt. ist schon ein paar monate alt, aber mich würde interessieren was daraus geworden ist.


    mein senf dazu:

    den externen Monacor preamp MPA-102 benötigst du nur, wenn deine soundkarte keine phantomspeisung liefern kann oder generell keinen mikrofoneingang hat - sondern nur linepegel verarbeiten kann.

    nur dann(!) brauchst du den zusätzlichen preamp!


    von der qualität her ist der MPA-102 übrigens durchaus in ordnung. ich habe selber einen für eines meiner messysteme.


    etwas anders sieht es beim genannten messmikrofon aus:

    bei solchen günstigen messmikros ist die serienstreuung in der regel so hoch, dass man sich über messfehler in der elektrischen kette eigentlich gar keine gedanken zu machen braucht.

    die fehler des mikrofons liegen in aller regel um größenordnungen darüber!

    wenn du deine strecke mit dem messmikro auch frequemzgangmässig kalibrieren möchtest, benötigst du deshalb ein zweites messmikrofon als referenz. mit diesem macht man dann entsprechende vergleichsmessungen und gibt die abweichungen in das jeweilige messprogramm ein.

    aber natürlich muss das referenzmikro dann auch über eine genügend hohe qualität verfügen! ;)


    wenn du also deinem ingenieursstudium angemessene messungen machen möchtest und dir auch über die elektrische kette gedanken machst, empfehle ich dir folgendes mikrofon:

    iSEMCon EMX7150

    das ist zwar nicht so billig wie das oben genannte mikro, aber es ist wesentlich hochwertiger. ausserdem werden hier die kalibierwerte für jedes mikrofon mitgeliefert, was die sache enorm vereinfacht!

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang