Ethik und Job

  • Gerade lief im TV ein Bericht über eine VA der Querdenker und in mir keimt die Frage, welche Jobs man mit sich selbst vereinbaren kann und welche eben nicht. Gerade unter Corona kommt vielleicht aus purer Not erst das Fressen und dann die Moral, aber wo sind die Grenzen?

    -Querdenker?

    -Atila der Vegankoch und Kollegen?

    -Reichsbürger?

    -Rechtsrock?

    -Salafisten?

    -Veranstaltungen bei denen man im Vorfeld nicht weiß um was es geht / Anfragen unbekannter Agenturen?

    Lämpchen glimmt - Schaltung stimmt!
    Techniker rot - Schaltung tot!

  • Vermutlich deckt die Vielzahl an VA-Buden jeglicher Form eben auch die ganze Bandbreite der Gesellschaft ab. Zumal es keiner großen Einstiegshürde bedarf (jedenfalls wenn man nicht alles völlig korrekt nach allen Regeln und Richtlinien macht).

    Daher haben wir eben auch jene unter uns, die am eigenen Ast dessen sägen, was für viele von uns eben die Motivation für diesen Job ist: "Kultur" in offenster und sich gegenseitig bereichenster Form zum Beispiel zu erleben und durch eigenes Tun noch zu befördern.

    Mit Blick auf manche Diskussion zum Corona-Thema scheint ist wohl auch klar, dass Fakten oder Wissenschaft auch in dieser technischen Branche keine Basisdiskussionsgrundlage darstellt (so Dinge wie Klangqualität und Esoterik-Kabel mal ignoriert).

    Die VA-Bramche ist leider nicht so heilig und unschuldig wie man es hoffen mag.

    Aber die Freiheit hat jeder auch zu sagen: Nö, mach' ich nicht oder ich vermiete eben nicht. Das ist so ähnlich wie eben auch mal den angemessenen oder etwas höheren Stundenlohn/Tagessatz aufzurufen.

    Mein Respekt daher an jeden mit Rückgrat!dafür*

    Und es macht sich sicher nicht so gut, wenn das eigene Logo irgendwo auftaucht - es gucken ja doch ein paar mal hin.


    Ich kenn meine Kunden direkt und gut genug, aber bei großen Dry-Hire-Buden weiß man sicher wenige wo Sachen hingehen und über Zwischenfirmen wieder auftauchen. Gibt's gute Tipps wie Ihr das handhabt?

  • Gute Frage. So zu Hause, in dieser ruhigen Minute würde ich sagen, dass ich mein Equipment und Know-How nur zur Verfügung stellen würde, wenn ich hinter dem Event stehen kann.


    Aber in der Praxis habe ich doch schon x-mal Equipment an Selbstabholer vermietet, bei denen ich keinen Schimmer habe, was da an deren Event los war. Das könnte auch alles gewesen sein.


    Und was, wenn ihr alles aufgebaut habt, die Halle schon mit ein paar Duzend Leuten gefüllt ist, und die Rockband auf der Bühne ist dann eine "Rechtsrockband"? Ich war zum Glück nie in dieser Situation, stelle es mir aber nicht so easy vor...


    Bei vielen Events weiss man vorher nicht so genau, was inhaltlich auf der Bühne abgehen wird. Und somit geht man immer das Risiko ein, dass man nicht vertreten kann, was da gesagt oder gesungen wird.


    Auch eine Pressekonferenz oder eine Podiumsdiskussion kann durchaus problematisch sein.


    Aber ich bin gespannt, wie ihr das macht.

    Der Ton macht die Musik.

  • Ich glaube, Brecht wollte keine Handlungsmaxime aufstellen, sondern eher eine Beobachtung, wie es so ist auf der Welt. Moral muss man sich eben leisten können.


    So muss jeder für sich festsellen, wo die Grenzen sind. Bei Querdenkern...vielleicht. Bei Rechtsrock würde ich definitiv nicht mal ein Stück Gaffa verleihen!

  • Ich mache den Beschallungskram nur noch nebenher und aus reinem Spass an der Sache.


    Das sind zu 80% Veranstaltungen / Festivals mit elektronischer Musik, die man in gewissen Kreisen als "linksgrün-versifft" bezeichnen würde. Zwischendurch sind auch mal Demos und Kulturveranstaltungen gegen Gruppierungen dabei, die am politisch rechten Rand fischen.


    Niemals aber wirklich niemals werden meine Beschallungsmöbel dazu eingesetzt, dass Menschen diskriminiert oder Verschwörungstheorien verbreitet werden. Das kann ich natürlich ganz gut steuern, da so gut wie nie etwas Dryhire raus geht und ich auf Veranstaltungen auch einfach verzichten kann. Kunst / Kultur sind dazu da, Menschen zu vereinen und ihnen eine gute Zeit zu ermöglichen, nicht umgekehrt.

  • Naja, da muss halt jeder sehen, was er mit sich vereinbaren kann...

    Ich hatte vor einiger Zeit eine Anfrage für eine Veranstaltung in der Stadthalle:


    "Der Zeitraum würde gehen, was ist das denn für eine Veranstaltung?"

    "Eine ... Sitzung... große Versammlung..."

    "Ah ok, wer versammelt sich denn da?"

    "Naa, so'n Parteitag ist das"

    "Oh, welche Partei denn?"

    "Ähm, die Grünen wohl..."

    "Kein Ding, mach ich gerne. Wenn da EIN Stück blauer Teppich ausgerollt wird, geh ich sofort wieder nach Hause."

    :saint:

  • Brabus, AMG, ABT und andere Tuningschmieden bauen Waffen auf Rädern für Leute die zwar das Geld haben, jedoch oftmals weder Moral noch die Evidenz solche Fahrzeuge zu führen. Dennoch bekommen die ihre Spielzeuge.


    Heckler und Koch bauen Waffen und verkaufen diese gewinnbringend an jeden, welcher das Geld hat.


    Wissenschaftler sitzen in geheimen Geheimlabore und tüfteln an immer neuen und effektiveren Vernichtungsmechanismen, für wen auch immer und lassen das auf die Menschheit los.


    Staaten, auch Deutschlad und unsere ach so tollen Politiker, verschachern Panzer, Munition, Raketen an fragwürdige andere Staaten und Personenkreise und niemand weiß genau wohin es weitervertickt wird oder wie und wo es eingesetzt wird.

    Das schräge daran ist, dass man es oftmals weiß und es dennoch macht.


    Gehet hin und befragt die Strippenzieher. Leute wie Kohl kann man leider nicht mehr befragen und wenn, dann würde so was kommen wie Ehrenmann und Eherenwort.


    https://www.deutschlandfunk.de…tml?dram:article_id=70274

    Ich möchte gar nicht wissen wieviele Personen aus dem im Moment amtierenden Merkelkabinett, die ja unsere Regierung mitunter bildet, sich ihre Fingerchen schmutzig gemacht haben.


    Es ist nicht die Waffe die tötet, sondern der Finger am Abzug.


    Es ist nicht das Mikro und der Lautsprecher, welcher Unsinn von sich gibt, sondern die Person die redet.


    Sicherlich konnte man es als "Man in the middle" so etwas verhindern bzw. erschweren.


    Auch ich halte so manche Dinge für moralisch Fragwürdig und habe auch deselb den einen oder anderen Auftrag abgelehnt. Allerdings bin ich auch Geschäftsmann und habe eine Familie zu ernähren. Ich möchte nicht wissen wohin die Reise geht, wenn das Wasser bis zum Halse steht, denn ab einem gewissen Punkt hört auch bei dem größten Moralapostel die Moral auf. Dann zählt nur noch der Wille zu Überleben und dann werden solche Dinge sehr schnell verdrängt und über Bord geworfen.


    Mir fällt immer mehr auf, dass dieses Coronathema die Bevölkerung immer mehr aufspaltet und es immer mehr extreme gibt. Auch finde ich es zunächst moralisch verwerflich, wenn es Gruppierungen wie die "Querdenker" gibt, welche meiner bescheidenen Meinung nach einfach nur auf Mißstände und vorgehensweisen aufmerksam machen, die man auch durchaus anders angehen und lösen kann.

    Laut heisst nicht immer gleich gut und toll und wer schreit ist meist im Unrecht.

  • So ähnlich kenne ich das auch.

    Habe aber auch schon mehr als eine VA betreut, bei der ich nur die Art, nicht aber den Inhalt kannte. Anforderung war da (bekannte Location): 300 PAX, 10 Redner, Sprachverständlichkeit. Mehr wusste ich nicht. Sowas kommt 3-4 Mal im Jahr rein.

    Sollte da jemals was fragwürdiges auf der Bühne stehen, erfahre ich das 3 Minuten vor Beginn... Keine Ahnung was man dann macht, aber vermutlich stillschweigend ertragen, und ab da mehr oder früher hinterfragen...

  • Nachdem ich heute die Berichterstattung aus Leipzig (entsetzt) verfolgt habe, möchte ich noch einmal an die Worte Edmund Burkes erinnern:


    “The only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing.”
    - Das einzige, was das Böse zum Sieg braucht, ist die Untätigkeit der guten Menschen. -


    Wir in der Branche wollen immer so stolz darauf sein, wie wichtig und vermeintlich systemrelevant unsere Tätigkeit ist? Dann nutzt diese Schlüsselstellung auch dafür, das Böse - hier also: Neofaschismus, Lügen, Volksverhetzung, Hass und Wissenschaftsfeindlichkeit - zu bremsen.


    Ich bin entsetzt. Wir haben wieder 20er Jahre.


    Euer Tobias Zw.

  • Schwarze Schafe wird es leider immer geben und die technisch-intellektuellen Anforderungen um Mikrofone bei Kundgebungen für ein paar Schreihälse laut zu bekommen sind ja nun auch keine Raketenwissenschaft.


    Nebenbei wäre ich schon froh, wenn das die grösste Challenge bei solch ausufernden "Veranstaltungen" wäre ;(


    Schwieriger als die Frage "An wen verleihe ich meine Technik?" finde ich die Aufgabenstellung "Was mache ich als freier Techniker, wenn mir die dargebotenen Inhalte zuwider sind?"


    - Wenn man es im Vorfeld weiss (z.B. wenn man sieht wer der Kunde ist, manchmal wird aber auch nur die Agentur genannt, jedes Mal nachfragen ist illusorisch) kann man den Job ablehnen, klar.

    - Wenn man vor Ort ankommt und sieht, dass der Inhalt der VA mit der eigenen Weltanschauung unvereinbar ist, kann man dezent darauf hinweisen, sich doch schnellstmöglich um anderes Personal zu kümmern.

    - Wenn man es im Geschehen mitbekommt, könnte man u.U. erwägen einfach seine Arbeit zu beenden/unterbrechen, je nach Verantwortung der Tätigkeit könnte dies aber tatsächlich erhebliche und längerfristige Auswirkungen auf die eigenen Finanzen haben.

    Wie oft hat es mir schon in den Füssen gejuckt, wenn z.B. mal wieder einer der üblichen Verdächtigen aus Politik und Wirtschaft polemisierend asozialen oder gar im Kern menschenverachtenden Bu....it auf die Öffentlichkeit losgelassen hat.

    Aber zumindest solange nicht explizit zu Straftaten o.ä. aufgefordert wird, liegt die Entscheidungsgewalt bei der Regie oder bei meinem Kunden, alles andere wäre nur ein Schnitt ins eigene Fleisch und würde gerade die mit den "Alternativen Wahrheiten" nur noch mehr anfeuern.



    Übrigens sehr gefallen hat mir dieser Tage das amerikanische Fernsehen:

    "Wir unterbrechen die Rede des Präsidenten, weil... was er sagt ist einfach nicht war. Es ist gelogen."

    "Dies ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und er verhält sich wie eine Schildkröte die auf dem Rücken liegt und wild um sich schlägt."

    ^^


    Ein nicht kommentierter Unterbruch hingegen wäre einfach nur unkonstruktiv gewesen.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Mhhh... jeder Mensch hat seinen Preis, nicht wahr? Diesen sollte auch jeder mit sich selbst ausmachen. Meine Grenze ist prinzipiell bei allem erreicht, hinter dem ich nicht stehen kann. Ich gebe zu, dass mein Horizont da nach links hin deutlich weiter reicht als nach rechts. Da ist beim Kreis mit R=0 direkt Schluss. Extremismus in beide Richtungen ist für mich hingegen ein absolutes No Go - wobei ich als Jugendlicher mit dem beschaulichen Wackersdorf vor der Tür natürlich auch graduelle Abstufungen treffe. Genau wie bei Kackmusik - meine Definition reicht da von bestimmten Künstlern bis hin zu ganzen Genres. Zweifelhafte Anfragen werden von mir direkt abgeklärt und ich erlaube mir, dann eben auch freundlich, aber bestimmt abzusagen. Da ich kein Dry Hire habe, stellt sich mir die Frage im Zusammenhang mit unbekannter Materialmiete gleich gar nicht.

    All das mag womöglich ein bisschen überheblich klingen - aber sorry: der Job ist zu hart und das Leben zu kurz für Kacke! Isso! Es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar (nur um ein beliebtes Beispiel zu nennen), warum Kollegen mit ansonsten ausschließlichen Premiumjobs sich irgendwann meinten, einen auf der ach so gigantischen Onkelz-Show kloppen zu müssen. Von mir aus kann das die dickste Show im Universum gewesen sein - es ist halt Scheiße und der Typ ist Scheiße. As simple as that!

    Skuril bis verstörend wirkt auf mich seit einiger Zeit das Engagement einiger Kollegen, die sich scheinbar auch aus Überzeugung bei den Jobs dieser Querdenker bedienen. Weiter oben wird ja wieder mal angedeutet, wer da der Dienstleister ist - warum kann man nicht einfach mal die Namen nennen. So hätte jeder - auch die Unwissenden wie ich - eine Option für sich zu prüfen, ob man in Zukunft für diese Dienstleister arbeiten möchte oder eben nicht. Das Argument, es gäbe sonst keine Jobs und man wäre schließlich auf die Kohle angewiesen, führt wieder zum Ausgangspunkt meines Posts: wo ist der Preis, für den man sich verkauft.

    Kein Applaus für Scheiße!

  • Das ganze kann man (leider? zum Glück?) nicht so schwarz/weiß sehen. Solange die Veranstaltung rechtlich zulässig ist, könnte ich wahrscheinlich damit leben.
    Ich finde Ausgrenzung immer schlecht, gerade weil halt nicht nur von R sondern durchaus von L Radikalität und Aggression kommt. Natürlich kann ich versuchen, mir einen Mittelweg frei zu pannen, wobei ich halt dann alles, was nicht genau in (meiner!) Mitte liegt radikal nach R oder L panne.
    Ich habe eher Bauchschmerzen mit Veranstaltungen, bei denen dem Veranstalter die Sicherheit der Besucher relativ egal zu sein scheint, oder bei denen mit massenweisen 'Genuss' illegaler berauschender Substanzen zu rechnen ist.

    SIM II Operator and Dante Level I-II-III (alles sogar zweimal :)
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