Bus in Bus Routing

  • wora Dann will ich mich mal an einer Antwort versuchen:


    Erst einmal: die Grundlage kommt ja aus dem Studiobereich. Wenn man als Mixing Engineer für Tonträgerproduktionen einen Auftrag erhält, dann ist die eigene Arbeitszeit ein kostbares Gut - entweder weil man in Pauschalen abrechnet oder weil man sonst womöglich zu teuer wird.


    Daher macht es Sinn, wenn man sich ein Standardsetup zurechtlegt, in dem bereits alle bevorzugten Mischwerkzeuge vorbereitet auf ihren Einsatz warten.


    Hat man dies über eine Art "Gruppenhierachie" gelöst, kann man die angelieferten Audiospuren (heutzutage oft gefühlte 600 Spuren für eine 3 köpfige Kapelle) in Sekundenschnelle über das Routing der entsprechenden Bearbeitungskette zuweisen. Gleichzeitig hat man alle Optionen für verschiedene Gruppenbearbeitung offen, z.B. Buskompression oder für alle denkbaren Sidechaintricks (z.B. frequenzselektives Ducking), ohne dass jeweils in dem Moment etwas extra hinzugestrickt werden muss.


    Diese Zeitersparnis im eigentlichen Mixprozess hilft tatsächlich dem hier

    man läuft bei mehreren subgruppen hintereinander ja schnell in gefahr, dass man sich im eifer des gefechts verheddert und die signale irgendwie overprocessed werden.

    vorzubeugen, da man sich nicht im falschen Moment mit irgendwelchem technischen Blödsinn oder gar Workarounds beschäftigen muss und damit den Fokus verliert.



    Hinzu kommt, dass sich in den letzten 20 Jahren das sogenannte "Stem-Mastering" etabliert hat.

    Für dieses exportiert man von seinem Mix nicht einfach nur die Summe für den finalen Bearbeitungsprozess, sondern halt Gruppen, sogenannte "Stems". Auf diese Weise kann der Masteringengineer mit frischen Ohren und (hoffentlich) noch besserer Abhörsituation kleinere Unstimmigkeiten in der Gesamtbalance besser korrigieren, als wenn man nur eine Stereodatei mit "einmal allem" bekommt.



    Zurück zu Livepulten:

    Das Beispiel von Audiobo macht für live nur Sinn, wenn in diesen vielen Gruppen auch sinnvolle Bearbeitung stattfindet. Braucht man es nur, um Kanäle zusammen zu fassen um den Mix zu erleichtern und Strips/Layer zu ökonomisieren, kann man das beispielsweise auch mit DCAs und garantiert latenzfrei abvespern.

    Genau. Natürlich macht das dort nur Sinn, wenn man tatsächlich solche Gruppenbearbeitungen durchführt. Nebenbei gibt es auch noch andere Anforderungen, die die Verwendung von Audiogruppen erschweren.


    Was bei Livepulten z.B. eher für die Verwendung von DCAs spricht, ist:

    1. die Möglichkeit eine Gruppe mit unterschiedlichem Signalrouting zu pegeln (z.B. für Konferenzschaltungen, Monitor, Immersive Sounddesign)
    2. die mittlerweile übliche DCA-Spill-Funktion - durch diese hat man die zugehörigen Kanäle so schnell im Zugriff, dass man viele Einzelsignale gar nicht mehr dauerhaft auf der Oberfläche braucht und auch nicht überlegen muss, auf welchen Faderlayer jetzt was liegt.

    Je nachdem was man also macht ist noch die Verwendung von "Gang/Link"-Funktionen oder Multichannels vllt. der passende Weg. Meiner Meinung sind diese ganzen Funktionen aber auf nahezu allen Pulten zu kleinteilig und zu sehr voneinander separiert, also zeitraubend in ihrer Anwendung und Entscheidungsfindung. (z.B. DiGiCo: "nutze ich jetzt lieber das Ganging oder einen Multichannel?" Diese Frage dürfte erst gar nicht entstehen, da die Funktionalität über weite Teile gleich ist. Also sollte es eigentlich eher auf ein Ganging mit Fold-Option und Parameterauswahl hinauslaufen.)

    Schick wäre z.B., wenn bei Yamaha CL oder auch bei A&H und anderen beim Erstellen einer Link-Gruppe automatisch (oder auch optional im Menüfenster wählbar) eine DCA-Gruppe den beteiligten Kanälen zugewiesen würde und man schon nur durch selektieren des DCA-Masters die verlinkten Parameter regeln könnte.




    wora Eine Gegenfrage zum Abschluss:

    Was machst du denn mit deiner Drum-subgruppe?

    darf ich fragen, warum du für toms und blech eine eigene gruppe verwendest?

    ich bearbeite da immer die einzelkanäle und sende die dann in meine drum-subgruppe. das hat mir in meinem bisherigen leben immer vollauf genügt.

    Wenn du Trommeln und Blech getrennt hast, kannst du mit wenigen Handgriffen die klangliche Balance anpassen, z.B. den Becken etwas Schärfe rausnehmen, den Trommeln hingegen etwas mehr Attack geben. Oder dynamisch etwas aneinander anpassen.

    Alles zusammen komprimieren hingegen finde ich live nicht mehr so den Knüller, irgendetwas geht dann immer unter.

    Aber du hast glaube ich auch oft die besseren Musiker am Start... ;)

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • audiobo, vielen dank für die ausfürhliche antwort!

    im studio habe ich nur ein einziges mal gearbeitet, deshalb kenne ich die gepflogenheiten dort tatsächlich nicht. danke für die info.


    zu deiner frage:

    wora Eine Gegenfrage zum Abschluss:

    Was machst du denn mit deiner Drum-subgruppe?

    Wenn du Trommeln und Blech getrennt hast, kannst du mit wenigen Handgriffen die klangliche Balance anpassen, z.B. den Becken etwas Schärfe rausnehmen, den Trommeln hingegen etwas mehr Attack geben. Oder dynamisch etwas aneinander anpassen.

    Alles zusammen komprimieren hingegen finde ich live nicht mehr so den Knüller, irgendetwas geht dann immer unter.

    Aber du hast glaube ich auch oft die besseren Musiker am Start... ;)

    also ich nutze meine drum-gruppe in der regel für ein generelles EQing des gesamten instrumentes. so kann ich da z.b. frequenzbereiche featuren, die ich in der summe für die vocals eher herausgenommen habe. denn ich trimme eine PA stets nach den bedürfnissen der vocals. und da kann es durchaus sein, dass ich was rausnehmen muss, das mir bei den drums aber fehlen würde. so kann ich das dann, bei bedarf, ausgleichen.

    kompression nutze ich auf der drum-subgruppe nur sehr selten, von dieser NY kompression-sache bin ich auch wieder weg gekommen, da geht es mir also so wie dir. aber manchmal nutze ich kompression des drumsets trotzdem in einem song als effekt. kommt halt auf den song und auf die musik insgesamt an.

    so ist eine drum-subgruppe für mich also in 95% der fälle lediglich ein separater mix für EQ. das kann ich mit einer DCA-gruppe einfach nicht machen.

    meine becken-mikros gange ich in der regel. dann habe ich hier eine schnelle möglichkeit, zu viel gezischel zu bändigen, wenn eine PA mal wieder zu viel klirr anbietet. dafür brauch ich also keine subgruppe.

    und bei den toms regle ich jedes tom gerne separat. nicht jede trommel verlangt die selben anhebungen oder absenkungen, das will ich wirklich getrennt bearbeiten.

    meine dynamikbearbeitungen für OH und toms wären in der tat die einzigen dinge, die ich hier zusammenfassen könnte. ich arbeite ja recht oft mit ducking, das hatte ich hier an anderer stelle mal beschrieben. aber stimmt schon, das wäre eine möglichkeit der vereinfachung. ich mache das in den inserts der einzelkanäle, das ist natürlich aufwändiger - aber damit kann ich hier nochmal viel feiner eingreifen. da ich diese sachen in meinen bandfiles vorbereitet habe, war das auch nur einmal arbeit.


    deine zeilen habe ich aufmerksam gelesen und überlegt, ob mir mehr subgruppen vorteile bringen könnten. nach einiger abwägung komme ich jedoch zum schluss, dass ich wohl eher bei meiner bisherigen vorgehensweise bleiben werde.

    ist aber schon interessant, mal verschiedene philosophieen zu beleuchten.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Je nachdem was man also macht ist noch die Verwendung von "Gang/Link"-Funktionen oder Multichannels vllt. der passende Weg. Meiner Meinung sind diese ganzen Funktionen aber auf nahezu allen Pulten zu kleinteilig und zu sehr voneinander separiert, also zeitraubend in ihrer Anwendung und Entscheidungsfindung. (z.B. DiGiCo: "nutze ich jetzt lieber das Ganging oder einen Multichannel?" Diese Frage dürfte erst gar nicht entstehen, da die Funktionalität über weite Teile gleich ist. Also sollte es eigentlich eher auf ein Ganging mit Fold-Option und Parameterauswahl hinauslaufen.)


    Schick wäre z.B., wenn bei Yamaha CL oder auch bei A&H und anderen beim Erstellen einer Link-Gruppe automatisch (oder auch optional im Menüfenster wählbar) eine DCA-Gruppe den beteiligten Kanälen zugewiesen würde und man schon nur durch selektieren des DCA-Masters die verlinkten Parameter regeln könnte.

    Ich verstehe Dich in diesem Absatz nicht.

    Digico Ist zu kleinteilig und im nächsten Absatz forderst Du für Yamaha und A&H genau die Funktion eines Multichannel der SD Serie.

    Der Multichannel ist doch im Prinzip ein DCA mit genau Deinen geforderten Funktionen.

    Durch „unfold“ kommst Du auch an die einzelnen Kanäle und kannst die separat ohne irgendwelche link Funktion bearbeiten.

    Und durch selektieren des Multichannel kannst Du die vorher gelinkten Funktionen relativ zueinander bearbeiten.

  • Entschuldige, ich meinte mit kleinteilig wohl eher so etwas wie "in der Gesamtanwendung zu verstreut zu konfigurieren".


    Ich beschwere mich bei Digico auch nicht grundsätzlich über den Multichannel an sich (wobei die Umsetzung etwas an sich hat, über das ich bei den paar Gelegenheiten fast jedes mal drüber stolpere, weil Parameter dann doch nicht so verlinkt sind wie ich es erwarte (= evtl. nicht eindeutiges optisches Feedback???)), sondern darüber, dass man 2 Varianten implementiert hat, um mehrere Kanäle zu koppeln, anstatt die Gang-Funktion entsprechend zu erweitern. (= Doppelmoppel)

    Zumal das Ganging seit langem herstellerübergreifend eine allgemein bekannte und akzeptierte Funktion ist.

    (Persönliche Anmerkung: Tatsächlich habe ich den Multichannel bei seiner Einführung, als ich öfter an einer SD9/8 stand, ziemlich gefeiert, mittlerweile stehe ich dem Ganzen etwas distanzierter gegenüber.)


    Im Grunde sind das doch typische Software-Usability -Probleme: Es werden - teils aus eigenem Antrieb, teils auf Anwenderwunsch - vom Hersteller immer wieder Funktionen hinzugefügt, die auch meistens Sinn machen, aber leider manchmal eben unnötige Redundanzen und/oder ein Übermass an verstreuten Konfigurationsoptionen und somit Unübersichtlichkeit schaffen.


    Für den XY-Fanboy-Poweruser ist das dann i.d.R. kein Problem, der Gelegenheitsnutzer (des entsprechenden Gerätes, damit ist jetzt nicht der ansonsten gewerkefremde Hausmeister-Hilfstechniker gemeint) hingegen tut sich u.U. ein wenig schwer.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Im Grunde sind das doch typische Software-Usability -Probleme: Es werden - teils aus eigenem Antrieb, teils auf Anwenderwunsch - vom Hersteller immer wieder Funktionen hinzugefügt, die auch meistens Sinn machen, aber leider manchmal eben unnötige Redundanzen und/oder ein Übermass an verstreuten Konfigurationsoptionen und somit Unübersichtlichkeit schaffen.

    das ist ein problem, mit dem sicher alle hersteller zu kämpfen haben. es gibt ja immer und überall kollegen, die neue oder andere funktionen implementiert haben wollen, teils mit dem vermerk: "sonst kauf ich das nicht". und natürlich wollen die hersteller es möglichst vielen kollegen recht machen, weshalb sich da im laufe der zeit immer mehr funktionen einschleichen, die dann vor allem die seltenen anwender stark fordern.

    ich bin sehr froh, dass ich das nicht entscheiden muss... wenngleich ich dann natürlich eine mischkiste hätte, die meine ansprüche zu 100% befriedigen könnte ass

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • guma, du hast meinen beitrag offensichtlich missverstanden. mir ging es nicht darum, dass kenner ihre pulte nicht mehr beherrschen. mir geht es darum, dass digitalpulte mit jedem evolutionsschritt immer auch etwas komplexer werden. und das macht vor allem den mischern zu schaffen, die am jeweiligen mischgerät vor der nase nur sehr selten arbeiten.


    meine vorgehensweise in solchen fällen habe ich schon oft beschrieben: ich gehe dann möglichst nach dem motto "keep it simple" vor. man verliert dann natürlich sicher ein stück weit die vorteile des jeweiligen tisches, aber man beherrscht die situation dann einfach besser.

    aber das darf ja jeder für sich entscheiden.


    aber klar ist doch: mit jedem größeren firmware-schritt werden neue funktionen hinzgefügt - und das macht die pulte wiederum komplexer. ist doch eine ganz normale sache.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von wora ()

  • Zur Ehrenrettung der Gastmischer muß ich sagen dass die meisten Monitorgastmischer*innen nicht nur das geforderte Pult sehr gut beherrschen, sondern auch das Überraschungspult, was die Organisatoren mal wieder nicht weiterkommuniziert hatten….

  • … und ich finde auch nicht, dass es die Hersteller mit ihrer Softwareevolution den Leuten, die mit einem Template Mikrofone laut machen möchten, immer schwerer machen. 'Bus to bus' ist doch dafür ein super Beispiel. Wenn man das nicht benutzen möchte, merkt man ja nicht mal, dass es da ist. 8)

  • mir geht es darum, dass digitalpulte mit jedem evolutionsschritt immer auch etwas komplexer werden.

    Nun ja, echte Evolution reduziert aber auch gerne auf das Notwendige und perfektioniert dieses dann. Stell dir mal vor, wir hätten für jede Anwendung ein separates Paar Hände (1 Paar zum essen, 1 zum schreiben, 1 um damit auf Bildschirmen herumzudrücken, 1 zum Autofahren usw.)


    Und jetzt stell dir mal vor, du hättest am Mischpult nur noch 1 Menü für alle Gruppen und jede Gruppe könntest du (auch im laufenden Betrieb) in ihrer Funktionalität erweitern und anpassen:


    - bisherige DCA-Gruppe soll gemeinsam in bestimmten Parametern regelbar sein? - "Create Linkgroup"

    - Link-Gruppe soll doch noch in einen Mixbus gehen? - "Create Mixgroup"

    - DCA-Gruppe soll eine gemeinsame Sidechain-Summe für ExtKey-Inputs erzeugen? - "Create SC-Key"

    - In einem Subgruppen-Mixbus müssen plötzlich 2-3 einzelne Signale im Pegel separat angepasst werden? - "Change to variable send" (und zwar ohne dass dabei alles auf -00 gestellt wird!!)

    - In der Routingübersicht nervt die inhaltlich nicht mehr nachvollziehbare Reihenfolge aufgrund ständig neu formulierter Anforderungen bei den Gruppen und Ausspielwegen bzw. mittlerweile überflüssiges soll ans Ende? - "Rearrange GRP by titel/number"


    Das wäre in meinen Augen Evolution. Analog undenkbar. Digital nur eine Frage des Wollens und sauberer Programmierung.


    Klar geht das auch wie bisher: Immer genügend Busse bereit halten, zur Not irgendeinen Workaround zurecht basteln, akzeptieren dass manches eben nicht geht. Oder dass man für sein bevorzugtes Gruppensetting in 3-4 Menüs herumfuhrwerken muss. Solange die Optik der Vintage-Compressor-Emulation stimmt ist doch alles in Butter und total up-to-date...

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder