Radikale Methode: Ein Hallraum für Alles

  • Moin,

    ich bin vor ein paar Wochen über einen Artikel gestolpert, der Folgendes vorschlägt:

    Ein Hallraum für Alles, Instrumente, Vocals. Nur die Send-Intensität und das Pan entscheidet, wo das Element in diesem Raum landet.

    Ich fand das spannend, denn im Grunde ist es ja nicht natürlich, auf der Snare einen Plattenhall, auf der Akustik-Gitarre einen Raum und auf Vocals einen anderen Raum zu applizieren.

    Also habe ich es mal ausprobiert, in einem Szenario, bei dem ich mich erstmal nicht mit Songpausen und den dadurch entstehenden Routing-Schwierigkeiten für die Vocals auseinandersetzen musste:

    DJ + Schlagzeug. Gechillte Musik Open Air. Ich fand, das war ein perfektes Versuchsobjekt.

    Was habe ich gemacht? Einen Hallraum gesucht, der dem Schlagzeug und der Location angemessen war. Das Schlagzeug auf den (Stereo-)Aux gesendet (Pan-Link mit Master), alle Kanäle. Snare und Toms mehr, Bass Drum und Cymbals weniger. Dann habe ich das DJ-Signal in den selben Send geschickt, bis es auf dem Platz so richtig kuschelig klang. Das Ganze lief dann 2 Stunden.
    Am Ende hat der DJ eine Absage gemacht und ich hab mich ein bißchen erschrocken, wie viel ich tatsächlich in den Hallraum gesendet hatte. (DJ-Mikrofon lief über das DJ-Pult).
    Es gab viel Lob für den Sound, von verschiedenen Menschen, deren Urteil ich schätze. Kann also nicht ganz verkehrt gewesen sein, der Ansatz.

    Jetzt würde ich dieses Konzept gerne ausfeilen, mit einem Setup, welches es ermöglicht, Vocals in Songpausen für Ansagen auf dem Send zu muten. Erste Idee: zwei Stereo-Auxe für den Send, für Instrumente und Vocals. Diese zwei Sends auf einer Stereo-Matrix summieren und als Effekt-Send nutzen. So kann ich einen Aux-Send muten. (Stereo-Send halte ich hier für essentiell)
    Alternativ: Noch mehr Sends mit Delays, um die Tiefenstaffelung zu verbessern. Es wird immer noch der gleiche Hallraum benutzt, aber mit verschiedenen Pre-Delays.

    Fragen: Hat schon jemand sowas probiert? Hat jemand eine Idee, wie ich evtl. mit weniger als 3 Stereo-Bussen für den Send auskomme?

  • Ist halt vom Pult abhängig (Stichwort Node Processing)

    Signalabgriff Aux vor dem Kanaldelay (A&H z.B.), dann kann man mit dem Delay das Drumset nach hinten schieben (machen eh einige gerne), das Predelay vom Hall wird jedoch im Verhältnis verkürzt (was beim natürlichen Verschieben auch so passiert)


    Die separaten Sends haben allerdings den Vorteil, dass man ggfs ausgewählten Instrumenten bei höheren Frequenzen im Hallweg ein wenig hinzugeben oder wegnehmen kann, das wünscht man sich ja auch nicht immer für alle gleich.


    Ansage ginge mit gedoppeltem Vocalkanal, evtl. sogar mit Postfade-Duckingschalte für den Singkanal.


    Interessantes Thema.

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    Einmal editiert, zuletzt von audiobo ()

  • Die Idee ist sehr cool glaube ich, hatte immer mal wieder einen ähnlichen Ansatz für z.B. Lead- und Backingvocals wo ich einen identischen Raum mit fast gleichen Settings aber unterschiedlichen PreDelays genutzt hatte, wie du auch beschreibst lässt sich damit schön alles irgendwie '"natürlicher" machen und trotzdem gewünschte Signale weiter nach vorn holen, hat mir immer gut gefallen.

    Ich habe gerade ein bisschen überlegt, die Matrix-Lösung erscheint mir die besste für dein vorhaben. Alternativ kannst Du evtl auch spezifische Signale vom Send runternehmen (anstatt muten), also z.B. bei dLive und Co. über den Routing tab, vom entsprechenden Send runternehmen.

    Das ist halt etwas "frickelig", gerade bei mehr Kanälen die runter sollen vom Send.

    Evtl. kann man sich je nach Pult was basteln über eine "Bookmark"-Funktion auf einem User Key die die entsprechende Page/Tab direkt aufruft aber würde hier schon fast dazu übergehen doch die Matrix-Nummer zu machen. Am Ende kommt man ja grundsätzlich mit 2 Bussen aus: 1x "bleibt auf dem Rev" und 1x "muss in Ansagen aus", z.B. alle Vocals, das ist ja grundsätzlich noch überschaubar.


    Evtl. geht auch was mit Szenen in denen man alles "Recall-Safe" setzt ausser dem Fx-Send Level bestimmter Kanäle.

    Für spontane Geschichten oder wenn etwas anderes Priorität hat klingt die Matrix-Nummer aber finde ich ganz sinnvoll, wenns nur um Busse geht: man hat ja nicht mehr als mit einzelnen Hallräumen.

  • Einen Raum finde ich OK, aber alle das gleiche Predelay bedeutet, dass hier über den Reverb keine Tiefenstaffelung möglich ist. Daher würde ich dann eher 2-3 Instanzen des gleichen Reverbs nehmen mit unterschiedlichen Predelays.

  • Passiert die Tiefenstaffleung im (Hall-Raum) wirklich über das PreDelay? Ich dachte, dass es vorallem die 'virtuelle Raumgröße' beeinflusst.

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  • Ich denke schon, daß das Predelay hier eine entscheidende Rolle für die Tiefenstaffelung spielt. Und das Send-Level. An sich wäre es ja auch das Early-Reflections-Profil, das wird aber schwierig und wäre nur mit mehreren Instanzen zu erreichen.
    Die Idee mit mehreren Instanzen hatte ich auch schon, aber direkt verworfen, weil eine Anpassung einzelner Parameter immer in allen Instanzen durchgeführt werden muß, das ist mir deutlich zu fummelig. Oder es gibt eine Möglichkeit, diese Parameter zu koppeln.

    Eine Idee ist gerade ein Multikanal-Hallgerät, wie der Yardstick 2498. Das würde weitere Möglichkeiten eröffnen.

  • Ein Vorteil des "1x Hall für alles" wäre dann noch, das man mit sehr geringem Verkabelungsaufwand seinen Lieblingshall (19" oder SoftwarePlugIn) überall einbinden könnte.

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  • ...mal ganz interessehalber gefragt:


    Welches Pult hat ein Delay DIREKT im Aux-Send drinne :?: Also mir ist keines bekannt... :/


    Bei der Herangehensweise (Staffelung durch delayen) kannste auch nur 'ne Menge Busse oder Matrizen verbraten, sofern diese dann auch in die FX-Engine routbar sind...

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, " Jungfrau von Orleans")

  • Passiert die Tiefenstaffleung im (Hall-Raum) wirklich über das PreDelay? Ich dachte, dass es vorallem die 'virtuelle Raumgröße' beeinflusst.

    Klar, hohes Predelay lässt das Signal näher bei Dir erscheinen, da erst das Direktsignal kommt und mit Verzögerung die Reflexionen. kleines Predelay Direktsignal und Reflexionen kommen fast gleichzeitig, Instrument muss weiter weg sein.

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    Jetzt würde ich dieses Konzept gerne ausfeilen, mit einem Setup, welches es ermöglicht, Vocals in Songpausen für Ansagen auf dem Send zu muten. Erste Idee: zwei Stereo-Auxe für den Send, für Instrumente und Vocals. Diese zwei Sends auf einer Stereo-Matrix summieren und als Effekt-Send nutzen. So kann ich einen Aux-Send muten. (Stereo-Send halte ich hier für essentiell)
    Alternativ: Noch mehr Sends mit Delays, um die Tiefenstaffelung zu verbessern. Es wird immer noch der gleiche Hallraum benutzt, aber mit verschiedenen Pre-Delays.

    Fragen: Hat schon jemand sowas probiert? Hat jemand eine Idee, wie ich evtl. mit weniger als 3 Stereo-Bussen für den Send auskomme?

    Moin spanendes Thema


    Wenn Kanäle im Pult frei sind könnte man Teile der Inputs doppeln und das Input Delay des gedoppelten Kanals nutzen.

    Voraussetzung ist das man die Kanäle linken kann und die Input Delays, Aux Sends und Sub Gruppen Zuordnung davon ausschließen kann.


    Alternativ dazu könnte man auch post Fade Direct Outs auf einen 2ten Input Routen.

    Würde sich für die Vocals anbieten. Dann könnte man Die Vocal Pre Delay Kanäle über einen DCA/VCA regeln und oder muten.


    Oder Du bestellst Dir eine passende SD oder Quantum mit Theater Software da hat jeder Cross Point der Matrix ein eigenes Delay 😉

  • Der Threads ist in der Tat interessant.

    Ist das über Matrix oder Kanal doppeln nicht alles viel zu kompliziert? Ich kann mir bisher nicht vorstellen, dass der Effekt tatsächlich dann so groß ist.

    Der Grundgedanke, wenn ich es richtig verstanden habe, ist doch, das Geschehen näher an natürlichen Sound zu bringen. Beispiel: ein Orchester spielt unverstärkt in einem akustisch optimalen Raum, dann bekommen alle Instrumente den gleichen "Effekt" bzw Raumakustik ab. Oder ein Chor in einer Kirche. Ich nutze oft bewusst nur einen Reverb und hab damit sehr gute Ergebnisse, natürlich immer Abhängig vom musikalischen Material. Ne 80er Jahre Rockband mit nem bestimmten Reverb auf den Drums, der soundprägend ist, wird davon nicht profitieren. Aber klassische Musik, Jazz, evtl Bigband, akustische Musik generell etc.

  • Irgendwie klingt die Idee für alles ausserhalb Klassik und vielleicht für so etwas wie Hintergrund DJ nicht sehr zielführend. Das mache ich so eigentlich nur bei reinen Klassikbeschallungen, und dann nur mit einem Haupthall für alles.


    Bevor ich dann noch anfange, den gleichen Hall mit unterschiedlichen Predelays zu verwenden, um Tiefenstaffelung zu erreichen, kann ich ja gleich wieder unterschiedliche Hallprogramme verwenden, damit ist das dann einfacher ... und ein Effekt muss in Popmusik ja nicht mal etwas mit "echtem Raumklang" zu tun haben.

  • Grundvoraussetzung für die ein Hall Idee ist die Akustik der Location.

    Wenn man das in einen anstrengenden Raum mischen muss dann wird man den Effekt weniger wahrnehmen.

    Ein Open Air ist natürlich perfekt dafür.


    Aber ich glaube das man das in abgewandelter Form auch bei einer Rockband umsetzen kann. Z.B. Tiefenstaffelung der Main Vocals zu Backings zu Instrumenten.

    Die typischen 80er Jahre Drum FX oder den 5sec Gnadenhall kann man ja trotzdem noch drüber Bügeln.

  • Ich mach das Ganze auch öfter.

    Basis: ein Hall z.B. für Drums der zur Location passt und dann copy paste mit angepasstem Predelay für den Rest. Meistens kommt man mit 2-3 Auxen/Engines schon ganz cool klar.

    Gerade bei ruhigeren Nummern auch sehr schön für Lead- und Backings. Dafür mehrere Auxen/Engines zu spendieren hat den Vorteil, schnell auf wechselnde Lead-Sänger reagieren zu können. Und: auch der Höhebanteil trägt zur Tiefenstaffelung bei, da kann man auch schön variieren.

  • Irgendwie klingt die Idee für alles ausserhalb Klassik und vielleicht für so etwas wie Hintergrund DJ nicht sehr zielführend. Das mache ich so eigentlich nur bei reinen Klassikbeschallungen, und dann nur mit einem Haupthall für alles.


    Bevor ich dann noch anfange, den gleichen Hall mit unterschiedlichen Predelays zu verwenden, um Tiefenstaffelung zu erreichen, kann ich ja gleich wieder unterschiedliche Hallprogramme verwenden, damit ist das dann einfacher ... und ein Effekt muss in Popmusik ja nicht mal etwas mit "echtem Raumklang" zu tun haben.

    Das Predelay würde ich nicht im Hallprogramm machen, sondern in der Send-Logistik (Beispielsweise mehrere Auxe in eine Matrix, auf den Auxen entsprechend Delays und High Shelving für die Tiefenstaffelung). Und dann mit einem Stereo-Send auf den Haupthall.
    Mehrere Hallprogramme, die ähnlich sind, aber verschiedene Predelay-Zeiten haben, finde ich überhaupt nicht zielführend. Wenn ich da was ändern möchte, müsste ich es in allen Programmen machen. Dann kann ich auch wieder die alte Methode mit weiteren verschiedenen Parametern anwenden, also auch mit Halbzeiten etc. Staffelung schaffen.

    Und ja, dort wo Effekt gewollt ist, passt diese Methode nicht. Da fallen mir viele Bands ein, die ich gemischt habe.
    Aber ich habe im Moment eher FOH-Mixe, bei denen das schon passen könnte. Plus Delay auf Vocals in bestimmten Songs, wo der Return auch wieder im Haupthall landen kann.

    Ich muß also aufpassen und erkennen, wann diese Methode angebracht ist und wann nicht. Dabei werde ich auch mal Grenzen überschreiten und feststellen, daß das jetzt doch nicht so toll ist. Und kann dank heutzutage gut verfügbarer Effekt-Maschinen direkt im Pult im Zweifel schnell umschwenken.

  • Ich mach das Ganze auch öfter.

    Basis: ein Hall z.B. für Drums der zur Location passt und dann copy paste mit angepasstem Predelay für den Rest. Meistens kommt man mit 2-3 Auxen/Engines schon ganz cool klar.

    Gerade bei ruhigeren Nummern auch sehr schön für Lead- und Backings. Dafür mehrere Auxen/Engines zu spendieren hat den Vorteil, schnell auf wechselnde Lead-Sänger reagieren zu können. Und: auch der Höhebanteil trägt zur Tiefenstaffelung bei, da kann man auch schön variieren.

    Guter Punkt: Wechselnder Lead. Das ist ja grundsätzlich ein Problem, wenn es schnell passiert. neuer Lead müsste lauter, weniger auf den Send und weniger Predelay kriegen. Tricky...

  • Mehrere Hallprogramme, die ähnlich sind, aber verschiedene Predelay-Zeiten haben, finde ich überhaupt nicht zielführend. Wenn ich da was ändern möchte, müsste ich es in allen Programmen machen.

    das ist natürlich eine frage der arbeitsweise. das mache ich seit jahrzehnten ganz einfach mit abgespeicherten effekten, die ich dann bei bedarf recalle.

    und ich passe meine effekte eher auf die songs an, nicht auf die saalakustik.

    natürlich versuche ich auch, mit EQ ein bisschen auf den saal einzuwirken. aber ehrlich gesagt mache ich da meist nicht sehr viel. wenn ich einen halligen raum habe, sende ich eher deutlich weniger effekt auf die summe. das hilft mir persönlich mehr.


    "ein effektgerät für alles" hatte ich früher, zu analogzeiten, recht oft ;)

    damit kann man auch schon nette effekte erzielen, wenn man richtig damit umgeht. man muss seine arbeitsweise dann eben anpassen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Tatsächlich haben wir das ja schon, wenn wir uns in einem Raum befinden. Dann müssen wir ja keinen Hallraum im eigentlichen Sinne bauen, der ist ja schon da. Also geht es eher in Richtung Effekte, die nicht hauptsächlich etwas mit Raumeindruck zu tun haben müssen.

    Mir wird gerade immer klarer, daß die Methode "Ein Hallraum für Alles" Open Air am interessantesten ist.