Chor in schwieriger MZH

  • Hallo zusammen


    Die letzten Tage hatten wir die Aufgabe, einen Laienchor mit Band (Perkussion, Bass, Keys) in einer Mehrzweckhalle zu verstärken.


    Die Halle ist im Grunde genommen eine Turnhalle mit Bühne, Wände aus Glas, Beton und Metall. Einmal in die Hände geklatscht, hört man sich auch mehrere Sekunden später noch selber. Fassungsvermögen ist so um die 400 Personen.


    Aufgrund der Akustik war die Idee, L/R mit grossen Horntops zu fahren, ein Frontfill und eine Delaylinie sollten für noch mehr Klarheit sorgen.


    Tag 1 war Aufbau und Probe. Wir hatten die Main-PA (L/R) und beschäftigten uns primär damit, kritische Frequenzen zu beseitigen und das System möglichst optimal zu entzerren. Der Sound war noch relativ matschig, undefiniert und die Reflexionen waren deutlich hörbar.


    Tag 2 stellten wir die Delaylinie und ergänzten das Frontfill. Das führte bereits zu einer klaren Verbesserung. Der Sound wurde definierter und druckvoller bis an das Ende der Halle (ca. 20m vom PA entfernt), ohne dass man die Delaylinie als solche bewusst hörte. Wass uns aber am Ende doch überraschte war der Effekt, den wir durch das Delayen (Haas) der Chor- und Bandmikrofone erzielen konnten. Es handelte sich zwar nur um rund 2.5m, aber das bewirkte ungeahnt viel. Der Sound wurde subjektiv druckvoller, definierter und ortbarer. Es wurde aufgeräumter im Sound.


    Theoretisch war mir schon klar, dass man das so hätte erwarten können. Aber wie krass man das doch hören konnte, überraschte mich am Ende doch.


    Ich weiss nicht, ob man das in diesem Szenario so extrem gut hören konnte, weil die Akustik schwierig war, oder weil wir uns sehr darauf konzentriert haben. Vielleicht mögt ihr da wertvolle Erfahrungen dazu teilen?

    Der Ton macht die Musik.

  • Wass uns aber am Ende doch überraschte war der Effekt, den wir durch das Delayen (Haas) der Chor- und Bandmikrofone erzielen konnten.

    Habt ihr tatsächlich „gehaast“, also das verstärkte Signal nach dem akustischen Original beim Zuhörer eintreffen lassen, oder habt ihr die Beschallung auf die akustische Laufzeit angepasst?

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe. Der Unterschied zwischen "akustische Laufzeit" und "Haas" wäre, dass beim Haas die erste Wellenfront beim Publikum eintrifft, während bei der akustischen Laufzeit quasi alles zur selben Zeit eintrifft?


    Wir haben das jedenfalls so gemacht:


    Abstand vom Mikrofon zur Austrittsfläche des LS gemessen, ein wenig mehr Zeit dazugegeben, so dass der Eindruck entstand, man würde den Chor fast unverstärkt von der Bühne hören.

    Der Ton macht die Musik.

  • Ich mache panning mittels Laufzeit sehr gerne bei Sprache.

    Oft steht ein Rednerpult auf einer BühnenSeite. Hier dann eine Subgruppe inkl. Verzögerung auf die gegenüber liegende PA-Seite, während die bei den Sprecher unverzögert bleibt.


    Das hat zwar mit Haas nichts zu tun... Aber mit Verzögerung anstatt Pegel Änderungen...

    Und das ist nun Dank der Digipulte immer mit an Bord!


    Ich haase meist, wenn ich zusätzlich zu meiner PA etwaige bestehende Hallen-Beschallung mit verwende. Die bekommt bei mir dann immer eine Verzögerung, da ich die Hauptabbildung mit meiner PA erzeugen will...

    LG

    dd

  • das von dir beschriebene verzögern der chormikrofone habe ich auch schon gemacht. der grund war, dass die PA relativ nah am publikum stehen musste und in der probe eine frau zu mir sagte, dass "die boxen zu laut sind". nach dem verzögern der mikros kam dann keine meldung mehr von vorne... und mir hat es auch gefallen. ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Ich frage mich aber immer noch, ob diese extreme Ausprägung des Effekts der Verzögerung primär wegen der ungünstigen akustischen Verhältnisse im Raum wahrzunehmen war, oder ob das auch in einer völlig unproblematischen Open Air Situation so krass gewesen wäre.


    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich dem Thema Haas offenbar bisher nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe.

    Der Ton macht die Musik.

  • Das Verzögern der Chormikrofone mache ich auch meistens, und hat oft einen positiven Effekt.

    Der Einfluss nimmt ab je lauter die Beschallung wird....


    Je nach Begleitung des Chores muss man aber auch aufpassen.

    Beispiel:

    Drumset vor dem Chor, das viel in die Chormikrofone überspricht.

    Da kann das Verzögern nach meiner Erfahrung sogar kontraproduktiv sein. Ich habe eh schon eine Laufzeit vom Schlagzeug zu den Chormikros, aber in die falsche Richtung....

    (und ja, ich würde hier eher an der Abschirmung vom Drumset oder Ausrichtung der Chormikrofone zum Ausblenden des Schlagzeugs arbeiten, man kann aber leider nicht immer alles haben... ;) )

  • Ich frage mich aber immer noch, ob diese extreme Ausprägung des Effekts der Verzögerung primär wegen der ungünstigen akustischen Verhältnisse im Raum wahrzunehmen war, oder ob das auch in einer völlig unproblematischen Open Air Situation so krass gewesen wäre.


    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich dem Thema Haas offenbar bisher nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt habe.

    In meiner Erfahrungswelt war es bisher so, dass ich den Haas möglichst nicht angewendet habe, wenn die Umgebung vergleichsweise trocken ist.

    Das rührt wohl daher, dass ein verzögertes, dem akustischen Original gegenüber fast gleich lautes, Signal vom Hörempfinden als akustische Reflexion eingeordnet wird. Wenn es aber gegenüber der akustischen Umgebung aus dem gewohnten Rahmen fällt, kann es jedoch seltsam bis störend wirken.


    Also ist (m.M.n.) die Chance Haas anzuwenden in einer bereits stark reflektierenden Umgebung natürlicher.


    Man muss aber auch unterscheiden, was auf dem Programm steht: (klassischer) Chorgesang lebt u.a. von unterstützenden Reflexionen, bei Sprache kann sich das wiederum unangenehm äussern. Bei transientenlastigem Programm kann man u.U. mit grösserem Nachhall leben, solange es keine störenden "attackverschmierenden" Erstreflexionen (bzw. "gehaaste" Delaybeschallung gibt.

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  • Was im EIngangspost beschrieben ist kenne ich so 1:1 von Beschallungen in Kirchen.

    Da wird es auf den Emporen immer besonders interessant, da es da oft nicht das "richtige" Delay gibt.


    Da ich die Delaylines und Fills (und natürlich Hauptanlage) meist einfach aus der Matrix unseres Pultes auskopple, kann ich mich einfach mit einem Tablet an die Position der Zühörer begeben und dann Pegel und Delay einstellen.

    Der David hat mir dafür in Mixingstation extra eine entsprechende Ansicht gebaut.


    Man hört schon sehr deutlich, wenn Pegel und Delay passen.


    zu wenig Pegel - Delayline an/aus macht keinen nennenswerten Unterschied

    zu viel Pegel - Delayline an/aus lässt die Ortung unabhängig vom Delay immer zur Delayline springen


    zu wenig Delay - Ortung ist auch bei geringem Pegel immer bei der Delayline

    zu viel Delay - perkussive Signale werden verschliffen / Attack ist doppelt zu hören


    passendes Verhältnis - anschalten der Delayline bewirkt eine deutliche Pegeländerung und bessere Sprachverständlichkeit, Ortung bleibt vorn bei der Hauptanlage, perkussive Signale haben einen sauberen Attack


    Wenn man das im Hinterkopf hat, dann kann man einfach Pegel und Delay schrittweise angleichen und immer mal zwischendurch mit an/aus kontrollieren, das man sich nicht nur was einbildet.

  • Ich mache panning mittels Laufzeit sehr gerne bei Sprache.

    Oft steht ein Rednerpult auf einer BühnenSeite. Hier dann eine Subgruppe inkl. Verzögerung auf die gegenüber liegende PA-Seite, während die bei den Sprecher unverzögert bleibt.

    Kurze Zwischenfrage zum Routing:

    Du nimmst das Monosignal (Redner-Mikrofon-Input) auf 2 Subgruppen, welche separat auf Front-L & Front-R gehen, und schickst das Redner-Mikro-Signal mit Verzögerung auf die weiter entfernte Seite (z.B. Front-L) ? Machste das auch für Front-R, jedoch mit weniger Verzögerung ?


    Könnte man ja dann auch mit 2 Schwanenhals-Mikros machen, die direkt nebeneinander am Pult sind, wobei man das Linke Mikro (vom FOH aus gesehen) auf Front-PA-L und das Rechte Mikro auf Front-PA-R mit der jeweiligen Verzögerung routet...


    Wäre dann ja noch interessant, ob man als Verzögerung den Abstand zwischen Redner und Lautsprecher nimmt, oder den parallel zur Rampe verlaufenden Versatz in Metern + "den "weiteren" Weg zum entfernteren Lautsprecher noch bißchen länger" macht ?!


    ...jetzt interessiert mich die Praxis :) - ist ja eh bißchen Offtopic, aber passt ;)

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, "Jungfrau von Orleans" )

  • Hi,

    Wenn man im sweet Spot einer Stereo Beschallung ist, und eine Seite ~1,5ms Verzögerung hat, empfindet man bereits 100% panning dorthin. Das ganze kommt eigentlich von der Äquivanelz (AB) Stereoabnahme...


    In der Praxis sind es bei mir eher 4-10ms (je nach Bühne Breite+ Saaltiefe), da es dann auch besser für die Personen näher an der Verzögerten Seite funktioniert. Wenn man's jedoch übertreibt, kann es für die andere Seite (näher der unverzögerten PA) schnell zu störenden Echo werden... (Digital Verzögerung + tatsächliche Laufzeit > 30ms)


    Bzgl. Routing:

    Es reicht 1 Mono Subgruppe, denn sie nähere PA lasse ich ohne Verzögerung. Pan vom Kanal auf Anschlag zur unverzögerten Seite.(! Wichtig sonst baut man sich einen tollen Kammfilter!!)

    Und Pan von der Gruppe auf die andere PA Seite.


    Da fällt mir ein, die "Grundverzögerung" könnte man mit dem Input Delay machen.


    Deine Idee mit 2 Mikros ginge natürlich auch. Kannst auch 1 Mikro nehmen und auf 2 Kanälen auflegen...


    Solche Delay Panings hab ich bereits zu Analogmischpult Zeiten mittels dem Behringer DEQ9624 gemacht... ;) tolle Kiste war das - die war immer mit dabei!


    Da gab's mal ein Digitalpult, welches Laufzeit + Levelpaning für die Inputs konnte ...


    Aber wie gesagt, mit dem Haas-Effekt hat das nichts zu tun...