Mischen von Musicals

  • Hallo zusammen,

    es würde mich interessieren wie ihr Musicalproduktionen mit vielen Headsets mischt, bzw. am Mischpult euer Routing aufbaut.

    Ich lande in der Planung meistens bei dieser Ausführung:


    Instrumente, Headsets, Chormikros etc. werden in entsprechende Gruppen geroutet. Alle Headsets landen in einer Gruppe.

    Falls ich Headset Wechsel habe (habe ich leider meistens...) erhält jeder Sänger einen Kanal, d.h. ein Input kann auf mehreren Headsetkanälen verwendet werden. Gains werden so gesetzt dass mein Fader auf 0dB meinen Pegel für ein "normallautes" Solo der Person ergibt.


    Alle Instrumente, Outputs und Routings werden auf Recall Safe geschaltet.


    In den Szenen speichere ich nur Headsetkanäle oder Offstage Chorkanäle, und zwar nur Mutes und Faderlevel. Dazu gibt es ein oder zwei Fader-Bänke mit den Solo- oder Backgroundheadsets für diese Szene. Ab und zu (nicht bei allen Musicals) auch die Mutes für FX Returns oder auch spezielle Hallräume.


    Falls es also Klanganpassungen etc. gibt werden die nicht mit recalled, wenn Headsets anders sitzen, Sänger sich pegelmäßig ändern passe ich über Gain (alleine genutzte Headsets) oder Trim (wechselnde Headsets) an.


    Über die Mutes sehe ich welche Headsets in dieser Szene verwendet sind, d.h. nach einem Szenenwechsel habe ich ev. 5 Headsets auf meinem Arbeitslayer und entmutet, von denen aber 4 Stk. noch vom Fader heruntergezogen sind. Die fahre ich dann durch Mitlesen vom Textbuch mit, nächster Darsteller auf die Bühne, Fader hoch auf 0dB. Sortiert sind die Fader (soweit wie möglich) in der Reihenfolge in der sie sprechen oder singen.

    Backgroundsänger oder ähnliches dann natürlich vom Pegel entsprechend angepasst, meist in den Szenen mit abgespeichert.


    Instrumentenanpassungen fahre ich in der Regel von Hand, oder bei großen Änderungen ich mache mir Szenen zwischenrein in denen nur die Anpassungen der Instrumente gespeichert werden.


    Ganz an Anfang der Szenen gibts eine "Soundcheck" Szene, hier wird alles gespeichert und geladen. Nach der Show überlege ich mir ob die Klang- oder Kompressor- oder was auch immer Anpassungen es wert sind allgemein gespeichert zu werden, wenn nicht wird diese Szene am nächsten Tag mit deaktivierten Recall Safes geladen.



    Was ich lieber habe, für mich aber nicht bei allen Musicals funktioniert:

    Ich teile die Headsets in 2 Gruppen auf:

    - Solo

    - Chor

    Ich fahre alle Headsets bei ca. 0dB in der Ausgangsstellung, und mache die Lautstärkeanpassung für die Backings über den Gruppenmaster.

    In den Szenen schalte ich das Routing zwischen den Gruppen um, nicht verwendete Headsets sind auch nicht geroutet.

    Gefällt mir besser da ich Solo und Chor schön einfach getrennt auf 2 Fingern habe, funktioniert aber nicht so einfach bei komplexeren Shows (viele ineinander übergehende Stücke, sehr viele Gesangswechsel während einem Stück).



    Wie handhabt ihr das bei Musicals? Ganz andere Arbeitsweisen? Tricks oder Besonderheiten? ;)


    Grüße

  • Hallo JS-Collect


    Zunächst einige Begriffe bei Musical Produktionen:

    • Musicalname -> Show
    • Szenen, Bild -> Cues
    • Schauspieler (Sabine, Horst..) -> Actors
    • Rollen (Hänsel, Gretel...) -> Characters.

    Gemischt wird während der Show i.A. nicht mit einzelnen Kanälen
    sondern mit den Cues zugeorcdneten VCA/DCA Master & Mute-Groups.

    Die den VCA Mastern zugeordneten Slaves (Kanäle) werden Audiomäßig i.A. nicht verändert.

    Für Jedem Schauspieler wird eine sog. Actors Library erstellt und zugeordnet:

    Darin sind alle Kanal Parameter nach Szenen geordnet als Channel Cues abgelegt, aber wenn möglich noch ohne Kanalzuweisung.

    Hintergrund: bei großen Produktionen gibt es mehrere Schauspieler für die gleiche Rolle, falls mal einer krank wird.

    Das kannst du dann bei der beschränkten Anzahl von Headsets nutzen. (Mehrfachnutzung des gleichen Headsets):

    Scene 1..3 -> Actor A, Scene 4..7 -> Actor B. beide teilenj sich das selbe Headset.

    Actors Library A:

    • Cue 1..3: var. ch. settings
    • Cue 4..x: const. (evtl Mute) settings

    Actors Library B:

    • Cue 1..3: const. (evtl Mute) settings
    • Cue 4..7: var. ch. settings.


    Für die statischen Quellen (Chor, Orchester, Off Mics, Efx Rtn) kannst du auch fixe Subgroups zuweisen, deren Zuordnung du während der Show nicht veränderst.


    Nicht vergessen: Reserve Quellen/Kanäle (Spare), falls mal ein Mic/Kanal aussteigt oder spinnt. (dieser muss dann "hard" (Recall safe) gemuted werden)


    Dann erstellst du eine Liste mit folgenden Einträgen:

    • Zeilen:
      • Alle Cues in der richtigen Reihenfolge.
    • Spalten:
      • Alle Actors, sortiert nach den verfübaren Headsets mit zugörigen Actors Library cues.
        D.h. für das o.g. Beispiel Actor A & Actor B müssen nebeneinander liegen.
        Hier zugeordneten Audio Kanal oder Patch Source eintragen.
      • Alle verfügbaren VCA/DCA Master mit Mutes, Pegel & aktuellen Slave Zuordnungen.
      • Evt. aktuelle Efx Zuweisungen
      • Bemerkungen
    • Ob man in den Spalten zuerst die Actor oder die VCA Master einträgt ist Geschmacksache.
    • Es sollten soviele VCA Master vorhanden sein, wie max. (mit Headset) Actors pro Scene auf der der Bühne stehen.
    • Hat man dabei noch VCA Master übrig,
      so kann man den Spare ch. oder die statischen Quellen den noch freien VCA Mastern zuordnen.



    Tricks:

    • VCA Master auf max.-10dB einstellen, so hat man noch ca. 20dB Reserven zum mixen. Allgemein: halber Faderweg.
    • Mutes sollten auf den VCA Mastern zuweisbar sein.
    • Schneller Zugriff auf "Hard Mutes"
    • Wenn sich bei Gesangsduos die "Liebenden" anschauen, evtl. die channel Settings dieses Cues tauschen.

    Das nur mal grob skiziert so auf die Schnelle.

    Happy Mixing!


    LG

    Nlate

  • ...

    Kannst Du an einer konkreten Konsole mal beschreiben, wie Du das machst?

    Zu konkreten Implementierungen dieses Workflows von Pult Herstellern (Ross und Reiter)
    will ich mich hier in diesem Thread nicht äussern, weil:

    • Dies ist ein Anfrage zu einem spezifischen Workflow, nicht zu einem konkreten Produkt.
    • Der Threadstarter und andere messen dann meine persönlichen Aussagen und Bewertungen an vergleichbaren Produkten im Wettbewerb.

    Persönliche Arroganz ON >>

    • Die Produkte (Calrec, Lawo, Stagetec, Studer etc.), auf die ich referenzieren würde, liegen im Preisbereich >50K Euro, und sind somit uninteressant für die Mehrzahl der hier aktiven Forumteilnehmer.
    • Das Produkt Management der einschlägigen Hersteller soll sich die Bedürfnisse und Kenntnisse dieses Marktes selbst erarbeiten, was sie ja großteils bereits getan haben und daraus entsprechende Produkte definieren, anstatt das hier Gesagte & Diskutierte einfach abzukupfern.
      Dafür werden diese Leute ja bezahlt!

    << persönliche Arroganz OFF

    Gerne kann ich hier den Workflow der Musical Beschallung aus meiner persönliche Sicht im Detail beschreiben, sofern dazu Bedarf besteht!


    LG

    Nlate

  • Gerne kann ich hier den Workflow der Musical Beschallung aus meiner persönliche Sicht im Detail beschreiben, sofern dazu Bedarf besteht!

    es gibt immer bedarf für erfahrungswerte. hier lesen ja auch junge leute mit, die noch nicht so viel erfahrung haben.

    und in meinem falle ist es so: ich habe zwar schon 1000de veranstaltungen mit rede- und musikbeiträgen beschallt, aber noch nie ein richtiges musical. für mich wäre das also ebenfalls neuland, deshalb lese ich da gerne mit - auch wenn ich da im moment keinen bedarf sehe.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Hallo Nlate,

    danke für deine Beschreibung!


    Ich vermute dass wir über deutlich unterschiedliche Musicalgrößen sprechen - aber trotzdem wollte ich ja gerade wissen wie es anderswo gemacht wird.

    Bei den Shows die ich betreue habe ich in der Regel einen "Technikdurchlauf" zum Anpassen der vorbereiteten Show, dann vielleicht noch eine Generalprobe, danach fangen die Liveshows an.


    Folgende Fragen habe ich zu deinen Beschreibungen:


    Du sagst im allgemeinen werden die zugeordneten Slaves audiomäßig nicht geändert. Wie würde man darauf reagieren wenn doch eingegriffen werden muss? Mit den zugeordneten Actor Librarys würde man sich im Kanalzug gemachte Anpassungen direkt wieder überschreiben?


    Wenn ich es richtig verstehe hast du also pro VCA einen Actor zugeordnet, das Mischen erfolgt über diese VCAs. Die Zuordnung änderst du pro Cue.

    Änderst du dann auch die Benennung des VCAs auch pro Cue? Um die Übersicht zu behalten was auf diesem VCA hinterlegt ist? Oder gehst du über die Liste?


    Grüße

    Jürgen

  • Nlate


    Schon in Ordnung, ich versteh' Dich. ;)


    Da dieses Board 'Praxis' heißt sollte die Frage jedoch erlaubt sein, auch wenn nicht jeder bereit ist, seine "Berufsgeheimnisse" Preis zu geben. :)


    Eine sehr gute Einführung in die Arbeitsweisen der Theater- und Musical-Tontechnik und die Besonderheiten des Genres bietet dieses praxisnahe Buch:


    Mixing a Musical: Broadway Theatrical Sound Techniques (Englisch) Taschenbuch – 2. ordentlich aktualisierte Auflage 11. Juli 2018 von Shannon Slaton


    Dort findet man z.B. sehr detailierte Hinweise zum Erstellen der o.g. cue list.

  • Für Pulte, die weniger komfortabel als die o.g. genannten ausgestattet sind und keine Verknüpfung zwischen preset library und cue list schaffen, und ein "Funkensparprogramm" kann man auch folgendermaßen vorgehen:

    Man ordnet dem jeweiligen Rollen-DCA sowohl die "Doppelrolle" als auch alle 'actors' zu, die eine Funkenstrecke gemeinsam nutzen zu und verwaltet den jeweiligen aktuellen Nutzer in den cues lediglich über die gespeicherten mutes. So konnten es auch schon analoge Pulte, die nur über eine mute Automation mit genügend cue Speicherplätzen verfügten. Voraussetzung heute wäre dafür also dass man genügend Kanäle hat und die "statisch" nach dem headamp-gain aber vor dem trim mehrfach patchen kann. Damit man den nicht dynamisierten headamp nicht chronisch untersteuern muß, sollte man allerdings die 'actors', die sich eine Funkstrecke teilen, so wählen, dass sie Pegelmäßig passen. ;)

  • Lieber guma, lieber Jürgen,lieber Wolfgang,

    Zitat

    ...sollte die Frage jedoch erlaubt sein, auch wenn nicht jeder bereit ist, seine "Berufsgeheimnisse" Preis zu geben.


    Es ging mr dabei nicht um Geheimniskrämerei (dafür bin ich zu alt)

    Es geht mir dabei eher um Loyalität gegenüber meinen Brötchengebern.


    Danke auch an guma für:

    • Den Literaturhinweis und
    • den Workaround bei fehlender Verknüpfungsmöglichkeit zwischen Cue List und Preset Library
      Top Idee!

    Zurück zum Thema:

    Natürlich gibt es deutliche Unterschiede in der Größenordnung von Musical Produktionen.

    1. Reine Musical Spielstätten, wie im Londoner West End,
    2. Musial Produktionen eines mittelgroßen Stadt Theaters mit festangestellter Technik-Crew (Bühne, Licht, Ton etc.)
    3. Musical Produktionen zum Vereinsjubiläum der "Radlerliebe hinteres Moseltal" oder Schulaufführungen, welche sich für diesen Event einen professionellen PA-Verleiher leisten

    Gehen wir mal von dem letzeren Fall aus (dies ist überhaupt nicht überheblich gemeint!!)

    Für alle drei gilt:

    Aushändigen des Show-Scipts an die Technik-Crew: so früh wie möglich, schon möglichst vor Proben Beginn!

    Dann können die Cues (wie in der o.g. Liste) z.B mit einem Offline Tool schon vorher, ohne Pult festgelegt werden.

    Ist so ein Tool zum Pult ncht vorhanden oder ist der Pult Typ für die Produktion noch nicht bestimmt, dann ist eben Excel oder Ä. euer Freund.

    Zitat

    Wenn ich es richtig verstehe hast du also pro VCA einen Actor zugeordnet, das Mischen erfolgt über diese VCAs. Die Zuordnung änderst du pro Cue.

    Änderst du dann auch die Benennung des VCAs auch pro Cue? Um die Übersicht zu behalten was auf diesem VCA hinterlegt ist? Oder gehst du über die Liste?

    Es kommt darauf an, wie dauerhaft diese Änderung der Audio Parameter sein soll:

    • Handelt es sich z.B. um eine Mic. Positionsänderung wg. einer Kostümänderung so wir diese in die Actor library eingepflegt.
    • Hat der Schauspieler nur einen schlechten Tag (wg. Sauferei am Vortag nach der Premiere) so nimmt man diese Parameteränderung nur handisch im Audiokanal vor.
    • Hat diese Person als Hauptdarsteller viele Einträge in seiner A-Lib. so kopiert man diese Lib. in eine 2. Lib. mit Name_Kater und referenziert in der Cue Liste auf diese.
    Zitat

    Wenn ich es richtig verstehe hast du also pro VCA einen Actor zugeordnet, das Mischen erfolgt über diese VCAs. Die Zuordnung änderst du pro Cue.

    Änderst du dann auch die Benennung des VCAs auch pro Cue? Um die Übersicht zu behalten was auf diesem VCA hinterlegt ist? Oder gehst du über die Liste?

    Ja, der Name des VCA Masters wird, wenn nötig pro Cue geändert, da ja dieser VCA Master z.B. einer Rolle, die sich evtl von Cue zu Cue ändert, zugeordnet ist.


    ganz wichtig

    Eine statische Automation basiert nicht auf gesamten Pult Snapshots, sondern auf einer CUE-LISTE:


    • Cue 0: Start Snapshot (Pult Zustand am Anfang, als Basis)
    • Cue 1: A-Lib a #1, A-Lib. b #4.., VCA/Mute-Lib. #1, Efx.-Lib. #5 usw.
    • ...
    • Cue N: Snapshot X, A-Lib c #2, A-Lib. b #1.., VCA/Mute-Lib. #x, Efx.-Lib. #20
    • ...
    • Cue M: A-Lib c #2, A-Lib. b #1, usw.
    • ...

    Alle mit # gekenzeichneten Einträge sind keine Kopien von Library Einträgen, sondern nur Referenzen (Verweise) auf zugehörige Libraries!

    LG

    Nlate

  • Vielen Dank für die spannenden Ausführungen!


    Seit einigen Jahren schon begleite ich Musicals der "Kategorie 3" in kleinen Locations. Deshalb spielen die unverstärkt und ich bin für Licht und Audio-Effekte verantwortlich.


    Nlate: von wie vielen Funkstrecken oder wie vielen Schauspielern reden wir in deinem Fall?


    Und ich habe mal gehört, dass es in grossen Shows jemanden gibt, der über Intercom die Cues gibt für Ton und Licht. Bei dir lese ich aber zwischen den Zeilen, dass du selber mit dem Drehbuch dabei bist und die Cues selber verwaltest?


    Und wechselt man die ganzen gespeicherten Szenen am Pult oder geht das einfacher mit einer Remote-Lösung (App, PC) (ok, wird wohl auch Pult/App Abhängig sein)?



    Ich finds super, dass hier auch mal über Musicals diskutiert wird!

    Der Ton macht die Musik.

  • Und ich habe mal gehört, dass es in grossen Shows jemanden gibt, der über Intercom die Cues gibt für Ton und Licht. Bei dir lese ich aber zwischen den Zeilen, dass du selber mit dem Drehbuch dabei bist und die Cues selber verwaltest?

    Das Drehbuch brauchst du erst einmal um so früh wie möglich deine Show am Pult einrichten zu können- kein Regisseur wird gerne mit Fragen, wer wann an der Reihe ist, belästigt.


    Danach kommt es darauf an: In unseren Musicals (Kategorie 2) gab es keinen Showcaller, jedes Gewerk musste autark passend seine Cues parat haben und abfeuern. Manchmal heisst das sogar, dass man Partitur mitlesen können muss.


    Ablaufregisseure kenne ich persönlich eher von Corporate- und Fernsehshows, da ist die Qualität der Ansagen aber auch oft sehr durchwachsen. Es kann also nie schaden wenn man den Ablauf schon selber auf Papier und/oder im Kopf hat.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • In Kategorie 2 kenne ich das oft mit inspizientIn. Allerdings nur für Licht und Bühne. Der Ton macht sich eigene Notizen auf der Partitur/Drehbuch. Ist ja auch ein bisschen schräg als Tonmeister/-Ingenieur die ganze Zeit ein intercom auf den Ohren zu haben... man sollte da ja auch dem Stück zuhören.

  • Ich würde meinen Arbeitsbereich irgendwo zwischen Kategorie 2 und 3 einschätzen - ich bin an einem festen Haus mit einer Ensemblestärke von 12 Schauspielern tätig, es gibt ne feste Technikmannschaft für alle Gewerke, wir sind eigentlich ein reines Sprachtheater aber für ein Abendstück pro Spielzeit wird ein musikalisches Stück disponiert.

    Pult ist ein GLD80 und im Haus sind 10 Funkstrecken vorhanden.


    Zwei Wochen vor der Premiere gibts das fertige Textbuch - davor können ja noch Striche zu Urfassung passiert sein. Anhand dieses Textbuches wird einmal das Pult durchprogrammiert - es gibt eine Basisszene, in der alles gespeichert wird und in der auch der Soundcheck zur Anpassung des Tagespegels, EQ-Korrekturen wegen unterschiedlich geklebtem Lavalier, etc. passiert.

    In den darauffolgenden Szenen speichere ich nur die Mutes der einzelnen Strecken, der Rest ist auf Recall-Safe.

    Ich habe nur eine DCA für alle Spieler, denn entweder wird geredet oder gesungen - bisher bin ich damit gut gefahren und auf ner GLD80 habe ich jetzt nicht übermäßig viel Platz. Die Band/Musiker/o.ä. bekommt pro Instrument eine eigene DCA - so bekomme ich die Schauspieler + Musiker recht übersichtlich auf die insgesamt 20 Fader.

    Es gibt einen Inspizienten, doch der ruft "nur" Schauspieler, Technik und Licht ein - Textbuch lese ich selber mit und fahre entsprechend die Cues, klar lenkt das lesen vom Geschehen auf der Bühne ab, aber lieber so als mit einem Kopfhörer zu mischen.
    Geteilte Funkstrecken hatte ich bis jetzt noch nicht, denn entweder waren es maximal 10 Leute auf der Bühne oder es wurden Funkstrecken zugemietet.

  • Also gehen wir nochmals den Produktionsprozess eines Musicals durch.

    Übrigens untescheidet sich dieser kaum von einer Opern-Produktion.

    Selbst moderne Schauspiel(Wort)-Produktionen enthalten oft Efx und Musik-Beiräge.


    Der Produktionsprozess aus FOH Mixer Sicht wird in allen 3 Kategorien ähnlich sein.

    • 1. Console Setup: Labeln von Audio Kanälen, Basis I/O-Patches weden erstellt. Ch-Eqs werden grob eingerichtet,(Hi/Low Pass).
    • 2. Cues weden nach Script definiert und eingerichtet.
      • 2.1 Pro Cue:VCA Master werden nach Rollen gelabelt & Audio Ch. zugerwiesen
      • 2.2 Das Selbe für Mutes.
    • Pkt.1 & 2 kann ohne Konsole mit Offline-Tool oder zur Not mit Excel Liste erstellt werden.
    • 3. Technische Einrichtung (TE): Monitor Plätze checken, Venue Einpfeifen, Line check, Zuspieler check,
    • 4. Die Schauspieltruppe (cast) probt:
      • 4.1 Am Anfang ohne Orchester nur mit Klavierbegleitung, aber schon mit Mic. headsets.
      • 4.2 Mic gain und EQs werden grob und schnell eingestellt, weil die Regie durch das ganze Stück hechelt. (Time is Money)
      • 4.3 Während des Proben Fortschritts verfeinert der Mixer seine Channel Settings und erweitert bzw. verfeinert seine Cue List.
    • 5. Proben mit Kostümen und Kulissen:
      • 5.1 Jetzt ist das Orchester oder die Band dabei.
      • 5.2 Channel Settungs werden angepasst (wg.Kostümen etc.) Gain, Eq.ch-Dyn. Anpassungen.
      • 5.3 Monitoring f. Bühne, Orch./Band einrichten.
    • 6. Öffentliche Probe mit Publikum (Preview bei großen Produktionen)
      • 6.1 Jetzt kann die Saalakustikl gecheckt werden.
      • 6.2 dann können die Ch.-Settings leicht angepasst werden.
    • 7. SHOWTIME
      • 7.1 der Tonkutscher hangelt sich dur die Cue-List
      • 7.2 VCA Master Levels werden nach evtl.nach Script gefahren.
      • 7.3 Mutes nach Cue-Liste.
      • 7.4 Hard Mutes bei def. Mics/ch.; Live auf Reserve Kanäle umpatchen, VCA Assign nicht vergessen!

    Persönlich bin/war ich in folgenden Kategorien unterwegs.


    in Kat. 1: Selten, wenn dann beruflich händchenhaltend bei Premieren.

    in Kat. 2: häufig, den Prozess v. 1.-6. beratend und begleitend.

    in Kat. 3: 3x-4x pro Jahr, hobbymäßig und allein verantwortlich aus Spaß an der Freude!


    Fortsetzung folgt bei Zeiten, wenn ich das Forum dabei nicht einschläfere.


    LG

    NLate

  • Danke für die Ausführungen. Mich schläfern sie nicht ein. ;)


    Kommt deine Arbeitsweise vom Umbelegen der VCAs von der festen Faderstruktur von Analogpulten?


    Ich hätte bei digitalen Pulten eine feste Zuordnung von Actors zu den Rollen-VCAs gesehen, und dann das Fader-Layout entsprechend geändert. Somit würde das Ändern des Routings und das Umbenennen der VCAs entfallen. (Voraussetzung natürlich dass das entsprechende Mischpult diese Möglichkeiten bietet und genügend VCAs verfügbar sind).


    Die Arbeitsweise finde ich sehr interessant, bin für mich jedoch am überlegen ob ich hierdurch zunächst langsamer werde. In diesem Falle hätte ich durch die Verwendung von VCAs die Audiobearbeitung des Kanals nicht mehr direkt im Zugriff, sondern hätte 2 Klicks mehr. Ich werde es aber auf jeden Fall testen und die verschiedenen bisher gesammelten Erfahrungen damit durchspielen.


    Zur Umsetzung der Actor Librarys habe ich bei dem meist von mir verwendeten Mischpult wenig Ideen. Ich arbeite zwar mit EQ oder Dynamic Librarys, diese Cue- (oder bei mir Szenen-) basiert abzurufen ermöglicht das Pult meines Wissens nach nicht.


    Danke Guma für die Buchempfehlung, das werde ich mir anschauen.


    Grüße

    Jürgen

  • eine wichtige frage habe ich noch auf der zunge:

    warum sollte man den akteuren unbedingt einzelne VCAs (bzw. DCAs) zuweisen? den sinn dahinter habe ich nicht ganz verstanden.

    man hat ja zur show ohnehin einzelne szenen, die man abruft. in diesen szenen werden doch auch die entsprechend erforderlichen kanalparameter gespeichert. dann könnte man die hauptakteure doch direkt als kanäle auflegen, das ergäbe dann einen schnelleren zugang. oder ist der gar nicht gewünscht?

    also so mache ich das jedenfalls gerne.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Danke für diesen hoch interessanten und vielseitigen Thread - bitte noch weit mehr dazu :):thumbup:


    Ich selbst bin immer wieder auch mal mit Musicalproduktionen beschäftigt, und daher auch hochinteressiert an dem Thema, wenn ich auch zur Mischtechnik wohl hier nicht allzuviel beitragen kann.

    Ich tummele mich auf Produktionen zwischen den Kat 2+3 und fahre selbst ab und an welche der Kat. 3.

    Letztere bringen hier nicht allzuviel in der Betrachtung; ist eben Kleinkram, den man als Einzelkämpfer mit ein paar halbwegs engagierten Leuten als Helfer wuppen kann.

    In den anderen Musical-Produktionen bedienen wir Stadthallengrößen mit grob einem Dutzend Darstellern und 7-9 Musikern. Dort bin ich meist als Allrounder im Einsatz und eher alles andere als der Tour-Tonmann und bin auch eigentlich froh drum, denn bei 12 Funkstrecken und einem Live-Orchester ist eigentlich immer was und meine Routine dem noch nicht so gewachsen wie es dann im WorstCase nötig würde.
    Dennoch bekomme ich recht viel auch vom FOH mit; bei uns läuft einiges letztlich ziemlich auf das heraus, was wora in #17 beschreibt.

    Orchester und Band bekommen ihre (auch auf sonstigen Bühnen üblichen) DCAs, weitere werden (z.T. nach Cues verschieden) mit Lead- Backing und Chorus-Vocals belegt.
    Letztlich bleiben gerade die Vocals als Einzelkanäle jedoch im primären Zugriff. Mutes gehen nach Cues (ausser eben hart ge/entmutete Strecken, weil eine Strecke oder ein Darsteller gerade temporär ersetzt werden muss).

    Nunja, so in der Art in unserer kleinen Welt 8)

  • Die "Profilösung" mit "VCA per character" gab es ja schon in der Zeit, als Cadac Analog-Konsolen der Standard in Kategorie 1 waren. Ins Digitale hinüber gerettet, hat diese Variante den Vorteil, dass man sich während des Mischens auf das Wesentliche, nämlich die korrekten Verhältnisse der gerade in der Szene vorhandenen Charaktere konzentriert. Ob in dem cue jetzt gerade der Ersatzmann oder das Ersatzheadset werkelt, sollte einem dann nach dem Auslösen des cues nicht mehr ablenken.

    Letztendlich sollte man sich sein Pult so organisiert haben, dass ein Eingriff in die tatsächliche Mikroquelle des Akteurs oder in Details des Orchestermixes genau einen Tastendruck entfernt liegen. Dazu sollte der realtime zugriff auf 60 und mehr Kanäle nicht nötig sein. Wenn doch, stimmt was Konzeptionelles nicht. ;)