Der Untergang der Studios und wie "richtige" Musik produziert wird

  • Musik hat erst einmal überhaupt nichts damit zu tun, wie und wo sie aufgenommen wurde. GUTE Musik setzt sich immer durch, egal ob sie im Real World Studio oder mit einem 4 Spur Kassettenrecorder im Badezimmer aufgenommen wurde. MUSIK ist etwas was einen berührt ... nicht etwas das linear bis 35 Hz geht und in 192 KHz gemastert wurde ...


    Ich persönlich finde diese Demokratisierung eigentlich sehr charmant, auch wenn es für viele, gerade kleinere Tonstudios, natürlich hart war/ist. Es kommt halt, zusammen mit den viel einfacheren Vertriebswegen, viel mehr interessante/gute Musik auf den Markt als früher ... leider oft zuviel um es zu überblicken .... und manchmal zugegebenermaßen auch in seltsamer Aufnahmequalität ... ;)


    Viele Musiker gehen trotzdem wenn sie können ins Studio ... einerseits weil dort sie technischen Möglichkeiten doch größer sind, teils weil es einfach notwendig ist (große Bands wollen zusammen einspielen, Orchsteraufnahmen etc.), teils weil es für einen Musiker oft leichter ist, NUR Musik zu machen und nicht noch ständig den Techniker zu geben ....


    Leider ist dafür heute selten viel Budget da .. was leider auch heisst, das viel Kreativität einfach dem Zeitdruck geopfert werden muss. Solange die Menschen einer Aufnahme nicht wieder genauso viel Wertschätzung entgegenbringen wie einem Livekonzert, wird das aber leider auch erst mal so bleiben.

  • Hier wäre also der Platz für 'Apokalypse der guten Audiokonservenproduktion' oder postmarxistische Betrachtungen zu 'Was passiert, wenn der (Musik-)arbeiter das Recht an den Produktionsmitteln zurückerhält, weil er sie sich schlicht leisten kann'?

    der Herr Moderator... also manchmal haut er richtig einen raus...
    :thumbup:

  • Was wir auch noch nicht erwähnt haben sind die regionalen Unterschiede...


    In den großen Ballungsräumen mit vielen Menschen auf wenig Raum gibt es auch mehr Studios.


    Die Studiobetreiber in meiner Gegend jammern aber alle ein bisschen das die Auftragslage besser sein könnte oder mehr Budget (meistens Zeit) manchem Produkt doch gut tun könnte.

  • Man gewöhnt sich - im Laufe der Zeit - leider an schleichende Verschlechterungen.


    Was die Qualität der neuen (digitalen) Home Studio Produktionen angeht - ich bezeichne dass seit zwei Jahren als => " Digital Disease "

    Mit anderen Worten - nicht alles was mathematisch möglich ist macht klanglich Sinn - es beschäftigt halt zunehmend die Limiter und stresst die Ohren.


    Beispiel?


  • Musiker konzentriert euch auf das musizieren, daß Studio kümmert sich um den guten Sound und hält euch den Rücken von Technikproblemen frei.

    Der letzte Teil dieses Statements würde ich gerne erweitern:

    ...der Dienstleister (Beschallungsfirma, Tontechniker, Studio) kümmert sich um...


    Ist es denn nicht so, dass auch wir (Dienstleister im Beschallungsgewerke, um dies evtl. nicht ganz OT zum Forum an sich stehen zu lassen) grundsätzlich in einem Strudel von do-it-yourself Mentalität sind und dies auch deutlich spüren.


    Sicher, eine BigBand wird wohl oder übel ein Studio buchen müssen, wenn das vernüftig ablaufen soll, ein Orchester wird wohl auch gerne gleich einen Konzertsaal anmieten, genauso wie ein Großevents wie Rock am Ring, Rock im Park oder Bands wie Bon Jovi, AC/DC, Eagles, u.a. lieber Profis haben und dazu einen professionellen Dienstleister wählen. Man wird da wohl niemals Feld-Wald-Wiesen Beschaller mit einer Garage voll Budgetmaterial finden, jedoch findet man diese Kategorie vermehrt auf kleinen Bühnen und Stadtfesten, selbst auf Events mit bis zu 1500 PAX, wenn eben nicht die Band selbst alles macht. Das ist leider so, denn der Preis entscheidet letztendlich; Qualität ist oftmals sekundär.


    Das Equipemnt, was vor 10-15 Jahren noch richtig Geld kostete, bekommt man heute für'n Appel und Ei (oftmals steht gar Apple drauf). So ein Homestudio gibt es heute in einem kleinen All-in-One Kistchen, das weniger als 1000€ kostet. Wenn der Newcomerband da nicht der Finger juckt, wann dann? Produzieren und sofort Youtuben, egal ob der Ansprüche und Qualität. Hauptsache mal rausgehaun.Ich seh und höre diesen "gestigen Dünnsch..." auch immer wieder zuhause, wenn unser Töchterchen sich mal wieder irgendeinen Mist ansieht und anhört. Da ziehen sich bei mir alle Fußnägel hoch.


    Wieviele der Musiker und Bands sind mittlerweile ohne Tonman unterwegs, weil sie sich von der Bühne selbst per Tablet mischen? Welcher Festzeltwirt sieht es nicht gerne, wenn er 4 Bierzeltgarnituren mehr stellen kann, da der Platz für das vermaledeite FoH endlich durch die siagenhaft Tolle Band eingespart wurde.


    Ich finde die Diskussion über so etwas irgendwie sinnfrei, genauso sinnfrei wie eine Diskussion darübe ob wir in der Branche durch andere übervorteilt werden und deswegen ein Preisverfall in dieser Hinsicht sich etablierte.


    Noch was zur Kreativität...

    War es nicht ABBA, welche damals schon sehr inovativ waren? Aufnahmendopplung mit leicht versetzter Abspielgeschwindigkeit, Aufnahmen im Badezimmer wegen der vorherrschenden Akustik und noch ganz andere schräge Dinge. Dies prägte deren Sound und das wurde niemals nicht (Badezimmer) in einem extra designten und sterilen Tonstudio in einer Akustikkabine produziert.

    Auch ist es doch so, dass viele Produktionen des Mainstreams heutzutage per MIDI und Streams an unterschiedlichen Orten auf der Welt produziert werden und erst ganz am Ende daraus etwas ganzes wird.


    So gesehen braucht man keine Tonstudios mehr. Nur noch kleine Kellerräume oder Besenkammern mit einem Compzter drin.

    (Achtung, dies ist nicht ganz ernst zu nehmen)

    Allerdings gilt dies meiner Meinung nach für die ganzen Retortenmusik und Fließbandproduktionen.


    Hmm... wo und wie produzierte Snap damals? Stichwort Projektstudios.

    Gut, damals kostete eine 02R mehrere Tausender und das konnte sich letztendlich auch wieder nur ein gewerbliches und gewinnorientiertes Unternehmen sich leisten, von der Recordinghardware (Alesis, Tascam) mal abgesehen. Heute gibt es dieselbe Menge und mehr an Schnick-Schnack in einer X18 Air Kiste vom Ohringer (inkl. Recording), welche man vom Sofa per Wischbrett bedienen kann. Die Ehefrau trällert dazu in ein t.bone Großmembraner, Autotune zieht das gerade. Bisschen Rhythmus dazu und fertig ist das Helene Fischer Double.

    Laut heisst nicht immer gleich gut und toll und wer schreit ist meist im Unrecht.

  • Die Ehefrau trällert dazu in ein t.bone Großmembraner, Autotune zieht das gerade. Bisschen Rhythmus dazu und fertig ist das Helene Fischer Double.


    Klingt zwar lustig ist aber totaler Humbug. Auch in Helene Fischer steckt viel Professionalität und gute Produktion, egal ob Studio oder Live. Und das setzt sich am Ende auch durch.

  • Stimmt. Es sind zwei entscheidende Dinge, die nach wie vor nicht für kleines Geld zu haben sind:

    1.Der Profi, der auch mit Amateurequipment immer eine bessere Aufnahme hinbekommt als ein Amateur mit Profitechnik.

    2.Die Abhöre im guten Studio (Speaker und Raum).

    Es grüßt
    ein Knöpfchendreher.

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  • Ich sehe im Moment eher einen Trend zu mehr Studios.

    Vielleicht ist das nur eine zufällige Häufung im meinem Umfeld, aber ich kenne mehrere Kollegen die sich in den letzten Jahren ein eigenes Studio gebaut haben.


    Sicherlich auch weil es eben nur noch einen 5-stelligen Betrag kostet und nicht mehr einen 6-7 stelligen, aber es gibt da weiterhin einen Bedarf für.


    Aber die haben alle eine Nische gefunden und haben dafür die Kunden. Das ist aber in fast allen angewandten Künsten so, sei es als freischaffender Künstler, Photograph oder Studiomensch. Wenn man die Kunden und die Nische hat geht das alles. Und wenn es der berufliche Ausgleichssport ist neben der Tätigkeit als Veranstaltungstechniker.


    Sei es das Proben/Projektstudio mit angeschlossener Ferienwohnung in traumhafter Urlaubslage, das Live-Recording Studio das an eine etablierte Live Location angeschlossen ist oder auch Filmton.


    Ein weiterer Microtrend sind derzeit Synchronisationsstudios. Durch die Masse an Filmen und Serien die gerade durch die Streamingdienste auf den Markt schwemmen ist der Bedarf an deutscher Synchronisation erheblich gewachsen. Da zählt oft eher die Masse als die Qualität, aber da ist derzeit auch eine Lücke im Markt. Muss man aber auch wollen und zählt doch eher in die Kategorie Dienstleistung.