Windanfälligkeit aktueller Line-Array Systeme (besonders L-Acoustics)

  • Hallo Kollegen,


    dieser Beitrag richtet sich eher an die professionellen Systemer unter euch. In den letzten Jahre hatte ich sehr viel mit größeren Line-Array Setups zu tun, hauptsächlich L-Acoustics K2 und auch K1, meistens 12-15er Hangs. Diese Systeme hatte ich pre-Corona Openair immer als recht windstabil bzgl. HF Performance in Erinnerung, KARA dito. d&b J-Series empfand ich hingegen, wenn es mir mal begegnet ist, als sehr windanfällig.

    Vor allem in diesem und auch im vergangenen Jahr hatte ich diverse Open-Air Erlebnisse mit L-Acoustics Produkten, wo sich der frühere Eindruck verändert hat. Allermeistens Situationen mit 4-5 stelliger Besucherzahl, FOH typischerweise 50-60m von der Bühne entfernt, Wurfweite der Main Hangs war meist auf 80-90m gerechnet, oftmals keine Delay-Line. Sowohl KARA als auch K2 und K1 erscheinen mir in diesem Kontext in jüngerer Zeit SEHR windanfällig. Selbst bei sanften Brisen verweht es das HF sehr stark. Meinem Eindruck nach war das früher kein Problem. Bei meinen spärlichen Begegnungen mit KSL und GSL war dieses Verhalten ebenfalls festzustellen. Ich wundere mich jedoch, warum sich L-Acoustics Arrays diesbzgl. - meinem Eindruck nach - verändert (verschlechtert) haben. Die Hardware ist dieselbe wie vor Jahren. Neu wäre allerdings bswp. die mittlerweile sehr etablierte Auto-Filter Funktion, die - ähnlich Array-Processing bei d&b - Pegel-Verteilung und Frequency Response über die Zuhörerfläche möglichst gleichmäßig abbilden soll. Wirken sich diese Algorithmen möglicherweise auf die Winstabilität aus? Welche sonstigen Faktoren kommen in Frage? Dies würde ich gern einmal zur Diskussion stellen.


    PS: sämtliche Systeme, die mir bei diesen Beobachtungen begegnet sind, wurden professionell gerechnet und betreut. Anwenderfehler können daher ausgeschlossen werden.


    Beste Grüße!

    Wenn's nicht rockt isses für'n Arsch...

  • sorry, wenn ich jetzt was dazu schreibe, denn ich bin kein systemer solcher systeme und ich habe auch nur noch selten etwas mit so großen beschallungen zu tun.


    wenn es den hochton "verweht", dann sind das doch physikalisch erklärbare effekte.

    mein verständnis dazu: je enger die hochtonzeile horizontal abstrahlt, desto stärker müsste der effekt ausfallen.

    so wie ich das sehe, waren deine beobachtungen entweder durch unterschiedliche windverhältnisse geprägt, oder man hat die horizontale abstrahlung verändert.


    ich bin aber extrem gespannt, ob es dafür andere erkärungen gibt.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Ich bin auch kein Systemer in der Größenordnung, aber ich habe den Eindruck, das Systeme die nicht mit 0 Grad in den oberen Reihen arbeiten weniger Probleme bereiten als welche die relativ lange relativ gerade sind. Eine mehr oder weniger durchgehende Krümmung ist also gefühlt dem ganzen Zuträglich. Kann das jemand bestätigen?

  • In der Größenordnung bin ich ebenfalls nicht unterwegs, das Phänomen ist aber ja nicht neu und betrifft wohl alle Systeme am Markt.

    das ist ja bei starken Wind auch im Point Source bereich zu beobachten.

  • Das ist komplett nicht meine Liga - aber kann es sein, dass dieses Phänomen mehr mit Psychologie als mit Physik zu tun hat?


    Wenn man was "kennt", dann nimmt man das auch so wahr. Bei dir also L'Acoustic Systeme sind sehr windstabil, d&b sehr windanfällig.


    Triffst du jetzt eine Situation, wo sich die Windanfälligkeit minimal zeigt, wirst du automatisch beim d&b den Effekt als deutlich und ausgeprägt empfinden (weil d&b halt windanfällig ist), während dir dein Gehirn dann sagt, dass das L'Acoustic System nur minimal auf den Wind reagiert. Du hörst also das, was du glaubst zu hören.


    Dieses Phänomen ist ein bekanntes psychologisches Muster und würde deine Beobachtung gut erklären.


    Wenn du jetzt halt plötzlich 2-3 krassere Erfahrungen mit L'Acoustic gemacht hast, wo der Windeffekt (zu) extrem war, kann sich das Ganze ändern.


    Selbsterfüllende Prophezeiung – Wikipedia

    Der Ton macht die Musik.

  • Ich gehöre nicht zu den Großsystemern.


    Allerdings lebte ich bisher mit dem Wissen, dass Wind nicht die Quelle direkt beeinflusst, sondern das Medium. Stichwort Refraktion (Brechung) und Dispersion (bei hoher Luftfeuchtigkeit). Der Schall selbst wird unabhängig vom System immer gleich gebrochen - bei einer 40° breiten Abstrahlung müsste er aber deutlich mehr gebrochen werden, damit die Hörposition aus dem Beam fällt als bei einer Abstrahlung mit 5°.


    Ob mit besser gerichteten System heutzutage dieser Effekt eher wahrnehmbar ist? - das ist auf jeden Fall eine interessante Fragestellung.

  • Man darf aber auch das Medium dahingehend nicht aus dem Blick lassen, das Tom ja letztlich nur Druck Unterschiede sind. Kommt jetzt Wind, also weitere Druckunterschiede von der Seite ist ein verschleifen unvermeidbar. Käme der Wind auf die Bühne zu dann würde sich ein Ton auch erhöhen, da die Welle ja gegen den Wind drückt und andersrum auch.

  • Ich denke, es ist einfach so, dass ab einer gewissen 'Reichweite' der Wind eine Rolle spielt. Wahrscheinlich werden einfach die Entfernungen, die man einem Linearray zutraut (und die es ja indoor und in der Simulation auch meistert) immer größer und somit der Effekt immer ausgeprägter.

    Dazu kommt eventuell auch, dass die Windstärkenänderungen in den letzten Jahren (zumindest subjektiv) zugenommen haben, so dass der Effekt öfters/stärker auftritt.

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  • Ist deine Band vielleicht einfach bekannter geworden und spielt jetzt die slots am festival wo auch die thermik der Zuschauer eine stärkere Rolle einnimmt, weil später am Abend wenn es sich abkühlt?

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

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  • Wird es tatsächlich immer windiger? | MDR.DE
    Egal, ob man auf dem Fahrrad sitzt, oder Balkonpflanzen und –möbel durch die Gegend wirbeln: Gefühlt stürmt es seit einiger Zeit ständig. Aber ist es wirklich…
    www.mdr.de


    Wind ist einfach anders dieses Jahr. Hier im Norden pustet es es deutlich mehr als in anderen Jahren. Im Moment auch gerne warm. Da wird einem Teils der Mund trocken.

    Abgesehen davon haben alle Lautsprecher mit der gleichen Physik zu kämpfen. Die neue Mode, PA so hoch zu hängen hilft dabei auch nicht. Also wie immer: Video hat schuld!

    Practice, Practice, Practice

  • Nachdem ich viele Jahre hauptsächlich mit den großen Systemen unterwegs war, kann ich da durchaus mal ein paar Erfahrungen teilen.

    .....wenn es den hochton "verweht", dann sind das doch physikalisch erklärbare effekte.

    .....


    Dass hohe Frequenzen windanfällig sind, sollte ja allen klar sein. Für die Feststellung, dass es bei großen Systemen auf weite Entfernung auffälliger wird gibt es sehr einfache Erklärungen:

    -auf weite Strecke gibt es mehr Strecke bzw. Zeit um den Hochton zu verwehen

    -wo nix ist kann es auch nix weg wehen


    Hierzu ein paar Erklärungen:

    Dass die Luft zu hohen Frequenzen hin mehr dämpft, sollte bekannt sein. Auch ein noch so großes Line Array wird 20kHz nicht genauso auf Strecke transportieren wie 10kHz. Um das auszugleichen kann man z.B. bei L-Acoustics die FIR Filter bzw. besser den Air Compensations Filter nutzen. Wenn ich so durch eine Anhebung im Hochton (bei genug Headroom) z.B. 10 dB in den angesprochenen Frequenzen auf die 100m lange Reise schicke, gibt es auch 10dB mehr, die es weg blasen kann. Lebe ich mit dem Abfall im Frequenzgang indem ich das nicht, oder weniger tue, wird es auch weniger weg blasen.


    In meinem Anfängen mit großen Systemen (V-DOSC) war das Problem zwar auch hörbar, aber noch nicht so präsent. Allerdings gab es da auch noch keine FIR Filter, mit denen man solche Korrekturen hätte machen können. Auch damals gab es schon die Diskussion, dass es bei Line Arrays (eigentlich gab es ja nur eines) viel HT verweht. Im vergleich zu den alternativen großen Horn Systemen konnte man aber die gleiche Aussage treffen. Da kam in der angesprochenen Entfernung auch bei Windstille nämlich kaum noch HT an den es hätte verwehen können.


    Es läuft also alles mal wieder auf einen kompromiss raus, für den man sich entscheiden muss:

    -brauche ich im Sinne eines möglichst gleichmäßigen Frequenzganges die Anhebung und lebe mit den Windeffekten (es gibt auch windgeschützte Lokations).

    -minimiere ich die wahrnehmbaren Verwehungen indem ich gleich mit dem Abfall im HT lebe

  • Zitat

    Wenn ich so durch eine Anhebung im Hochton (bei genug Headroom) z.B. 10 dB in den angesprochenen Frequenzen auf die 100m lange Reise schicke, gibt es auch 10dB mehr, die es weg blasen kann.

    So ganz sauber ist das nicht formuliert. Der Ansatz hohe Frequenzbereiche auf eine inzwischen weitere Reise zu schicken als vor längerer Zeit machts. (FIR ermöglicht da inzwischen ne Menge mehr). Das bingt natürlich mehr Pegel, aber weggeblasen (weggebeugt) wird immer der gleiche Anteil. Wo aber erstmal kaum was ankommt, wirds auch nicht wahrgenommen.


    Das Verwehen basiert auf Beugungseffekten, Wind, Temperatur und Feuchte spielen eine Rolle. Temperatur/Feuchte bekannt aus dem störenden Tragen der Tiefen zum Abend hin, das Tragen der Tiefen mit dem Wind und eher kurze Reichweite gegen den Wind.


    Die Art der Hängung kann durchaus eine Rolle spielen, waren die Lines sehr freihängend, gab es Windschutz in der Nähe oder verwirbelnde Aufbauten? Hat sich hier im grundlegenden Aufbau drumrum inzwischen was geändert? Windkritisch ist der Nahbereich der Line durchaus, wenn nicht sogar der kritischste.


    Hier könnten konstruktivee Unterschiede greifen, wenn ein System bei Wind gleichmäßer verwirbelt als ein anderes. Kleine Schlitze zwischen den Einzelkomponenten, verdeckte Fronten (wg. Schmutzschutz, Optik etc), Hochton mittig oder am Rand der Einzelkomponenten etc.


    Ob Hersteller ihre Lines mal im Strömungskanal von allen Seiten her "anpusten"?


    Ich widerspreche aber der Behauptung, dass Pointsources, wenn sie denn auf der Distanz den Pegel bringen, genauso empfindlich reagieren.


    Grüße

    Mattias

  • Vlt. ist das der Nächste Entwicklungsschritt. Jetzt haben alle dann Cardio und sowas wie Arrayprocessing. Als nächstes kommen dann die Dinger in den Windkanal. Da der Wind von allen seiten kommen kann wird die Kiste dann Rund? So wie die EAW´s?


    Die Windfestigkeit von Pointsources kann ich mir schon eher erklären. Z.B. bei von Seitenwind von links hört man dann halt das links äußerste top und nicht das Rechte, welches man eigentlich hören sollte.

    Also je breiter die Traube, desto Windfester könnte das ganze sein.


    Vielleicht ist es aber in Summe eher das Einsparpotential wenn man einfach die Delaylines weg lässt. Jedenfalls habe ich den Eindruck das man spätestens seit Corona (Personalmangel, Preissteigerung) einfach eher die Delay weg lässt und dafür lieber 2-4 Tops mehr am Mainhang hat. Durch die verlängerten Abstände kommt nun einem das eigentlich größere System Windanfälliger vor als damals wo dann recht bald eine Delay kam.

  • Wenn ein Line Array prinzipentsprechend korrekt funktioniert ist es per se immer "windanfälliger" als Punktquellen. Da man bei den meisten heutigen Arrays das unterstellen kann (dass sie prinzipkonform funktionieren), gilt die Windanfälligkeit ebenfalls markenübergreifend für alle gleich. Dass bei der einen VA das mehr aufgefallen ist als bei der anderen VA wird eher an der jeweiligen Wetterlage als an der Marke gelegen haben.


    Warum Line Arrays prinzipbedingt "anfälliger" sind wurde hier schon mehrfach dargelegt. Der Pegel fällt bei diesen am Anfang deutlich langsamer ab als bei Punktquellen, daher ihre Reichweite. Wird die Zylinderwelle durch eine Windböe deformiert sackt der Pegel entsprechend deutlich zusammen. Das ist natürlich auffälliger als bei klassischen Point Source Clustern. Die Vorteile von LA in der Großbeschallung überwiegen diesen Nachteil jedoch IMHO bei weitem. Dass man bei entsprechenden Entfernungen dennoch Delay Lines braucht ist keine sonderlich neue Erkenntnis.