Automatikmischer bei Chormikrofonierung

  • Hallo zusammen,


    mich würde mal eure Erfahrung beim Einsatz von Automatikmischern bei Chorabnahme mit Einzelmikrofonierung interessieren.

    Ich habe in Erinnerung dass es dazu schon mal Beiträge gab (Karel, Wora?), mit der Suche bin ich aber nicht weitergekommen.


    Zwei Chöre möchten von "normaler" Mikrofonierung mit Kondensatormikrofonen auf Einzelmikrofonierung umsteigen (bzw. ergänzen).

    Es geht um Rock/Pop und um Gospel, jeweils auch mit entsprechender Band und auch etwas Pegel. Ziel wäre es den Chorsound etwas direkter und druckvoller zu erhalten, und auch in lauteren Passagen nicht an der Koppelgrenze zu fahren.

    Jeder Sänger oder zu zweit ein Mikrofon, wären dann 30-50 Mikrokanäle.

    Bisher habe ich solche Sachen "normal" gemischt, Gruppenkompression für einzelne Stimmgruppen. Aber ev. kann mir da ein Automatikmischer (bzw. mehrere, verteilt auf die einzelnen Stimmgruppen) ja helfen.


    Habt ihr da Erfahrung?


    Grüße

    Jürgen

  • Ich finde das eine interessante Idee - selbst würde ich aber nicht dazu kommen das zu nutzen.


    Einer der Chöre, für den das in Frage käme würde das gar nicht wollen, aus dem einfachen Grund, dass die Technik in deren Chordynamik eingreifen würde. Plant der Leiter des Chors zB eine Stelle, in der die Männer leiser singen, um die Frauen hervorzuheben, grätscht ihm an der Stelle der Automixer ein - davon wäre er nicht sehr begeistert :D

    Dazu kommt, dass man die schwächeren Chorsänger ja gern mit einem entsprechenden Pegel "maskiert". Aus dem Grund bin ich bisher immer dabei geblieben, bei statischem Verhältnis der Stimmen nur die Gruppe der DCA/Bus in den Gesamtmix zu Pegeln.


    Ich werde das bei Gelegenheit mal ansprechen, vllt kann ich das ja mal ausprobieren ;)

  • Dir ist schon bewusst, dass ein Automatikmischer die Kanäle lauter macht, die schon lauter sind. Außerdem zappelt der bei ähnlichen Pegeln dauernd hin und her.

    Man benutzt einen Automatikmischer um bei Sprachbeschallung die lauteste Quelle zu priorisieren und so den Raumanteil und Nebengeräusche der anderen offenen Mikrofone zu minimieren.

    Das ist genau das Gegenteil von dem, was man bei einem Chor (und Musik im allgemeinen) will.

  • einzelmikrofone für Chor sind super, zwei die sich ein Mikro teilen dagegen gar nicht ;)


    einen Automatik Mischer würde ich da aus den schon genannten Gründen auch nicht einsetzen wollen, mal abgesehen davon das die oft auch nur für kleinere kanalzahlen verfügbar sind je nach Pult.

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Dir ist schon bewusst, dass ein Automatikmischer die Kanäle lauter macht, die schon lauter sind. Außerdem zappelt der bei ähnlichen Pegeln dauernd hin und her.

    Man benutzt einen Automatikmischer um bei Sprachbeschallung die lauteste Quelle zu priorisieren und so den Raumanteil und Nebengeräusche der anderen offenen Mikrofone zu minimieren.

    Das ist genau das Gegenteil von dem, was man bei einem Chor (und Musik im allgemeinen) will.

    Ja, das ist mir bewusst.

    Aber ich meine mich zu Erinnern dass man Varianten auch "umgedreht" nutzen kann, also eine Angleichung der Signale. Und nicht nach dem Prinzip "Das lauteste Mikrofon wird am meisten verstärkt.".

    Wie gesagt, ich dachte es hätte dazu mal Beiträge hier gegeben, vielleicht liege ich aber falsch und ich mache es weiter wie bisher ;)

  • Hallo,

    ich würde das als Techniker nicht tun bzw. als Chorleiter nicht wollen. Der Automischer versucht ja, einen gleichbleibenden Gain über alle Kanäle zu erreichen, indem er den gerade besprochenen Kanal hochzieht und die anderen im Gegenzug absenkt.

    Bei Chor gibts jetzt zwei Möglichkeiten:

    1) Alle singen gerade mehr oder weniger gleich laut, weil vom Chorleiter so gewollt. Der Automixer wird jetzt auf die doch vorhandenen kleinen Unterschiede reagieren und das homogene Klangbild zerstören. (Wie floger schon sagte: Er wird zappeln.)

    2) Teile des Chors (einzelne Stimmen) singen gerade lauter als andere. Hier wird der Automixer den Dynamikunterschied überzeichnen.


    Als Techniker nimmst du dem Chorleiter und den Sängern da zu viel Kontrolle über ihre Dynamik weg, es wird für die Aufführenden unvorhersehbar, wie die PA ihren Gesang übertragen wird.


    Was im Kontext Rock/Pop und auch Gospel bei Einzelmikrofonierung nach Absprache geht:

    - Kompression der Einzelkanäle oder Stimmgruppen

    - Gefühlvolles mitfahren der Stimmgruppen (Achtung - musikalisches Verständnis und Gehör notwendig!)

    - Ggf. bei entsprechendem Material Gaten der Einzelkanäle, um mehr Feedbacksicherheit zu bekommen, gerade, wenn nicht immer alle Mikros besungen werden.


    Bei Letzterem muss man aber aufpassen! Ich bin selbst auch musikalischer Leiter eines Ensembles, das mit Einzelmikrofonierung im Bereich Rock/Pop/Musical unterwegs ist. Es gibt da auch mal Nummern, die im unteren Pegelbereich viel Dynamik fordern, bei denen der Chor dann die Gates zu spät aufdrückt oder diese flattern. Ich hatte schon den Fall, dass ich von meinem Tontechniker bei bestimmten Nummern explizit verlangt habe, die Gates auszuschalten. "Barcelona" wäre da so ne Nummer. An Weihnachten gerne auch mal diverse A capella-Nummern.


    Aus Chorleiter-Sicht sage ich:

    Dynamikbearbeitung per Pop/Rock - ja! Aber bitte nur vorhersehbare Bearbeitungen und nach Absprache! Auf einen Kompressor kann man sich gut einstellen, auf den Automixer weniger. Gates sind ein technisches Hilfsmittel, auch hier ist Absprache und Kenntnis des Programms vonnöten.


    Die grundsätzliche Idee, durch Einzelmikrofonierung mehr Druck zu bekommen, ist auf jeden Fall eine gute. Es muss dem Chor aber auch klar sein, dass man sich dabei vom Klangbild eines "klassischen" Chores stark entfernt. Das geht dann klanglich mehr so in die Richtung der Backgroundensembles à la Joe Cocker. Diese Klangästhetik ist aber bei Rock/Pop eh oft gewünscht und passt meiner Meinung nach auch besser zum Musikstil.

  • Es gibt den Dugan in einer Standalone-Madi Version. Dort kannst Du einen "Musik Modus" aktivieren und als Grundlage einen Stereofeed dort speisen. Das habe ich bei einer größeren TV Chornummer mal ausprobiert und war überrascht, dass es einwandfrei funktioniert hat...

    Auf Tour oder in wechselnden Örtlichkeiten wäre mir das zu heiß, aber bei bestehenden TV/Theater Setups könnte ich mir gut vorstellen das noch einmal zu testen....


    (Monitore hatten wir damals 4 X15 mit ausreichend Abstand über dem Chor geflogen.)

  • ich schliesse mich hier den zweiflern an ;)


    ich war ja lange jahre auch im konferenzbereich tätig, deshalb kann ich da ein bisschen aus dem nähkästchen plaudern.


    automatikmischer wurden in den 90er (oder sogar späten 80er?) jahren von IRP Knowles erfunden (IRP Voice-Matic).

    diese systeme waren für folgenden zweck gedacht:

    um bei großen gesprächsrunden mit vielen sprechstellen (=offenen mikrofonen) die sprechenden personen hervorzuheben - in dem sie dabei die anderen, ungenutzten kanäle in diesem moment unterdrückten.

    ein solchermaßen "gepimptes" mikrofonsystem hat den großen vorteil, dass die sprachverständlichkeit extrem verbessert wird, weil die "störquellen" unterdrückt werden. damit verhält sich auch ein sehr großes mikrofonsystem idealerweise wie ein kleines mikrofonsystem mit nur wenigen mikrofonen.

    damit die automatikregelung bei zwiegesprächen nicht so erkennbar ist, können auch mehrere mikrofone gleichzeitig aktiv sein. allerdings: wenn sich die anzahl der geöffneten mikrofonkanäle verdoppelt, wird auch das system um 3dB lauter und damit empfindlicher gegen feedback. deshalb kamen in den hochwertigen systemen gleichzeitig auch ensprechende pegelregelungen zum einsatz, die den gesamtpegel anpassen konnten. zusätzlich konnte man wiederum die zahl der gleichzeitig offenen mikrofonkanäle begrenzen (NOM = number of open mics), um den gesamtpegel durch die pegelregelung nicht zu sehr zu reduzieren.

    das ganze verhalten konnte man dann auf die jeweilige situation anpassen.

    das war eine echte revolution im konferenzbereich!


    für musikalische anwendungen war das aber nie gedacht, auch wenn man das an einigen stellen tatsächlich auch für musik nutzen kann (z.b. an Toms). wichtig dabei ist, dass die quellen etwa gleichberechtigt sein sollen und auch tonal nicht zu sehr voneinander abweichen. der gleichzeitige betrieb von mehreren kanälen ist dabei immer die ausnahme, bevorzugt wird immer das mikrofon mit dem besten pegel.


    in chor-umgebungen ist ein automatikmischer jedenfalls eher keine passende technologie, denn die lautstärke der einzelen quellen kann, je nach den bedingungen, schwanken. und zwar ohne das es die sänger beeinflussen können. das darf vor allem unter künstlerischen gesichtspunkten als problematisch angesehen werden.

    ich würde diese technik bei chören deshalb nicht einsetzen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • allerdings: wenn sich die anzahl der geöffneten mikrofonkanäle verdoppelt, wird auch das system um 3dB lauter und damit empfindlicher gegen feedback.

    Der Automischer in der dLive reduziert den Pegel der Mikrofone, wenn ein weiteres aufmacht. So bleibt der GBF gleich. Ich fand die 3dB Absenkung des Sprechers dann aber immer ein wenig störend.

    Ich hab das nur einmal angewandt und mich danach dann nicht mehr darum gekümmert, ob man das auch anders konfigurieren kann.

  • Ich konnts nicht lassen und hab gerade mal geschaut. Dugan beschreibt z. B. beim Model M auch einen Music Mode. Der ist aber laut Manual nix weiter als ein 2:1-Expander mit variablem Threshold. Man kann eine Gain-Begrenzung einstellen, die ab einer bestimmten Anzahl voll geöffneter Mikrofone greift. Vorher wird Gain nicht geshared. Gedacht ist das wohl für Musical oder Theater und macht prinzipiell was Ähnliches wie die von mir oben beschriebene Methode, Einzelkanäle zu gaten - nur halt etwas eleganter.


    Würde ich bei Chor aber auch nicht wollen wegen der Gainbegrenzung bei vielen offenen Mikros.

  • bei Chören in klassischen Sinn ist man als Mischer nach dem Soundcheck doch eh eigentlich nur noch für Mute-Unmute zur Pause und ggf. noch für's Moderations-Mikro zuständig - den Rest macht der Chor doch eh selbst.


    Bei moderneren Varianten mit ggf. wechslendem Anteil der Sänger / Bandbegleitung / div. Solostimmen sieht's anders aus - aber gerade dort würde ich rein gar nichts irgendeiner wie auch immer tickenden Automatik überlassen...

  • bei Chören in klassischen Sinn ist man als Mischer nach dem Soundcheck doch eh eigentlich nur noch für Mute-Unmute zur Pause und ggf. noch für's Moderations-Mikro zuständig - den Rest macht der Chor doch eh selbst.

    Es geht hier ja um Chöre mit einzeln mikrofonierten Sängern. Das ist schon nochmal was anderes. Bands werden ja auch aktiv gemischt (oder sollten es werden), während man bei Orchestern oft ohne Technik auskommt. ;)

  • Danke, da sind die Antworten doch recht klar - ich hatte im Hinterkopf da hätte es eine Lösung gegeben.

    Dann bleibts wohl beim normalen Mischen ;)


    Dass man nach dem Soundcheck nur noch zum Muten da ist sehe ich definitiv nicht so, selbst bei Acapellanummern gibts bei der Einzelmikrofonierung doch immer was zu tun.

  • Es geht hier ja um Chöre mit einzeln mikrofonierten Sängern. Das ist schon nochmal was anderes. Bands werden ja auch aktiv gemischt (oder sollten es werden), während man bei Orchestern oft ohne Technik auskommt. ;)

    Schon klar - wobei man da ja meist auch über Gruppen + ggf. Solomics arbeitet - wie viel Arbeit man dann noch hat kommt aber auch jeweils auf den Chor an...


    Bei einem guten Chor und passender Mikrofonierung sollte sich auch da während des Sets nicht allzu viel tun...

  • Würde nur mit Normchören und Normbands funktionieren. Dann könnte man aber auch gleich CDs einspielen...

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