Monitor "einpfeifen" mal anders

  • Da ich diesen Praxisteil des Forums als einen der wertvollsten Teile des Forums erachte, wollte ich nun mal meinen eigenen Beitrag dazu leisten.


    Es geht um das Thema "Monitore einpfeifen".

    Das typische Vorgehen ist wohl immer noch, dass man die Verstärkung Mikrofon->Monitor so lange erhöht, bis einzelne Frequenzen anfangen zu koppeln, um diese dann zu bedämpfen.

    Abhängig von vielen Parametern gibt es bei dem Prozedere mal schneller und mal langsamer ansteigende unangenehme Pfeiftöne (daher ja auch "einpfeifen").


    Früher habe ich diese Methode mit einer Erweiterung genutzt: Einen sehr tief gesetzten Limiter im Monitor-(oder Mikrofon)-Kanal. So gab es lediglich ein leisen Pfeifen und man konnte so die Ohren und Nerven aller Beteiligten schonen.



    Nun bringt die Zeit aber auch neue Möglichkeiten:


    Ich habe immer häufiger meinen Laptop am Mischpult stehen und diesen auch mit einer Audioverbinung zum Pult versehen. Ein Messmikrofon habe ich auch meistens dabei.


    Nun könnte man das klassische Vorgehen folgendermaßen ersetzen:

    Ich spiele auf dem Monitor Rauschen oder Musik ab und vergleiche es mit dem vom Gesangsmikrofon aufgefangenen Signal, bzw. genauer gesagt, ich identifiziere die Übertragungsfunktion. Auch hier werde ich im Frequenzgang die Peaks finden, die als erstes zu Pfeifen anfangen würden. Ich senke diese ab und habe das gleiche erreicht nur ohne lästiges Pfeifen. Damit es keine Missverständnisse gibt: Das Gesangsmikrofon hat hier die gleichen "üblichen" Positionen, wie beim Einpfeifen.


    Wenn man die Zeit zur Verfügung hat, kann man den Monitor allerdings auch in einem vorgelagerten Schritt auch erst einmal mit einem Messmikrofon "gerade" ziehen. Man positioniert dazu das Messmikrofon an verschiedenen typischen Hörpositionen und guckt, ob irgendetwas im Frequenzgang so gar nicht stimmt und korrigiert das mit dem EQ im Monitorweg. Wichtig finde ich dann noch einmal Probe zu hören, ob es sich wirklich um eine Verbesserung des Monitorsounds handelt. Auch kann man hier von einer "geraden" Sollkurve abweichen und die Kurve der Monitoranwendung anpassen. Hier reicht meistens auch ein etwas gröberes Vorgehen als man es vielleicht bei der PA tun würde.

    Dieses Grundsetup erhöht die Rückkopplungsgrenze auch schon häufig, insbesondere wenn unterschiedliche Mikrofone an dem Abend genutzt werden. Wenn dann auch noch hochwertige Mikrofone (mit einer ordentlichen Richtcharakteristik) genutzt werden, ist der Schritt meistens sogar schon ausreichend. Natürlich kann man hier bei speziellen Mikrofonen auch noch den "Einpfeifen durch Messen"-Trick anwenden.



    Jetzt frage ich mich, was ihr von dem Vorgehen haltet. Setzt das vielleicht jemand genau so ein?

    Ich fand es in diesem Forumsbereich immer schön neue Anregungen zu finden und hoffe so auch etwas zu neuen Wegen angeregt haben zu können.

  • Eine klassische Rückkoppelfrequenz beim Gesangsmikro ist die Mundhöhlenresonanz des Sängers*in. Die hätte man bei der beschriebenen Messmethode überhaupt gar nicht auf dem Schirm.


    Noch etwas:

    Hält bei der beschriebenen Messung jemand den Mikrofonkorb mit der Hand von hinten fast halb zu?


    Dass die Box von sich aus schon mal geradegebogen ist (ohne Peaks) halte ich für eine Grundvoraussetzung und das braucht man dann ja auch nicht jedesmal neu einstellen.

    Es geht also nur um Dinge wie Raumreflexionen, Mikrofonfrequenzgänge, Mundhöhlenresonanz, Korb zum Teil verdecken, und dann noch "Geschmacks-EQ".

    Viele Grüße,
    Fux

  • Witzig ist ja das viele von einer linearen Abstimmung reden, aber eigentlich eher die Skischanze als Frequenzgang einstellen.

    Beim Monitor ist die Anforderung ja noch mal komplexer. Ein Sänger hört seine eigene Stimme ganz anders als alle anderen die sie hören. Ist ja auch klar durch die eigenen Resonanzen im Kopf.

    Will sagen Linear ist in dem Zusammenhang oft garnicht gewollt.

    Also in einer Band braucht ein Bläser eine andere Einstellung als ein Keyboarder der nicht singt und als ein Sänger. Und das bei gleicher Bühne und gleicher Box.

    Ich glaube die Messerei macht da viel zu viel Aufwand für ein nicht ausreichend verwertbares Ergebnis.

    Und koppeln geht ja auch mit leiser machen weg. Das ist meist für FOH, Gesundheit und Publikum die bessere Version.

    Practice, Practice, Practice

  • Eine klassische Rückkoppelfrequenz beim Gesangsmikro ist die Mundhöhlenresonanz des Sängers*in. Die hätte man bei der beschriebenen Messmethode überhaupt gar nicht auf dem Schirm.


    Noch etwas:

    Hält bei der beschriebenen Messung jemand den Mikrofonkorb mit der Hand von hinten fast halb zu?


    Das gleiche Problem besteht aber auch beim "klassischen" Einpfeifen, wo ein Bühnenhelfer mit dem Mikrofon einfach mal so über die Bühne läuft, oder es vielleicht sogar nur auf dem Mikrofonständer steht. Deswegen schrieb ich ja: "Das Gesangsmikrofon hat hier die gleichen "üblichen" Positionen, wie beim Einpfeifen.". Man kann nur die Situationen erfassen, die man auch mit der anderen Methode unter gleichen Bedingungen erfasst.


    Auch was Gert sagt:

    Ja, in letzter Zeit habe ich auch oft gar nichts an den Monitoren gemacht und es hat fast immer ohne Pfeifen geklappt. Inzwischen sind viele Bands da viel disziplinierter was Lautstärke anbelangt und das finde ich aus sehr vielen Gründen gut so (Besserer Sound, Belastung des Gehörs, weniger Stress.... usw.). Dann kommt aber doch mal wieder so ne alte Rockband, die einfach taub ist und will "volles Brett" und das Mikro auch mal am Kabel zum Monitor hin herunter baumeln lassen.... Da ist eh alles verloren.


    Eine gute Vorbereitung der Monitore lässt aber meiner Meinung nach dann Fälle zu, die irgendwo dazwischen liegen. Generell ist es aber auch so, dass das Bedürfnis danach mit steigender Qualität des Equipments (Monitore und Mikrofone) sinkt. Die größten relativen Verbesserungen durch Einpfeifen/Einmessen bekommt man mit schlechten Monitoren und Mikrofonen hin, weil man da halt von einem sehr niedrigen Level startet.


    Will sagen Linear ist in dem Zusammenhang oft garnicht gewollt.

    Deswegen schrieb ich ja auch:

    "Auch kann man hier von einer "geraden" Sollkurve abweichen und die Kurve der Monitoranwendung anpassen."

  • Wir hatten früher zum überwiegenden Teil die Beschallungssituation, dass die Maximallautstärke nicht durch die PA begrenzt wurde, sondern dadurch, dass keine Rückkopplungen im Gesangsmikrofon auftreten und der Sänger trotzdem noch die selbe Lautstärke hat wie die Gitarren. Darum liegt mir halt seit dem ein möglichst feedbackarmes Monitoring sehr am Herzen. Klingen solls für den Musiker natürlich auch noch.

    (Das Gate auf der Kick war auch nicht aus "soundgestalterischen" Gründen meist obligatorisch)


    Zum Einpfeifen:

    Man muß es ja nicht bis zur richtigen Rückkopplung kommen lassen, sondern nur Anheben bis es anfängt sich aufzuschaukeln und dann rausziehen. Heutzutage braucht man ja auch nicht mehr die 31 Schieber am Terzband alle einzeln der Reihe nach bemühen, sondern kann am Digitalpult den parametrischen mal kurz durchsweepen, das geht ja auch viel schneller.

    Viele Grüße,
    Fux

  • Wichtig ist, dass ein Anregungssignal vorhanden ist, d.h. Musik oder ähnliches läuft.
    Dann gibt's z.B. in SATlive einen 'Trigger - Freeze', so dass nur ein extrem kurzes Pfeifen nötig ist.
    In der Vorbereitung ist es sehr wichtig zu schauen, dass die Situation möglichst konsistent ist, d.h. keine 3 cm Verschiebung der Mikropositon ein völlig anderes 'Pfeifbild' ergibt.

    SIM II Operator and Dante Level I-II-III (alles sogar zweimal :)
    Jugendschwimmabzeichen, Rettungsschwimmabzeichen in Bronze
    Meine kommerziellen Softwareprodukte SATlive und LevelCheck

  • Nee, aber was ich mir von einem Kollegen abgeguckt habe ist, einen simplen RTA mit zu nehmen um dann die korrekte Frequenz zu ziehen…


    Ich mache oft Monitor für Festivals, und da sind HipHop oder Reggae häufiger dabei, wo es regelmäßig an die Grenze des physisch machbaren geht, und das bei ordentlichen Wedges (JBL M20/22, d&b, L‘Acoustics). Da komm ich nicht drumrum, die Bühne abzulaufen mit gecupptem Mikro und Mikro in die Wedges oder ins Sidefill halten.

  • Nee, aber was ich mir von einem Kollegen abgeguckt habe ist, einen simplen RTA mit zu nehmen um dann die korrekte Frequenz zu ziehen…

    Mit Spectrogramm (z.B. SpectroPro für ios) geht das richtig gut. Trifft exakt und gibt einem mit Pausentaste auch genug Zeit zum ablesen.


    Das mit dem Messmikro hab ich mal probiert, bringt aber nur was, wenn der Hersteller nicht ordentlich gearbeitet hat und man noch irgendwelche fiesen, schmalbandigen Lautsprecherresonanzen wegfiltern muss. Was mittlerweile aber quasi nicht mehr vorkommt.


    Ansonsten, wenn ich die Wedges und deren Abstimmung bzw. die akustische Umgebung nicht kenne gibt es als erstes eine kurze Runde mit Musik aus der Dose - das hilft oft schon mal für breitbandiges Grundtuning.


    Allerdings: Wenn ich eh schon am messen bin und so einen „Sonderfall“ wie Kugelheadset auf Monitor habe, dann mache ich das auch noch schnell mit der Dual-FFT. Funktioniert für den Fall auch ziemlich gut.

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • zum einstellen der monitore mache ich gewöhnlich mehrere schritte. der erste schritt ist, mir die wiedergabekurve von einem der monitore mittels messmikro anzusehen und dann zu entscheiden, ob und wo ich eingreife. ich versuche hier tatsächlich, ein einigermaßen linares ergebnis zu erzielen. sodann spreche ich in ein mikrofon und höre mir das ergebnis an - und mache evtl. geschmackliche anpassungen. danach kopiere ich die gefundene einstellung auf die anderen wedges (wenn sie denn hoffentlich vom gleichen typ sind!)

    bei meinen eigenen wedges brauche ich das bis hier her natürlich nicht mehr machen, die kenne ich ja.

    im nächsten schritt nehme ich mein tablet und gehe zu jedem einzelnen gesangsmikro und höre es mir - zusammen mit der PA - an seiner jeweiligen position an. dort mache ich dann, wenn erforderlich, wieder geschmacksanpassungen.

    den letzten schritt unterstütze ich seit vielen, vielen jahren stets mit einem RTA programm auf dem smartphone (in meinem fall: "Sound Spectrum Pro" auf Android), mit dem ich problematische frequenzen zielsicher finden kann.


    von einem grundsätzlichen einpfeifen bis zur feedbackgrenze habe ich mich schon vor vielen jahren entfernt. ich finde das nimmt den monitoren sehr oft ihre durchsetzungskraft.

    aber es gilt wie immer: es gibt auch situationen, da muss man "auf kante nähen" und fährt dann gut, wenn man die kritischen frequenzen kennenlernt, damit man sie bei bedarf einfach schneller ziehen kann.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • […]

    aber es gilt wie immer: es gibt auch situationen, da muss man "auf kante nähen" und fährt dann gut, wenn man die kritischen frequenzen kennenlernt, damit man sie bei bedarf einfach schneller ziehen kann.

    Absolut, oft gehe ich an die Feedback Grenze und setze mir die entsprechenden Frequenzen iM PEQ ohne sie zu ziehen - damit ich im Falle des tauben Rappers mit schlechter Mikrofontechnik bereit bin

  • Neben der Pegelbedingung haben wir ja auch noch die Phasenbedingung - es pfeift ja nur bei einer Mitkopplung, nicht bei einer Gegenkopplung.


    Bei hohen Frequenzen ist das ziemlich egal, da Peaks im Frequenzgang (Gesamübertragungsfunktion inkl. Mic und Lautsprecher) selten so schmalbandig sind, dass nicht irgendwo die Phasenbedingung erfüllt wäre. Zudem gerade das Mikrofon des Lead-Sängers auch noch über die gesamte Bühne bewegt wird, da ändert sich die Phasensituation noch viel stärker als die Pegelsituation.


    Je tiefer die Frequenz, desto mehr spielt die Phasenbedingung auch in der Praxis eine Rolle. Da mit dem EQ alles raus zu ziehen, was im Mess-System problematisch aussieht, greift auch an Stellen ein, an denen das gar nicht nötig ist. Was sogar Probleme erst schaffen kann, da der EQ neben dem Frequenzgang auch den Phasengang verändert.

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