Abnahme von Theaterspielern ohne Headsets

  • Da das Thema ja offensichtlich schon auf Interesse stößt, führe das gerne nochmal etwas genauer aus. Meiner Erfahrung nach gibt es bei einer Theaterbeschallung mit Raummikrofonie im Wesentlichen drei Hauptprobleme:


    1) Abstandsverhältnisse


    Ich spreche hier nicht von kleinen Kulturtheatern, sondern von großen Bühnen mit Bühnenmassen mit über 8m Bühnenbreite. Generell sind die Aufstellungsmöglichkeiten bei solchen Produktionen eigentlich immer extrem begrenzt. Das liegt zum einen daran, dass größere freie Spielflächenim Bühnenbereich nicht für Mikrofone zur Verfügung stehen, zum anderen daran, dass die Bühnenbilder- / Regisseur*innen meist klare optische Vorstellungen haben, denen man sich unterordnen muss (sichtbare Mikrofone sind bis auf bei Musicals eigentlich immer ein no-go, damit fallen dann zB. meist auch in einem sinnvollen Abstand gehängte Mikrofone über der Bühne aus). Es bleiben dann oft nur noch sehr ungünstige Positionen zB irgendwo am Bühnenrand übrig. Von diesen Positionen aus ist es in der Regel nicht mehr zufriedenstellend möglich, das Geschehen in der Bühnenmitte (wo sich meist ein Großteil der Handlung abspielt) vernünftig laut zu bekommen. Manchmal lassen sich Mics geschickt in das Bühnenbild integrieren, hier stellt die Verkabelung bzgl. der Umbauten jedoch eine Herausforderung dar (Funkstrecken sind teuer!).

    Hinzu kommt, dass sich beim Theater ja oft mehrere Schauspieler an unterschiedlichen Orten aufhalten. Ein Schauspieler steht dann am Rand, mit 2m Abstand zum Mikrofon. Ein anderer steht hinten in der Mitte, wo wir vielleicht kein Mikrofon positionieren konnten, mit einem Abstand von 7m zum nächsten Mikrofon. Hier kommen jetzt bei einem Dialog am Pult sehr ungleiche Lautstärkeverhältnisse an. Manchmal lässt sich das szenisch lösen, die Akzeptanz der Regisseur*innen, sich aus tontechnischen Gründen in ihre szenischen Vorstellungen reinpfuschen zu lassen ist aber meist sehr begrenzt. Generell würde ich sagen, dass eine gleichmässige Bühnenabdeckung mit annehmbaren Abstandsverhältnissen auf größeren Bühnen in der Praxis so gut wie nie umsetzbar ist.



    2) unnatürlicher Klang / Störschall


    Durch die hohen Abstände zu den Mikrofonen ergeben sich weitere Probleme: Man braucht einen sehr hohen LowCut um genügend GBF zu bekommen. Dadurch klingt das Ergebnis dünn und hart. Außerdem werden alle Nebengeräusche (Schritte, umfallende Gegenstände, etc... selbstverständlich im gleichen Maße wie die Sprache mitverstärkt. Diese Geräusche sind in der Regel jedoch schon laut genug, so dass das im Gesamtmix sehr unnatürlich und störend wirkt. Alle Beteiligten gehen immer wie selbstverständlich davon aus, dass wir mit einer solchen Mikrofonierung nur die Nutzanteile (Sprache) laut bekommen können und der Rest bleibt wie er ist. Das ist jedoch natürlich NICHT so - dies ist nur bei einer Nahmikrofonierung möglich. Wenn wir mit den Mikrofonen nicht einigermassen nah an die Quelle kommen (siehe Punkt 1) bekommen wir diese Probleme nach meiner Erfahrung nicht zufriedenstellend in den Griff.



    3) Bedienbarkeit / Umsetzbarkeit


    Die oben angesprochenen Probleme lassen sich natürlich teilweise lösen. Mikrofone können je nach Szene geschickt in das Bühnenbild eingebaut und/oder die Positionen verrückt werden. Das Bühnenbild könnte sich hier selbstverständlich auch an die tontechnischen Anforderungen anpassen (auch wenn das praktisch irgendwie nie passiert ;) ). Löcher in der Mikrofonierung können szenisch ausgespart - also einfach nicht bespielt werden. ungleiche Lautstärkeverhältnisse in Dialogen können bei den Proben durch die Schauspieler*innen ausgeglichen werden. Es kann an der Besohlung der Schuhe gearbeitet werden um Schrittgeräusche zu minimieren. Am Pult kann durch den Einsatz von gezielter (Multiband-) Kompression, sorgfältigem EQ'ing je nach zenischen Anforderungen der Klang optimiert werden, etc...


    Das Ganze wird jedoch schnell zu einem unkontrollierbaren Drahtseilakt. Alle Beteiligten müssen AKTIV UND ENGAGIERT mitarbeiten. Der Hauptfokus der anderen Gewerke ist jedoch verständlicherweise meist nicht beim Ton!


    Im Tonpult müssen im Pult Szenen gespeichert werden in denen sich Einstellungen ändern, während der Proben müssen Mikrofonpositionen ausprobiert und eingerichtet werden. Der Verkabelungsaufwand auf großen Bühnen ist hier bei verschiedenen Positionen bzgl. der Zeit die das braucht und alle Beteiligten warten müssen nicht zu unterschätzen - und bevor ichs vergesse: Funk ist teuer!.

    Meist ist es so, dass 1-2 Kollegen aus der Tonabteilung die Proben betreuen. Es ist SEHR WENIG Zeit vorhanden. Die vorhandene Zeit wird zu 90% benötigt um szenisch zu proben. Das Gewerk Ton macht seine Arbeit hier gut, wenn die Kollegen bzgl. der Herstellung der Sprachverständlichkeit möglichst unauffällig und vor allen Dingen ohne wertvolle Probenzeit in Anspruch zu nehmen mal eben..... ähhh... wie war das nochmal...... ach ja genau! die Sprache - und bitte NUR die Sprache laut machen, und zwar so, dass es absolut natürlich klingt :P Kann doch nicht so schwer sein? Wie, Du brauchst eine Extraprobe oder zumindest mal eine Stunde Zeit? Haben wir nicht, wir müssen noch dies und das und jenes, außerdem ist morgen dieser Schauspieler nicht da, da kommen wir eh in Verzug.........



    Ist eine professionelle Beschallung mit Raummikrofonen im Theater wirklich unmöglich?


    Natürlich ist dies nicht unmöglich! Hier ein wirklich GUTES Ergebnis zu bekommen ist jedoch mit dem klassischen Theater- und Probenalltag so wie ich ihn in meiner Arbeit als freier Techniker immer wieder erlebt habe sehr schwer zu vereinbaren und deshalb in der Praxis meiner Erfahrung nach eigentlich nie wirklich umsetzbar. Um hier ein wirklich gutes Ergebnis zu bekommen braucht es:

    • die Bereitschaft ALLER Mitwirkenden teils größere Kompromisse einzugehen
    • einiges an eingeräumte Probenzeit die nur (!!!) für die Optimierung der Tontechnik verwendet wird
    • wirklich sehr (!!!) fitte und erfahrene Techniker*innen am Pult, die schnell und unauffällig einen Großteil der Arbeit während der szenischen Proben abarbeiten können, ein gut vorbereitetes Pult und ein sorgsam ausgearbeitetes und flexibles System bzg. Szenenspeicherung, Recall-Safe, etc... Die Kolleg*innen am Pult müssen das Pult und ihr System superschnell (!!!) und stressfrei beherrschen.
    • eine exzellente Beschallungsanlage, hervorragende Mikrofone und ein den Anforderungen gewachsenes Pult.


    Die Beschallung mit Headsets/Lavalliers stellt einen sehr wirksamen Lösungsansatz zu den Problemen 1) und 2), und auch teilweise 3) dar. Eine Theatervorstellung auf diese Weise professionell zu verstärken ist ebenfalls alles andere als trivial! Darüber könnte ich jetzt hier nochmals einen längeren Aufsatz schreiben, aber das ist ja an dieser Stelle nur ein Nebenschauplatz :D Egal wie , aus den oben genannten Gründen würde ich auf großen Theaterbühnen Headsets/Lavalliers IMMER einer einer Raummikrofonie vorziehen!

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  • Wir sprechen hier aber von einem Theaterverein. Ich denke nicht, dass die Bühne so groß ist. Bei einer kleinen Bühne kann das durchaus funktionieren. Hängt halt sehr von den Gegebenheiten und den Beteiligten ab.

    klar. Je kleiner die Bühne und je unaufwändiger die Aufbauten und Umzüge desto besser und einfacher kann das funktionieren.

  • Sehr schön gesagt, kann ich so nur unterschreiben. Dazu mache ich die immer wieder die Erfahrung, dass gerade beim Schauspiel eher recht stiefmütterlich mit dem Ton umgegangen wird, was die ganze Sache nicht vereinfacht.

    Zur Ausgangslage des TE: er schrieb von einer Sporthalle mit 600 Plätzen - nicht gerade optimal um dezent zu beschallen...

  • Dann war das vermutlich die gleiche Gruppe, von der ich rede (Chiemgauer?)

    absolut korrekt. ;)


    auch bei uns knapp 600 sitzplätze, bühnengröße ist 14x9m, bespielt wurden hier aber schätzungsweise nur 10x5m.

    aber: wir haben in unserer halle mittlerweile einiges an aufwand betrieben, um die akustik an sprachbeschallungen anzupassen. will heissen: wir haben viel stoff vor reflektierende wände gehängt - und damit die nachhallzeit um über eine halbe sekunde verkürzt! ohne diese massnahmen wäre eine abnahme per grenzflächen quasi unmöglich gewesen. wenn ich hier also "sporthalle" lese und mir die real zur verfügung stehende akustik vorstelle, dann würde ich ebenfalls von raummikrofonen abraten.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

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