Was Internet aus Sachinhalten macht ...

  • Disclaimer: Ich schätze das Netz als Informationsquelle, weiß aber, dass das nur funktioniert, wenn ich eine fachliche oder intellektuelle Mindestausstattung mitbringe, um den Spreu vom Weizen zu trennen. Bin ich ganz unbedarft, ist das Netz eine Katastrophe.


    Das ist für mich die schwarze Seite des Netzes:


    FAQ und Review - 8 Einsteiger-Mikrofone für Live-Gesang
    Ich lagere meinen kleinen, inzwischen erweiterten Test aus dem Thread um Einsteiger-Gesangsmikrofone mal hier als FAQ und Review aus, denn ich denke, dass dies…
    www.musiker-board.de


    Der Kackpunkt hier: Es wird Inhalt durch Struktur ersetzt. Es heißt 'rewiev', hat die Form von Erörterung, wie man es mal so ungefähr in der Schule gelernt hat, u.s.w liest sich einfach als Struktur seriös. Weiß der Leser wenig bis nichts zum Thema, glaubt er an die seriöse Quelle, weil er der ordentlich strukturierten Darstellung glaubt. Für mich ein 'fatal error'.


    Ganz klar: Hier schreibt sich jemand mit kaum Ahnung den Müll schön, also schreibt Müll über Müll. Besonders geil finde ich 'Bodenschall' aber lest selbst. ;)

  • das ist ja die hohe kunst heute: sich wissen nutzbar zu machen. dazu gehört auch zu entscheidne ob das stimmen kann oder eben nicht.

    alleine das die leute mit der these: die erde ist eine scheibe nicht die frage beantworten können, warum noch überhaupt etwas auf dieser ist, wo man doch weiß, das kleine katzen aber auch alles runter werfen, auch von der scheibe :)

  • Ist man fachfremd, kann man unmöglich beurteilen, ob das Gelesene stimmt oder nur Geschwurbel ist, solange es seriös wirkt. Es gibt Indizien für Schwachsinn, wenn Dinge behauptet werden, die sehr absolut daherkommen und anderen Quellen stark widersprechen. Aber das setzt voraus, dass man auch schon mehr als eine Quelle gelesen hat.


    Im verlinkten Beispiel gibt es ja durchaus auch richtige Informationen. Es mischt sich blöderweise mit Halbwissen und Unvollständigkeit. Aber es kommt zum Glück genügend unprofessionell rüber, als dass man das mit einem Wikipediaeintrag verwechseln könnte.


    ...ist das enthaltene Video auch "sehenswert"?

    Der Ton macht die Musik.

  • Es macht doch den Anschein, als wäre diese Art der "Wissensvermittlung" in den letzten 2 ½ Jahren verstärkt zum Volkssport geworden?

    Ich hatte mal das Vergnügen zwei Masterarbeiten aus den Wirtschaftswissenschaften lesen zu dürfen. Die waren inhaltlich auch nicht besser, aber scheinbar immernoch gut genug um veröffentlicht werden zu können.
    Im Gespräch mit einer Ärztin (mit Dr.-Titel) habe ich auch mal hören dürfen, dass es bei Doktorarbeiten auch nicht auf den Inhalt ankommt sondern 95% der Arbeit und Bewertung schöne Worte, korrekte Form und korrekte Zitatverwendung ist. Deshalb gibt es ja die Ghostwriter, die dir für 5000€ deine Doktorarbeit schreiben ohne dass sie auch nur einen blassen Schimmer von dem Thema haben. corn*

  • Es macht doch den Anschein, als wäre diese Art der "Wissensvermittlung" in den letzten 2 ½ Jahren verstärkt zum Volkssport geworden?

    Es gibt sogar Literatur, die den Anspruch auf korrekten Inhalt erwecken und der Quell allen mir bekannten Pseudo-Halbwissens dieser Branche ist: Das PA-Handbuch.

  • Es gibt sogar Literatur, die den Anspruch auf korrekten Inhalt erwecken und der Quell allen mir bekannten Pseudo-Halbwissens dieser Branche ist: Das PA-Handbuch.

    Die Berufsschule in Erfurt hat anhand dieses (und eines anderen "Fachbuches") zumindest vor 10 Jahren noch deren kompletten "Fachunterricht" für die Veranstaltungstechniker abgehalten.

    Irgendwann war ich es Leid mit dem Fachfremden Berufsschullehrer zu diskutieren, dass er da gerade Blödsinn erzählt und habe ihm einfach in seinen Tests aufgeschrieben wie es eigentlich richtig ist...
    Die Krönung, die mir nach über 10 Jahren noch immer aktiv in Erinnerung ist: "Ein PA-Controller ist eine Frequenzweiche mit Sense-Leitung". Die Funktionsweise eines digitalen PA-Controllers, damals immerhin schon so weit verbreitet dass jede zweite Dorfdisco so etwas hatte, war ihm vollkommen neu. Ebenso wie die Leitungskompensation ohne Sense-Leitung.

  • Es gibt sogar Literatur, die den Anspruch auf korrekten Inhalt erwecken und der Quell allen mir bekannten Pseudo-Halbwissens dieser Branche ist: Das PA-Handbuch.

    Während ich meinen Eingangsthread schrieb, dachte ich auch an Bücher, wobei ich da erst an die guten Beispiele dachte. Ich glaube schon, dass die meisten Autoren von Büchern mit technischen Inhalten schon eher eine Hemmschwelle haben, im „gedruckten Wort” schlecht Recherchiertes oder selbst Konfabuliertes einzubauen als im Netz.

    Allerdings gibt es vor allem im Englischsprachigen bei neueren Büchern für die Zielgruppe 'Musiker' leider so einen Trend, den Netzgeschwurbel-Stil zu übernehmen.


    Insgesammt muss man aber zur Ehrenrettung der Bücher folgendes sagen:

    Es müssen nicht alle Bücher Ingenieurslevel haben. Was da an Informatik und Elektrotechnik drin steckt, sollte für die praktischen Aufgaben eines Veranstaltungstechnikers lesbar geschrieben sein. Der Inhalt muß zur Zielgruppe passen. Das kann man schon so machen, dass nichts grob Falsches drin steht.

    Zum PA-Handbuch muss man sagen, dass die Erstauflage von 1995 stammt und manche Dinge auch in der letzten Auflage von 2015 nicht mehr up to date sind vor allem beim kurzlebigen IT Wissen.

    "Ein PA-Controller ist eine Frequenzweiche mit Sense-Leitung"

    Diese Beschreibung ist doch irgendwie „lieb“ und passt perfekt zu den ersten analogen Meyer- und d&b Controllern Ende der Achtziger. ;)


  • Im Gespräch mit einer Ärztin (mit Dr.-Titel) habe ich auch mal hören dürfen, dass es bei Doktorarbeiten auch nicht auf den Inhalt ankommt sondern 95% der Arbeit und Bewertung schöne Worte, korrekte Form und korrekte Zitatverwendung ist.

    Ja und Nein. Tatsächlich ist es so, dass die Form, die erwartet wird, sehr starr ist und das perfekte Einhalten der Form Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeit angenommen wird. Allerdings gibt es für Doktorarbeiten Noten und es darf nichts wirklich falsches drin stehen. Da wird schon aufgepasst. Für ‚Korrekte Form aber Inhalt eher bescheiden' gibts ein 'rite', für 'ned schlecht …hat sich ganz schön Mühe gemacht' gibts 'cum laude' und für 'magna cum laude' oder 'summa cum laude' muß dann schon was drin stehen, was Wissenschaftler spannend finden. ;)

  • Naja.... das mit dem Dr. Titel ist so eine Sache. Das ist von Fachbereich zu Fachbereich extrem unterschiedlich. An einigen Fakultäten bekommt man den Dr. Titel erst, wenn man mehr als eine Hand voll "Paper" veröffentlicht hat, die alle über den internationalen Wissensstand hinaus gehen und von mehreren International anerkannten Gutachtern auf dem Fachgebiet für "gut" beurteilt wurden. Das sind dann auch mal 6 Jahre harte Arbeit. In anderen Fachbereichen gehört der Doktor eher zum guten Ton und man kann ihn innerhalb von 6-12 Monaten mit einer kleinen Studie bekommen.


    Es ist aber auch was daran, dass es auch auf viele Softskills ankommt. Man muss sich teilweise mit sehr schwierigen und exzentrischen Menschen gut stellen. Das mit den guten Noten ist dann oft wirklich so. Nachdem eine 1,0 nicht mehr reichte und z.B. die Ingenieure die 0,7 eingeführt haben, gibt es inzwischen Fakultäten, die für eine Promotion auch mal eine 0,0 verleihen. Da muss man erst mal kurz überlegen, ob das jetzt extrem gut oder durchgefallen ist :D

  • Zwischen ärztlichen Doktorarbeiten und ingenieurwissenschaftlichen Doktorarbeiten ist aber generell schon ein großer Unterschied im Aufwand. (Viele medizinische Arbeiten haben eher den Aufwand einer Bachelorarbeit). Dafür verlagern die Mediziner einen Teil der Arbeit eher ins vorgelagerte Studium.


    Zurück zum Thema: Die Fähigkeit Quellen zu beurteilen, zwischen Fakten zu unterscheiden, usw. wird wohl zunehmend eine der wichtigsten Fähigkeiten für die Menschheit. So richtig optimistisch wäre ich da aber nicht. Und selbst in der Technik gibt es ja auch nicht immer ein richtig oder falsch.

  • Es müssen nicht alle Bücher Ingenieurslevel haben.

    Das verlangt ja keiner. Viele Dinge sind in besagtem Buch aber schlicht falsch.


    Ein Buch, das in dieser Hinsicht positiv hervorsticht ist das Lautsprecher-Handbuch. Neulinge werden darin Schritt für Schritt an das Thema herangeführt. Und für fortgeschrittene ist es die perfekte Formelsammlung mit hilfreichen Tipps. Wird leider nicht mehr aufgelegt und auf dem Gebrauchtmarkt in Gold aufgewogen. Das dürfte die Investition mit der (prozentual) höchsten Rendite sein, die ich je getätigt habe.

  • Was war denn Quatsch daran?

    DI-Boxen Abb. 3.2

    Pad ist hier etwas ungeschickt, um nicht zu sagen falsch dargestellt. Das einzige was sich dabei ändern würde ist die Eingangsimpedanz. Eine Dämpfung wird so nicht erreicht.


    6.9.14 Antennnkabel

    Im Tesxt steht fälschlicherweise, dass RG58 5.1dB/m Dämpfung hätte. Nimmt man aber die in der Tabelle richtig angegebenen 51dB/100m, dann ergeben sich nur 0,51dB/m. Damit wäre auch begründet, warum man überhaupt erst bei >10m- Kabel einen Booster einsetzen sollte.


    10.2.1 Class-H

    Klasse H hat nichts mit den Ruheströmen zu tun. Die bleiben wie im A/B-Betreib konstant. Das einzige was geändert wird ist die Rialspannung. Alleine dadurch reduziert sich die Leistungsaufnahme der Endstufe, weil bei geringer Aussteuerung nur noch die Hälfte verheizt wird.


    Es stecken noch neun weitere Zettel im Buch. Das will ich aber jetzt nicht alles abtippen. Ausgabe 2015.

  • Ja und Nein. Tatsächlich ist es so, dass die Form, die erwartet wird, sehr starr ist und das perfekte Einhalten der Form Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeit angenommen wird. Allerdings gibt es für Doktorarbeiten Noten und es darf nichts wirklich falsches drin stehen. Da wird schon aufgepasst. Für ‚Korrekte Form aber Inhalt eher bescheiden' gibts ein 'rite', für 'ned schlecht …hat sich ganz schön Mühe gemacht' gibts 'cum laude' und für 'magna cum laude' oder 'summa cum laude' muß dann schon was drin stehen, was Wissenschaftler spannend finden. ;)

    In den Ingenieurswissenschaften zumindest ist die Form nicht (mehr?) ganz so starr. Viele machen sich mehr Gedanken über den Zitierstil als über Inhalte, andere bringen ein Thema voran und schaffen es trotzdem, ihre Quellen vollständig und auffindbar anzugeben.

    Ganz schlimm sind die Geisteswissenschaften. Da reicht die inhaltliche Eigenleistung so selten, dass regelmäßig über besonders strenge Formalia und kompliziert-verschwurbelte Satzkonstrukte darüber hinwegzutäuschen versucht wird, dass die eigentliche Arbeit keinerlei praxisrelevanten Wert hat…

  • Zwischen ärztlichen Doktorarbeiten und ingenieurwissenschaftlichen Doktorarbeiten ist aber generell schon ein großer Unterschied im Aufwand. (Viele medizinische Arbeiten haben eher den Aufwand einer Bachelorarbeit). Dafür verlagern die Mediziner einen Teil der Arbeit eher ins vorgelagerte Studium.

    wobei das auch vom Selbstverständnis des Doktoranden abhängt. Da gibt’s alles von 'geschenkt' bis 'extrem aufwändig'. ;)