Leatherman und Konsorten

  • Hallo Gemeinde,


    habe durch Zufall mitbekommen, dass Tools wie Leatherman, Gerber, Swisstool und sonstige jetzt als arretierbare Einhandklingen gelten und diese dem Waffengesetz unterliegen und ab sofort in Deutschland verboten sind.


    Aus für Multitool?


    Wie gehts euch so? ist das wirklich so, dass flächendeckend die Leathemans beschlagnahmt werden und man mit Bußgeld belegt wird?


    Schöne Grüße aus dem liberalen Süden (Österreich), Faxe

  • die vorschrift sagt wohl, dass man die klinge nicht einhändig bedienen können darf.

    ich habe drei multitools: ein ganz altes Leatherman Supertool, ein Swisstool und ein neueres Leatherman ... (Name ist mir gerade entfallen).

    bei allen dreien ist es mir absolut nicht möglich, die klinge einhändig zu bedienen.

    in sofern sehe ich das erstmal entspannt.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Ich hatte mal 2011/2012 ein paar Termine im Berliner Abgeordnetenhaus. Mein Schweizer Taschenmesser hat die Polizei am Eingang jedes Mal in Verwahrung genommen, mein Gerber Tool (längere und feststellbare Klinge) durfte ich mitnehmen, weil ja Arbeitsmittel...

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Dieses Messer habe ich dann am Flughafen Genf ganz abgeben müssen. Nicht wegen der Klinge, sondern weil die Säge ein klein wenig zu lang war...

    Das ist schon Behördenwahnsinn... Das ganze Theater mit den kleinen Fläschchen, den ganzen Geräten die man zerlegen muss, etc..


    Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind zu einer Zeit, wo man noch nicht mit Trucks in Menschenmengen fuhr, ganz selbstverständlich mit dem Taschenmesser im Sack durch die Flughafenkontrolle ging, ohne dass ein Alarm ertönte. War ein stinknormales schweizer Taschenmesser.


    Ich weiss, es ist OT, aber die ganze Panikmache reduziert nicht die Terrorgefahr und erhöht auch nicht die Lebensqualität...

    Der Ton macht die Musik.

  • nun ja, die anschläge sind real und die personen, die sowas überlebt haben denken über das thema sicherheit sicher anders als jemand, dem diese art von gewalt völlig fremd ist. ich war anfang dieses jahres mal in Nizza zu fuß auf der strecke unterwegs, die der idiot mit dem kleinlaster ein halbes jahr zuvor genommen hatte. an der anwesenheit von dutzenden, schwerbewaffneten soldaten, die überall patrouillieren, hat sich überhaupt niemand gestört ... eher im gegenteil, man empfindet es dort als beruhigend!


    so ändern sich eben die zeiten.

    auch wenn wir uns das aus nostalgischen überlegungen heraus gerne wünschen würden, es gibt auf der welt eben keinen stillstand. es geht immer voran und das bedeutet auch, das sich dinge ändern. wir müssen uns den gegebenheiten eben anpassen, es bringt ja nichts sie zu verleugnen.


    wieder zurück zu den multifunktionswerkzeugen: wenn sich die rechtslage und das sicherheitsgefühl der gesellschaft dahingehend ändern sollte, dass sie im privaten bereich verboten werden, dann werde ich das akzeptieren. ich benutze sowas ohnehin nur auf der bühne, und dort ist es eben ein arbeitsgerät, das kann man nicht so einfach verbieten. und sollte es auch dort verboten werden denke ich über eine auswanderung nach amerika nach: dort will man die waffengesetzte derzeit sogar lockern!

    es ist schon eine verrückte welt...:/

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • zu meinem arbeitsgerät gehört das leatherman waves. ich hielt es bis vor 2 wochen nicht zu diesen, die unter das verbot fallen. bis es mir von einem bandtech doch gezeigt wurde, wie es mit einer hand (wohlgemerkt die rechte hand!) aufklappbar ist.


    als linkshänder bin ich nicht darauf gekommen, das mit rechts zu probieren...

  • Aaah, mein Thema... :evil:


    Also: Mit einer Hand zu öffnende Messer fallen unter das FÜHRverbot nach §42a (1) Satz 3 WaffG, was bedeutet, dass der Besitz selbstverständlich weiter erlaubt ist, sie aber nicht in der Öffentlichkeit und bei Veranstaltungen geführt werden dürfen.


    Führen bedeutet in Waffenrechtsprech: Die tatsächliche Gewalt darüber außerhalb der eigenen Wohnung oder Geschäftsräume ausüben oder mit wenigen Handgriffen (Daumenwert: < 3 Handgriffe) einsatzbereit machen können.


    Vom Führverbot der Einhandmesser ausgenommen ist man laut Absatz (2) dieses Paragraphen, wenn ein "berechtigtes Interesse" vorliegt. Das berechtigte Interesse liegt vor, wenn "das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient."


    Daraus folgert: Techniker trägt Multitool bei Aufbau, Konzert und Abbau einer Veranstaltung: Ist absolut legal, berechtigtes Interesse. Sanitäter führt Leatherman Rescue Tool bei Sanitätsdienst: Berechtigtes Interesse, legal.


    Techniker oder Sanitäter hatten Feierabend, fahren mit Leatherman am Gürtel oder sogar nur im Handschuhfach nach Hause und kommen in eine allgemeine Verkehrskontrolle: Verstoß gegen das Führverbot §42a, es wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren (Bußgeld) eingeleitet, und Techniker oder Sanitäter verliert die sprengstoffrechtliche oder waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Das bedeutet: Nie wieder Pyro kaufen müssen (und dürfen), und auch das Kleinkalibergewehr für's sportliche Schießen wird geschreddert...


    Zur großen Frage, wie man es denn richtig macht: So lange ein Einhandmesser oder auch ein feststehendes Messer mit einer Klinge länger 12cm nicht unmittelbar für ein "berechtigtes Interesse" gebraucht wird, gehört es nicht unmittelbar zugriffsbereit in ein GEschlossenes (nicht zwingend ABgeschlossenes!) Behältnis.


    Techniker hat also seinen Leatherman mit Holster im Toolcase, mach als erstes in der Halle das Toolcase auf, das Multitool an den Gürtel und hat es da, bis die Trucktüren nachts (fast) zu sind. Als letztes macht er das Tool vom Gürtel und legt es in sein Toolcase...


    Zu Hause und in der Firma ist das übrigens total wumpe, da darf man führen, was man legal besitzt (auch wenn mein Geschäftsführer bis heute nicht versteht, warum ich meine 9mm im Büro am Gürtel brauche :D:D:D).


    Bei Fragen: Gerne nachfragen, ich befasse mich häufiger mit diesen Themen ;)


    Mit freundlichen Grüßen

    Tobias Zw.

    - von Hughes & Kettner zu Heckler & Koch! -

  • .....Techniker hat also seinen Leatherman mit Holster im Toolcase, mach als erstes in der Halle das Toolcase auf, das Multitool an den Gürtel und hat es da, bis die Trucktüren nachts (fast) zu sind. Als letztes macht er das Tool vom Gürtel und legt es in sein Toolcase...

    Hihi, so mache ich es schon ewig, weil ich a) das Ding früher immer genau dann brauchte, wenn es weit weg von mir im Koffer am FOH lag, mir aber b) das damit Herumlaufen im Leben ausserhalb des Gigs schon immer peinlich war ...


    By the way, jetzt habt ihr mich neugierig gemacht ... wenn mein klassischer Leatherman eine Einhandausklappfunktion hätte, wäre mir das die letzten 35 Jahre gar nicht aufgefallen :/


    ... und ausserdem:

    Fielen die Messer mit Klinge länger als ... und die Einhandschnappmesser nicht schon immer unters Waffengesetz und durften nicht einfach so herumgetragen werden?

  • Hallo Tobias,

    vielen Dank für deinen aufklärenden Beitrag.

    Eine Frage habe ich noch:

    Multitools mit innen liegender Klinge (z.B. Leatherman Super Tool 300 oder Victorinox SwissTool X) lassen sich nun nicht mit einer Hand bedienen, können aber durchaus arretierende Klingen haben; müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein oder eine der Voraussetzungen (Einhandbedienung, feste Klinge) damit das Führverbot gilt?

    Oder andersherum gefragt, könnte man ein Tool mit innen liegenden Klingen beim Ausflug zum Grillplatz (also außerhalb der Berufsausübung) am Gürtel tragen?

    Pragmatisch. Praktisch. Gut.

  • Danke der Nachfragen...


    theHELL : Entscheidend ist hier der Faktor der einhändigen Bedienbarkeit, d. h. zum Beispiel mit Daumenloch, Flipper oder „Knopf“ als Öffnungshilfe an der Klinge. Ob die Klinge (< 12 cm) im ausgeklappten Zustand dann arretiert, ist unerheblich. Tools mit innen liegender Klinge fallen m. E. also nicht unter das Führverbot nach 42a.


    guma : Das kam mit der letzten oder vorletzten unsinnigen Novellierung des WaffG, wie immer als spontane Reaktion auf die jeweils letzten missbräuchlichen Waffenbenutzungen anlässlich eines Amoklaufes... grrr... X/


    Mit freundlichen Grüßen

    Tobias Zw.

    – führt aus o. a. Gründen ein *feststehendes* Arbeitsmesser mit 10cm länger Klinge –

  • Hier noch die afaik relevanten Normen in Deutschland:


    https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__1.html


    https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__42.html


    https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__42a.html


    Sofern ich das richtig verstanden habe, könnte man dafür eine Bewilligung einholen. Dann wär' man aus dem Schneider, wenn man mal vergisst, das Tool in die verschlossene Box zu legen.

    Der Ton macht die Musik.

  • zegi : Eine „Bewilligung“ kennt das Waffenrecht in dieser Hinsicht nicht – und welche Behörde sollte die auf welcher Grundlage ausstellen? Entscheidend ist die Einzelfallentscheidung des Richters, wenn man erwischt wurde... und dazu folgende weiterführende Lektüre: Einhandmesser bei RA Dr. Schmitz.


    Mit freundlichen Grüßen

    Tobias Zw.

    – wegen unsinnigem deutschen Waffenrecht manchmal ganz schön gereizt –

  • - wegen unsinnigem deutschen Waffenrecht manchmal ganz schön gereizt –

    klingt nicht gut bei jemandem, der 10cm Klinge und 9mm geladen am Gürtel hat und beruflich mit C4 und Anschlagmaterial vertraut ist... :rolleyes:


    Aber eigentlich ist das Waffenrecht recht überschaubar: trage nie etwas, was du gerade nicht brauchst! Oder lass dich einfach nicht erwischen!!!=O

    ...hauptberuflicher Sarkastiker.

  • Aber eigentlich ist das Waffenrecht recht überschaubar: trage nie etwas, was du gerade nicht brauchst! Oder lass dich einfach nicht erwischen!!!=O

    Wobei man wie immer unterscheiden muss zwischen Gesetz und dessen Auslegung bzw. der konkreten Handhabung dessen.


    Ob am Ende der Veranstaltungstechniker mit dem Swisstool am Gürtel auf der Heimfahrt tatsächlich drakonische Strafen zu befürchten hätte, oder ob da in der Regel ein Auge zugedrückt würde, wäre noch spannend.


    Es wäre zumindest wünschenswert, wenn solch strenge Gesetze mit Augenmass gehandhabt würden. Bei uns in der Schweiz ist es nicht lange her, da waren wir mit dem vollautomatischen Sturmgewehr inklusive scharfer Munition (50 Schuss) unterwegs. Und exakt diese Ausrüstung wurde von den meisten Soldaten zu Hause so gelagert (oft sogar ganz unsachgemäss alles auf einem Haufen). Es ist in all den Jahrzehnten relativ wenig passiert.


    Ich will jetzt nicht für lasche Waffengesetze werben - aber so ein Swisstool oder ein Sackmesser ist jetzt nicht die Bedrohung für den Weltfrieden (und sicher auch nicht die Waffe der Wahl bei den Terroristen und Attentätern).

    Der Ton macht die Musik.

  • Ach ja - ein Sackmesser ist bei uns in der Schweiz ein Taschenmesser - das hat also nichts mit alten Säcken oder so zu tun... (oder vielleicht doch?)


    Und da man im hohen Alter immer gerne etwas idealisiert: Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als wir Mofaausflüge nach Norditalien (am liebsten zum Markt in Luino machten), um illegal Einhandmesser (oder halt eben Springmesser) in die Schweiz für den Eigengebrauch (oder als Tauschmittel) zu importieren. Wehe dem, der an der Grenz erwischt wurde. Die Dinger waren in der Schweiz schon damals (+40 Jahre) verboten...

  • Techniker oder Sanitäter hatten Feierabend, fahren mit Leatherman am Gürtel oder sogar nur im Handschuhfach nach Hause und kommen in eine allgemeine Verkehrskontrolle: Verstoß gegen das Führverbot §42a, es wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren (Bußgeld) eingeleitet, und Techniker oder Sanitäter verliert die sprengstoffrechtliche oder waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Das bedeutet: Nie wieder Pyro kaufen müssen (und dürfen), und auch das Kleinkalibergewehr für's sportliche Schießen wird geschreddert...


    Auch hier noch eine Frage; ich habe grundsätzlich IMMER ein Swisstool mit Tasche, ein paar Bits und einem Miniatursteckschlüsselsatz im Handschuhfach des Autos. Da war ich schon oft froh drum. Der Zweck der Werkzeuge ist primär auf Veranstaltungen für alles Mögliche/Unmögliche. Aber Auch für den Fall, dass man einmal eine Panne oder einen Unfall hätte, bin ich froh zu wissen, dass ich das Tool dort habe.


    Das wäre ja auch in Deutschland ein nachvollziehbares Interesse, nicht? Es gibt ja eben auch diese "Rescue" Version des Swisstool mit Gurtschneider. Wenn man sowas nicht im Auto haben darf, macht es wenig Sinn.


    Oder muss ich künftig, wenn ich mein Geld in Deutschland ausgeben will, vorher mein Auto leer räumen? Wie sieht es denn aus, wenn ich das Handschuhfach abschliesse?


    Ich werde ein gewisses Unverständnis nicht los... gerade im Zusammenhang mit dem Auto (welches quasi DIE Waffe schlechthin darstellt).

    Der Ton macht die Musik.