Side Chain Tricks

  • Moin, dies hier fand ich auch sehr interessant.

    Die ganze Nummer ist doch eine Farce, oder? Auf jeden Fall hab‘ ich erst mal nachgeschaut, ob das Video vielleicht an einem 1. April veröffentlicht wurde. :/

    Mal angenommen, das gewünschte Ergebnis lautet '2'. Dann kann man natürlich 2 = 1- (-1) rechnen. Man kann aber die überflüssige Klammer (= den 2. Kanal) und die beiden überflüssigen Invertierungen (= a - Kompressor/ Limiter statt Expander/ Gate und b - Polaritätsvertauschung) auch einfach wegkürzen und einfach 2 = 1+1 rechnen. M. a. W.: ob ich meine Hüllkurve über einen Expander/ Gate im Nutzkanal oder über einen Kompressor/ Limiter (= invertierter Expander/ Gate) in einem invertierten Hilfskanal erzeuge macht im Ergebnis genau nullkommagarkeinen Unterschied.

    Aber warum einfach, wenn‘s auch kompliziert geht? Für irgendetwas müssen bedeutende amerikanische Producer und begeisterungsfähige YouTube- Soundingenieure ja auch gut sein. Denn was wäre die Plugin- Branche ohne sie?


    (Sorry, wenn‘s reichlich despektierlich rüber kommt. Aber entweder mache ich hier einen kapitalen Denkfehler – oder das Ganze ist zwar eine hübsche Spielerei, aber tontechnisch ausgesprochen sinnfrei.)

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Mal angenommen, dasgewünschte Ergebnis lautet '2'. Dann kann man natürlich 2 = 1-(-1) rechnen.

    Die Rechnung lautet aber 1 - 1 bzw 1 + (-1). Das Resultat ist dann zwischen 0 und 1. Wobei Kanal 2 nie wirklich 0 wird, weshalb das Ergebnis nie wirklich 1 ist. Aber das sind Kleinigkeiten, die wohl nicht wahrnemhmbar sind. Ein Downward-Expander mit Softnknee sollte zu einem ähnlichen Ergebnis führen.

  • billbo

    Tatsächlich ist das Ausgangssignal immer Ursprungssignal minus komprimierten Signal. Das bedeutet, dass alles unter dem Threshold des Kompressors 0 ist und danach das Signal mit 1 - Kompression ansteigt.
    Also bei einer Kompression von 1:2, steigt das Signal mit 1:2 an, bei einer Kompression mit 1:100 mit annäherend 1:1. Am ehesten also ein Expander, allerdings nicht mit einem Anstieg größer 1 Richtung höheren Signalen, sondern kleiner gleich 1. Am ehesten erreicht man das gleiche mit einem Expander und einem Kompressor, der den Expander überlagert.
    Deswegen hatte ich mich auch an einer Skizze versucht. ;)
    3383-pasted-from-clipboard-png

  • noch ein Gedanke zum allerersten Post von Wora, wenn man als Overheadkompressor einen Kompressor im MS Modus nimmt und nur das Mittensignal behandelt, bekommt man die Snare noch sauberer herausgeschält und kann gleichzeitig einen transparenten Overheadsound fahren, genauso kann man auch mit einem MS Eq auf den Overheads Snare/Toms/Kick auf dem M Kanal featuren oder herausfiltern.

    (die Tips sind geklaut aus dem Manual vom Scheps Omnichannel :P, aber ich hab's grad ausprobiert und bin sehr überzeugt)

  • @schurik

    ich weiß zwar nicht, was ein kompressor mit MS modus ist, aber das was du da beschreibst ist vollkommen korrekt. genau so gehe ich auch vor.

    ich nehme dafür fast immer den Dyn8 in der dLive, der bietet hier sehr viele spielräume an. aber nicht jedes pult hat solche möglichkeiten. welches werkzeug man dafür nimmt, bleibt damit jedem selbst überlassen. Scheps Omnichannel kenne ich jetzt allerdings nicht.


    was diese sache mit dem zweiten invertierten snarekanal angeht: sicher kann man das auch mit expandern erreichen.

    aber so wie ich das verstehe, bekommt man damit eine ideale hüllkurve, die nicht von irgendwelchen zeitkonstanten gesteuert wird, sondern mehr oder minder vom eigentlichen nutzsignal. das ist zwar auch ein bisschen abhängig von der arbeitsweise des kompressors, aber besser kann es ja fast nicht gehen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    6 Mal editiert, zuletzt von wora ()

  • Das sollte sich so auch mit dem X32 Dynamics realisieren lassen. Oder mit jedem anderen Expander der Soft knee und Mix bietet. Das Original ist zwar nie ganz auf, aber ich denke, dass es auf die letzten 0,5dB auch nicht ankommt.

    Ist tatsächlich das einzige mir bekannte Pult (Wing vermutlich ebenfalls) in dem das im Kanalzug geht, das kommt tatsächlich sehr nah da ran (wenn auch nicht ganz). Bei anderen Pulten scheitert es am fehlenden Softknee, Mix (bzw. Range) oder gar dem Expander an sich.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • ja ich meinte Mitte / Seite

    ok, dann meinen wir doch etwas anderes. ich meinte mit mittensignal eher den spektralen anteil der snare, den man bandbegrenzt herausfiltern kann. du meinst eher, dass man das mono-signal aus einem stereosignal herausfiltert.

    das ist auch ne idee, aber ich mache das nicht so, weil ich auch oft mit mono-OH (in 8er charakteristik) arbeite.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Okay, als neugieriger Mensch mit derzeit ausreichend Tagesfreizeit natürlich sofort mal ausprobiert; mit einem Multitrack eines Profidrummers, der dankenswerter Weise a) sehr straight und b) auch viele und saubere Ghostnotes spielt. Ergebnis: funktioniert. Aber, wie erwartet:

    - Alles, was (akustisch) damit geht, geht auch mit einem klassischen Gate/ Expander (ggfs. plus nachgeschaltetem Kompressor) im single Kanal.

    - Auch die Threshold- Problematik bleibt erwartungsgemäß gleich – entweder leisere Teile werden verschluckt, oder das 'Gate‘ ist immer mal wieder auch dann offen, wenn‘s nicht erwünscht ist. Man muss also, was z.B. Key Filter angeht, mit der gleichen Sorgfalt arbeiten wie sonst auch.

    - Unterschiedliche Kompressoremulationen funktionieren unterschiedlich gut; die für sinnvolle Ergebnisse einzustellenden Werte können dabei sehr:rolleyes: unterschiedlich aussehen.

    - Großes Aber: kein angetesteter Kompressor ist schnell genug; es geht verglichen mit einem 'richtigen' Gate also immer ein wenig Anschlag verloren (das meinte ich auch schon im Video herausgehört zu haben, war mir aber nicht sicher). Am besten schlägt sich (im Wing) noch der Standardkompressor mit Attack = 0 und Detektor = Peak.

    - Riesen Nachteil: sofern kein echter parameterselektiver Kanallink möglich ist muss jede etwaige Änderung (Gain, EQ, ...) immer perfekt identisch in beiden Kanälen vorgenommen werden, weil sonst natürlich die Auslöschung nicht mehr richtig funktioniert und das Ergebnis mehr und mehr verschmiert.


    Persönliches Fazit: nette Spielerei, um das Verständnis von Dynamikbearbeitung zu vertiefen (für mich insbesondere ein Aha-Erlebnis bzgl. dessen, was das eine oder andere Kompressor-Plugin tatsächlich für sonderbare Sachen veranstaltet). Aber leider ohne praktischen Nutzwert fürs Livegeschehen. Wer kein Gate auf der Snare mag (da schließe ich mich mit ein) muss auch weiterhin auf sorgfältige Mikrofonpositionierung und geschickte Kombination von Sn top/ Sn bottom setzen. (Und auf ordentliche Trommler hoffen^^)

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • - Alles, was(akustisch) damit geht, geht auch mit einem klassischen Gate/Expander (ggfs. plus nachgeschaltetem Kompressor) im single Kanal.

    Sagen wir mal so: bei einer Trommel und vor allem noch den Einstellungen des werten Mr. Huart (den ich mir mal als Spammailer eingefangen und ganz schnell auf die Filterliste gesetzt habe) verschliesst sich mir ebenfalls die Notwendigkeit. Es wundert mich auch nicht, wenn bei perkussivem Material dann mal was vom Attack nicht ganz durchkommt.

    Aber: Wer ganz gerne den Raum ein wenig aus dem Sprach-/Gesangsmikrofon wegbekommen möchte, für den ist das schon ein ganz guter Kniff.


    Folgend eine kleine Grafik - ich habe mir mal die Mühe gemacht und die resultierenden Kennlinien erstellt, ausgehend von einem unendlich-1 Limitersetting. A ist mit vollem Pegel, B mit -3dB und C mit zusätzlich verpasstem Softknee invertiert zum Direktsignal hinzugemischt:

    vor allem das Setting C mit leichten Anpassungen und recht schnellen Regelzeiten benutze ich mittlerweile seit ca. 4 Jahren beinahe täglich (also zumindest bis Anfang diesen Jahres :rolleyes: ) im Sprachumfeld mit fast allen üblichen Pulten. Der X/M32-Expander ist der einzige, der nahe genug da rankommt, dass ich schonmal auf die Routingbastelei verzichten mag.

    (P.S.: Ich mag es lieber als den Neve, da ich den Threshold auch bei geringen Pegeln besser setzen kann und die GR-Anzeige mir einen besseren Überblick gibt wo ich jetzt mit meinem Pegel gerade im Arbeitsbereich unterwegs bin)

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  • Schon klar, dass ein Expander um so besser funktioniert, je weiter Nutzsignal und Störsignal in Sachen Pegel voneinander entfernt sind. Und wenn das Nutzsignal es zulässt, dass man dabei auf eine extrem steile Anstiegsflanke verzichten kann – um so besser, denn dann reagiert er nicht auf kurze externe Störpeaks und erscheint damit weniger 'nervös'.

    Aber auch dafür braucht es den Umweg über eine doppelte Invertierung nicht. Vorausgesetzt, es steht ein sinnvoll einzustellender Kanalexpander (wie bei X/M32 oder Wing) überhaupt zur Verfügung, das ist natürlich richtig.

    Wie gehst du dabei praktisch mit der Problematik des nicht parameterselektiven Kanallinks um? Ich hatte bei meinen Experimenten (incl. unbekümmerter Rumkurbelei) nach kurzer Zeit einen merkwürdigen, rythmischen 'Lowmid-Floor‘ übrig; obwohl ich der Meinung war, in beiden Kanälen immer alles gleich verkurbelt zu haben (außer dem "Kompressorgate“, versteht sich). Den habe ich letztlich auch nur über channel copy & paste wieder wegbekommen. Im Kontext eines dynamischen Livemixgeschehens würde ich sowas durchaus als einen mittleren Alptraum bezeichnen. ^^

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Ich denke mal die "progressive" Flankensteilheit dürfte im Gegensatz zum normalen Expander für einen natürlicher klingenden Verlauf sorgen, ebenfalls das Softknee, welches sich in Fall C im Floorbereich ergibt, das hat so kein Expander den ich kenne.


    Wie gehst du dabei praktisch mit derProblematik des nicht parameterselektiven Kanallinks um?

    Das hängt natürlich vom verwendeten Pult ab - allerdings bearbeite ich idR immer eine Subgruppe, die ich mir zu dem Zweck oft in 2 Eingangskanäle zurückhole:


    Beispiele üblicher Varianten:

    A: Yamaha QL/CL Version1

    MicBus über Rack-EQ in 2 Kanäle zurückgepatcht, Nutzung der selektiven Linkfunktion, Nutzung des Kanal-Kompressors des zweiten Kanals


    B: Yamaha QL/CL Version2

    MicBus über 2Ch Rack-DualComp in 1 StereoKanal zurückgepatcht, dieser wird auf monosumming und rechts Polarity Invert eingestellt - die GR und die Range wird über den rechten Kanal des Rack-Comp realisiert.


    C: z.B. Digico SD, Behridas X/M32, Yamaha DM2000, Rivage (mittlerweile)

    können Variante A ohne den Umweg über das Rack machen zu müssen, allerdings nicht immer mit selektivem Link, da sollten zusätzliche Bearbeitungen zwingend im Send-Bus umgesetzt werden


    D: z.B. Digico SD, Soundcraft VI6, u.a.

    Einfachste Variante: 2 Busse parallel anfahren und einen invertieren+komprimieren. Zusätzliche Busbearbeitung ist dann halt mitunter schwierig.


    Ein paar Pulte hatte ich schon länger nicht mehr unter den Fingern oder ich habe damit Jobs gemacht wo ich es nicht benötigt habe. Wie gesagt, der primäre Einsatz ist die Sprachbeschallung.

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  • Hab‘ zwar leider gerade keinen Pultzugriff. Zumindest beim B. Expander sind m. W. aber sowohl der Attack als auch die Steilheit des folgenden Anstiegs als auch natürlich Hold- und Releasezeiten frei einstellbar, somit praktisch jede beliebige Hüllkurve erzeugbar. Müsste doch auch für diesen Zweck reichen?

    Die Vorgehensweisen über Subgruppen/ Zurückpatchen/ Stereokanäle usw. erscheinen mir allesamt schlüssig. Jedoch nähern wir uns da langsam aber sicher einem Bereich, in dem für einen Kanal das halbe Pult drauf geht. Mit meinem naiven Basissetup 'Band macht Lärm auf Bühne, und ich muss das irgendwie zügig sortieren' im Hinterkopf bin ich allerspätestens dort endgültig draußen. :S

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  • Nachtrag zum unter #23 geschilderten zusätzlichen Gate – Triggerkanal; Spieltrieb und vereinzelte Pausen zwischen den ungezählten Sommergigs 2020 machen‘s möglich:

    Beim derzeitigen Spielgerät lässt sich das Triggersignal dem Hilfskanal erfreulicher Weise an beliebiger Stelle entnehmen. Geschieht das erst nach dem 6-Band-EQ, so kann man diesen zur Gestaltung eines perfekt zugeschnittenen Key Filters verwenden, welches dann viel(!) bessere Ergebnisse liefert als die dafür vorgesehene, eher rudimentäre Funktion (HP, TP oder BP) im Nutzkanal.

    Ein Tom- Gate etwa öffnet gerne auch mal unerwünscht über den Grundton der Snare (rund um 180Hz) oder das Gewitter der Crashbecken (alles ab 2,5-3kHz). Diese und andere Störbereiche lassen sich mit Hilfe der RTA- Funktion (pre EQ!) des Hilfskanals ganz präzise bestimmen und per EQ dann ebenso präzise unschädlich machen; im Gegenzug kann man völlig unbekümmert den Grundton sowie einen unkritischen, aber gut funktionierenden Anschlagbereich des Toms dort extrem pushen.

    Das führt dann ganz schnell zu EQ- Kurven, wie man sie in einem Nutzsignal niemals sehen will: doppelter Lowcut knapp unter Grundton Tom, > Grundton Tom +15dB, > Grundton Snare -15dB, > 'Knallbereich‘ Snare (etwa 400Hz bis 1kHz) -15dB, > Anschlag Tom (1,5 – 2kHz) +15dB, > alles darüber doppelter Highcut. Aber das Endergebnis im Nutzsignalkanal ist noch einmal verblüffend viel besser als vorher: das Gate ist kurz vor jedem auch nur halbherzigen Tomschlag zuverlässig offen – und zwar nur dann; gegenüber allem Lärm drumherum gibt es sich dagegen gänzlich unbeeindruckt.

    Auch wieder mal ganz sicher nix für den Dreiminutenlinecheck. Aber im festen Startsetup meiner 'Hauptpatienten‘ isses ab sofort drin.

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Und noch ein kleines Aha- Erlebnis.

    Schon früher habe ich mal mit dem bekannten Trick 'Kick steuert Basskompressor, um unten ein wenig aufzuräumen' gespielt. Hat aber nie zufriedenstellend funktioniert; entweder bemerkte man überhaupt keinen Effekt, oder aber der Bass klang dann doch ziemlich schnell inhomogen. Beides ziemlich sinnfrei, und eigentlich braucht man den Kompressor im Basskanal ja häufig doch auch für ganz andere Dinge.

    Die Wing - Kiste bietet aber im Gate Slot statt Gate auch die Möglichkeit eines einfachen Dynamik- EQ, und auch der lässt sich nach Belieben extern triggern. Und damit funktioniert die Sache auf einmal richtig gut: man kann unter 100-200 Hz ziemlich viel wegdrücken, ohne dass das auffällt, und ohne dass der Bass dabei gleich so klingt, als würde der Basser bei jedem 2. oder 4. Ton die Saiten nicht richtig treffen.

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."