Kleine Regie im Altbau: Von grauen Haaren, Raummoden und Heizungsrohren...

  • Nachdem ja doch ein paar von euch Interesse gezeigt haben, versuche ich mal zusammenzufassen was beim Bau einer Mini-Regie so alles zu Tage tritt und gewillt ist einem das Leben schwer zu machen... Alles kein Drama – aber eben viel Arbeit.


    Die Ausgangssituation:

    Der Raum wurde vorher als Schlafzimmer genutzt – Mit dem größten Einbau-Schrank den ich je in meinem Leben gesehen hatte. Hinter dem Schrank fand sich eine „hidden door“ zum Nachbarzimmer die lediglich mit einer dünnen Spanplatte versiegelt war...


    The hidden Door-Regal:


    Wände mit Leimfarbe:


    Holztramdecken:


    Die Raummaße sind denkbar ungünstig- ca. 4x4 Meter mit 2,60 Metern Raumhöhe. Quasi ein Quadrat in dem eine Moden-Hölle zwischen 44 Hz bis etwa 600 Hz rauf wütete.

    Axial:


    Tangential:


    Oblique:


    Zudem war die Schalldämmung zum Rest des Hauses hin – schlicht nicht vorhanden. Im Gegenteil die alten Holztram-Decken schwangen und zwei Heizungsrohre zum 1. Stock hin verhielten sich quasi wie Gitarrensaiten und sangen fröhliche Lieder.


    Dann war bei der Elektrik auf Schutzleiter verzichtet worden – also auch hier – einmal alles neu bitte.


    Alles in Allem war ich kurz davor das Projekt abzublasen... Wäre da nicht der Trotz gewesen.


    tbc (heute habe ich keine Zeit mehr)

  • Trotz ist ein schlechter Physiker...


    ...also habe ich mir sämtliche Bücher plus Studienunterlagen plus das Internet zur Recherche geschnappt und überlegt wie ich dieser Situation begegne...


    Schalldämmung: War klar Trockenbau, Stein bzw. Hanfwolle, Doppelbeplankung, alles leicht schief um zumindest parallele Wände bzw. Decke und Fußboden zu vermeiden... Auf dem Fußboden kommt unter das neue Laminat eine „bessere Trittschalldämmung“ aus Basotect.


    Elektrik: Einfach hinter der Trockenbauverschalung komplett neu verlegen und einmal runter in den Keller bohren um gleich eine eigene Sicherung für dieses Zimmer einbauen und anschließen lassen.


    Diese vermeintlich einfach Bohrung war dann der erste, richtige - „Das darf doch jetzt nicht wahr sein“-Moment. Wenn ich einfach an der (dem Grundriss entprechend „tragend“ also durchgehend eingezeichneten) Wand hinunter bohrte hing ich irgendwo in der Kellerwand... Mit der Position ausweichen konnte ich wegen der im Keller an der Decke verlegten Heizungsrohre auch nicht einfach so... Also bedurfte dieses blöde Loch zur Kabeldurchführung eines zweiten Menschen und zwei Mobiltelefone samt Kopfhörer, damit das Millimeter genaue „Stopp“ aus dem Keller auch von mir während dem Bohren gehört wurde... Hat dann immerhin 4 Stunden gedauert! Für ein Loch!


    Weil ich die Bohrmaschine schon in den Händen hatte ging es auch gleich an die Lösung für die Heizungsrohre zum 1. Stock hin. Ich hatte gummierte Schellen gekauft (Schwinungsdämpfer) und alle 15 cm die Rohre am großflächigen Schwingen hindern... Jedes Loch im Sandputz eines Altbaus – ein großer Spaß der viel Schnellzement erforderte... und so dauerte das Bohren und Montieren von insgesamt 15 Schwingungsdämpfern und einer Kabeldurchführung einen ganzen Tag. Die Rohre wurden dann noch mit Schaumstoff-Röhren (die aus dem Baumarkt) eingekleidet.


    Natürlich hatte der Sturm die Außenjalousie kaputt gerissen und Tageslicht gab´s keines. Zum Glück hatte ich mir beim Umzug gemerkt auf welchem Müllhaufen der Baustellenstrahler zu suchen ist.


    Bei der Recherche zur Raumakustik bin ich dann abgekommen von Helmholtz-Resonatoren und habe in Richtung Plattenschwinger gedacht... Um das Wirrwarra stehenden Wellen irgendwie fassbar zu machen, habe ich mir einen Kugelstrahler gemietet und mir eine Art „Landkarte“ bzw. ein Koordinatensystem für den Raum erdacht. Dann wurden sehr viele Sinus-Sweeps von 30Hz bis 350 Hz und rosa Rauschen abgespielt. Anhand des erdachten Koordinatensystems habe ich dann ca. 50 Messungen durchgeführt und hatte so einen abschätzbaren „Überblick“ was an welcher Stelle wie schlimm zum Tragen kommt.


    Daraufhin habe ich mir ein Kasten-System erdacht um einzelne Zonen einzurichten die hinter dem Vorbau für die Schalldämmung und den Rigipswänden verschwinden konnten. Die Kästen bilden zum einen die „Tuning-Zonen“ und zum anderen die Rückwand der Plattenschwinger. Als Membran dienen die Rigips-Platten. Zur Berechnung der Plattenschwinger habe ich mich hier bedient:


    Membranabsorber – Wikipedia


    Mit der Idee des Plattenschwinger-Baukastensystems hatte sogar die unnütze „hidden door“ auf einmal einen Verwendungszweck...


    Wie der glückliche Zufall es will habe ich den Trockenbauer, der in der Nähe gerade ein riesiges Studio baut, kennengelernt und er hatte Zeit für mich. Der hatte bei dem großen Studio genügend Wahnsinn gesehen um zu verstehen was ich mit meinen Rückwänden, Kästen und schiefen Wänden- überhaupt von ihm will... Außerdem habe ich immer wieder mit einem guten alten Freund und Hasen telefoniert der Akustisch wirklich fit ist und habe mein Vorgehen so hinterfragen oder bestätigen können.


    Vom Trockenbauer kam dann noch ein Vorschlag den ich einfach 1:1 übernommen habe, da simpel und im Vergleich quasi „gratis“... Eine Umlaufende Vorhangschiene an der Decke des Raumes... hier kann bei Aufnahmen mittels unterschiedlicher Vorhangstoffe zumindest minimal in das Reflexionsverhalten des Raumes an der Mikrofonposition eingegriffen werden.


    Fotos finde ich momentan leider nicht - aber wie eine Trockenbauwand aufgestellt wird ist ja auch nicht weiter spannend.


    ... tbc - die Akustikmodule werden jetzt gleich geliefert.

  • Nachdem ich irgendwann auch mal fertig werden möchte habe ich darauf verzichtet die Akustikmodule für die Regie selber zu bauen. Außerdem hatte ich – nach dem Dachgeschoss-Ausbau und der Trockenbau-Arie – überhaupt keine Lust mehr auf Dämmwollen-Verarbeitung...


    Ich habe mich für Produkte von GIK-Acoustics entschieden. Der Grund ist schnell erklärt. Die lassen ihre Absorber etc. unabhängig messen und veröffentlichen die Mess-Ergebnisse auch und zweitens bieten sie eine schnelle, kostenlose und fundierte Beratung. In meinem Fall möchte ich mich nochmals bei Nick Hepfer bedanken der mir ein Paket an Absorbern, Bassfallen etc. zusammengestellt hat.


    Bei mir wurden es:


    4 "Tri Trap Bassfallen" in den Ecken

    3 "Monster Bassfallen" für die Rückwand

    7 Absorber Modell 244


    Das schicke an dem Konzept ist das, sofern gewünscht oder nötig, die Absorber Fullrange oder im Frequenzgang gezielter beschnitten werden können und im Bedarfsfall eine „Scatter-Plate“ eingesetzt werden kann. In diesem Fall wird dann nicht nur absorbiert sondern auch eine gezielte Diffusion herbeigeführt.


    Ich habe heute aus Neugierde mal 3 von den gestern gelieferten Modulen ausgepackt. Sie sehen gut aus und die Verarbeitung macht einen guten Eindruck... Mehr kann ich momentan noch nicht dazu schreiben.


    Der alte Boden wurde heute grinsend in den Sperrmüll-Container befördert und schon mal alles abgeklebt. Morgen kann also gemalt werden.

  • Absorber Modell 244

    Wie kriegen die mit den flachen Dingern eigentlich die angegebene Dämpfung im Bassbereich hin? Und wenn ich mich nicht völlig verrechnet habe, dann beträgt die Dämpfung laut Messung 200% bei 100 - 200 Hz. :/ Auf dem Papier sind die Teile toll. Aber irgendwie ist mir das suspekt.

  • Ich kann es dir noch nicht sagen - ich werde aber auf alle Fälle berichten was ohne und was mit den Dingern im Raum los ist... Dauert aber noch ein bißchen...


    Ein kleiner Nachtrag noch. Alle Maßnahmen die ich hier setzte erfolgen nach dem Prinzip: Jedes dB und jede Verbesserung im Resonanz und Reflexionsfeld sind ein Gewinn...


    Für ein wirklich professionelles Tonstudio mit Aufnahmebetrieb 24/7 sind die Räumlichkeiten hier ganz einfach nicht geeignet - und werden es auch nie sein solange nicht das halbe Haus eingerissen und neu gebaut wird.


    Es geht um eine Mischmöglichkeit - nicht mehr und nicht weniger...

  • Vom Trockenbauer kam dann noch ein Vorschlag den ich einfach 1:1 übernommen habe, da simpel und im Vergleich quasi „gratis“... Eine Umlaufende Vorhangschiene an der Decke des Raumes... hier kann bei Aufnahmen mittels unterschiedlicher Vorhangstoffe zumindest minimal in das Reflexionsverhalten des Raumes an der Mikrofonposition eingegriffen werden.

    im ehemaligen musikzimmer von Gabriele D'Annunzio am gardasee hab ich das schonmal gesehen und war sehr beeindruckt. diese idee hatte man also schon nach dem ersten weltkrieg. aber egal: die idee ist wirklich sehr gut!

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von wora ()

  • mach' mehrere Schienen hin - doppelt umlaufend und ein paar Stück Quer - dann kannste verschiedene Vorhänge & Raumsituationen herstellen - oder auch 2 Schwere Vorhänge in kleinem Abstand hintereinander ziehen ;)

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, " Jungfrau von Orleans")

  • Hallo zusammen,


    ein kleiner Zwischenruf von mir... Ich musste tatsächlich an einem Auftrag arbeiten der aufgrund von drohendem Erfolg der Künstlerin eine spontane Dringlichkeit erhalten hat.


    Also habe ich (ich habe es mit meiner Frau jetzt mal gezählt) zum 29. Mal meinen Arbeitsplatz irgendwo aufgebaut und mit der geliehenen M32R (dickes Danke an Jakob und Markus) ein paar Overdubs aufgenommen und ein paar Tracks in der Mischung bearbeitet sowie für einen Auftritt eine Show vorbereitet (Dort wird auch ein M32R stehen)... Baustelle musste also zurückstehen...


    Das ständige Auf- und Abbauen fällt in die Kategorie "graue Haare"- die Abhörmöglichkeit via Kopfhörer mit z.B. den virtuellen Studioräumen von Waves sind - in Wahrheit unbezahlbar, wenn´s denn schon sein muss. Ich zumindest kann damit ermüdungsfreier hören und somit arbeiten... und ermüdungsfrei ist mir bei meinem Tinnitus-rumgenerve EXTREM wichtig geworden...

    Einmal editiert, zuletzt von Herr Nink ()

  • So... kleines update.


    Ende letzter Woche:


    Spachtelei der Trockenbau-Wände:


    Humorlos reingeschraubte Vorhangschienen:


    Weiteres Loch im Boden - jetzt zugekleistert...


    Angemalt und Boden gelegt...


    Ich habe schlicht vergessen von der "Trittschall"-Dämmung Fotos zu machen - und nein, ich werde den Boden nicht wieder rausnehmen um das nachzuholen :D


    Der Raum steht also kurz vor dem Punkt an dem mein Gerümpel dort unfallfrei einziehen kann. Ich freu mich drauf. :)

  • Zwecks der Wirksamkeit der gekauften Akustik-Module... Ich werde bei Zeiten eine Messung mit und ohne die Dinger machen und ein Wasserfall-Diagramm hier reinstellen - Dann können sich alle die´s interresiert einen eigenen Eindruck verschaffen wie und was die Dinger in Summe dann abliefern...

  • ...keine 90°Kurven für die humorlosen Vorhangschienen gekauft??? :/ *tztztz*

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

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  • Ich wollte ja - gabs aber nicht... Nächstes "graues Haare" Thema... So simple Dinge wie Wippen für alle gesetzten Lichtschalter im Haus, 90-Grad-Bögen für Vorhangschienen etc.pp - alles entweder nicht oder in 8 Wochen oder "immer mal wieder" verfügbar... Ich will ja irgendwann auch mal fertig werden.


    Aber natürlich hast du recht. Mir wär´s auch lieber gewesen.

  • Ich habe es heute doch tatsächlich mal geschafft die letzten drei Akustik-Module an die Decke zu zimmern… Danksagung gilt dem Regen, der jede andere Tätigkeit im Freien unterbunden hat!😂


    Jetzt gehts dann mal an‘s aufräumen und Vorhänge umnähen…