Ab wann ist es Leistungserschleichung?

  • Howdy


    Ich hab das Thema etwas provokant formuliert, aber der Hals ist gerade dick.


    Konkretes Beispiel: zwei Tage vor dem Gig Umstellung von konventionellen Monitoring auf Inear. Hardware wird mitgebracht.

    Bei sieben Musikern und ohne technischen Assistenten ist das für mich der Punkt, an dem ich einen Monitormischer benötige (die Band reist ohne Techniker). Wäre Inear im Rider gestanden, hätte ich auf einen Tonkollegen und Monitorpult bestanden. So ist es zu spät.

    Das ganze nervt auch, weil ich das Showfile in einer freien Stunde (wir warten aufs Licht...) schon angelegt habe. Aus einem Rider, der nur so vor Widersprüchen strotzt.


    Konkrete Frage (nicht nur auf meinen konkreten Fall bezogen):

    Ab wann zieht ihr die Reißleine? Oder ist das übliche "The show must go on" wichtiger?

    Ab wann ist es Leistungserschleichung, weil das Team (ich), mehr Arbeit leisten muß, als es sinnvollerweise erledigen kann?


    Gruß

    Rainer


    P.S. das ganze ist im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses. Da kann man die Rechnung leider nicht erhöhen.

    P.P.S. jetzt kommt noch eine Anfrage für einen Mehrspurmitschnitt.

  • Ich vermute mal dass du irgendeine Art von Chef oder so hast, der dann an die entsprechende Band/Veranstalter ne Rechnung stellt oder?

    Quatsch doch am besten mit dem, dass du das nicht im Rahmen deiner regulären Arbeitszeiten schaffen kannst. Dann kann er/sie ggf. nochmal ein neues Angebot nachreichen um dir dann z.B. Überstunden bezahlen zu können…


    Erschleichen von Leistungen wäre es in keinem Fall, es wäre wenn dann ein Betrug. (Also wenn die Band z.B. im Nachhinein nicht bezahlt)

    Das Erschleichen von Leistungen ist folgendes:


    Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten,

  • Wenn mein Arbeitgeber mir den Arbeitsauftrag gibt, eine Band mit Standard Monitoring zu mischen, bin ich genau darauf vorbereitet.


    Ist die Situation dann wie bei Dir beschrieben, greife ich zum Telefon und kläre wie die Situation angegangen werden soll.


    Vielleicht ist es ja nicht das erste Mal, dass so etwas mit der Band/Agentur/Kunden passiert.


    Du hast einen Vertrag mit Deinem Arbeitgeber und bist niemandem sonst etwas schuldig.

  • Die Chancen so was bei einer Tourproduktion nachträglich einzutreiben sind im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die sind weit weg, oft im Ausland und es finden sich im Zweifelsfall 1001 Ausreden wer das jetzt wirklich verbockt hat.

    Wenn schon müsste man da den lokalen Promoter in die Zange nehmen. Da bleiben viele Infos hängen, entweder aus Plan- und Ahnungslosigkeit oder weil man bewusst teure Zusatzanforderungen erst in der letzten Sekunde oder gar nicht kommuniziert, in der Hoffnung dass die Crew vor Ort das dann schon irgendwie hin biegt und die Kosten für das zusätzliche Personal das es dann eigentlich gebraucht hätte wundersamerweise doch nicht angefallen sind.

    Abgesehen davon: Yes, the Show must go on. Allerdings im Rahmen dessen was sicher und sinnvoll möglich ist. Wenn kein Monitormischer und Monitorpult da ist weil *siehe oben* gibts halt nur einen statischen Monitormix mit Änderungen auf Zuruf, und wenn das Pult das nicht zufällig mit Bordmitteln sinnvoll zulässt und grade ein passendes Aufnahmemedium rum liegt gibts auch keinen Mehrspurmitschnitt.

    Wenn dein Chef solche Produktionen öfter im Haus hat, organisiert ist und Eier hat dokumentiert er solche Vorfälle akribisch und haut sie den entsprechenden Kandidaten bei Bedarf bei der nächsten Anfrage um die Ohren. Das sind nämlich immer die gleichen Spezialisten, und die machen das nur mit denen die sich das im Vorfeld widerspruchslos gefallen lassen...

    Economics in eight words: "There ain't no such thing as free lunch."

  • Wenn extra Dinge kommen, soll sich Dein Chef überlegen,. wann er was berechnet, wenn Du da Zeit reinsteckst, ist das wieder Arbeitszeit. Keine Kohle, keine Kunst - wenn was schief gelaufen oder man längerfristig was vom Kunden will, spricht auch nix gegen nachträgliche extra Goodies.

    Der dicke Hals kommt vermutlich vor allem von doppelter/unnötiger Arbeit, oder? Verständlich. Leider manchmal Teil des Geschäfts und manchmal reicht nicht mal das Telefonat nach dem Rider kurz vorher um komische Dinge und Überraschungen auszuräumen.


    Ich sehe da irgendwie eher den Punkt mal offen zu reden. Gute Chefs werden wohl sagen: Sei nett zu meinen Mitarbeitern, die bekomme ich schwieriger als neue Kunden. Bei systematischen Versagen hilft irgendwann nur umgucken. ?( Positiv kann das auch umgekehrt klappen als: Ihr als Band habt echt viel extra bekommen, natürlich gibt es mehr, aber das kostet nun. Entweder hat es sich dann ganz schnell oder es gibt dafür wieder Wertschätzung in Form von Ressorcen dafür.

  • das kern problem ist eigentlich folgendes:

    hast du die härte einfach deinen ursprünglichen job durch zu ziehen, wie angefragt oder drückst du durch, das sie dir erstmal eine summe geld in die Hand drücken. wenn nicht, dann wird es leider bei dir hängen bleiben. ich gehe jetzt davon aus, das du selbständig bist. wenn nicht, muß das dein vorgesetzter wissen und dir Weisung erteilen.

    in deinem konkreten fall wäre ja auch noch die frage, ob dir durch packen kosten entstanden sind?

  • Bein InEar Monitoring sehe ich immer die Gefahren dauerhafter Gehörschäden.

    Wenn man da eine nennenswerte Rückkopplung produziert oder am Pult einen Fehler macht, dann kann das schmerzhaft sein.

    Die Wahrscheinlichkeit einen Fehler zu machen wird deutlich höher, wenn man auch noch Saalton bei einer unbekannten Band machen soll, womöglich unter Zeitdruck.


    Je nach sonstigen Umständen habe ich so Aktionen bisher abgelehnt und bin oft auf Verständnis gestoßen.

  • das kern problem schien hier gewesen zu sein, das die band von klassischem monitoring auf iem umgestellt hat. habe ich das richtig verstanden?

    die vorbereitung für ein iem ist ja doch etwas anders als ein klassische monitoring.

    man spart sich natürlich das geschleppe der monitore, allerdings die bedienende person am pult hat schon einiges anders zu schrauben.

  • Bei klassischem Monitoring nicht?

    Tendenziell ist das natürlich auch beim klassischen Monitoring möglich, allerdings sehe ich bei InEar folgende Unterschiede:


    - der maximal mögliche Schalldruck ist mit InEar Systemen á la PSM1000 und effizienten Ohrhörern vermutlich höher

    - wir Menschen halten uns instinktiv die Ohren zu bei lauten Geräuschen, das hilft bei Wedges. InEars aus dem Ohr zu ziehen dauert je nach Frisur einfach deutlich länger

  • Beim klassischen Monitoring bestehen halt auch etwas mehr Reaktionsmöglichkeiten von wegdrehen, zuhalten, etc. UND es wird defintiv viel schneller erkannt. Dafür sind natürlich auch die Chancen höher, dass es überhaupt zu einer Rückkopplung kommt...

  • Das Problem lässt sich ja mit einem richtig gesetzten Limiter im Bus Master präventiv beheben.

    ....das ist das andere Problem - das grundlegende Problem, daß die Band mit ganz was anderem auffahren will, kann man leider nicht mit 'nem Compressor lösen (vielleicht wäre das auch mal nicht schlecht: alle Verantwortlichen aufeinander legen, dann oben mit 2:1 drauf drücken, daß die mal ein wenig Kommunikation üben ^^ )


    Generell würde ich sagen:

    "Das war so nicht kommuniziert und ist in dieser Größenordnung nicht ohne dediziertes Monitor-Mischpult und Monitor-Mischer (Operator) nicht machbar. die Floor-Monitore und das FOH-Pult sind vorbereitet und können so, wie es ursprünglich kommuniziert wurde unter Einsatz nur eines Ton-Technikers genutzt werden."

    ...mal schauen, was der Chef, die Band, der Veranstalter oder die Agentur dazu dann meint...

    "geht nicht" ? - gibt's nicht !

    ...ja, das war schon immer mein Avatar :evil:

    "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens" (Friedrich Schiller, "Jungfrau von Orleans" )

  • juristisch gesehen ist das meiner Meinung nach eine gravierende Abweichung der Willenserklärung & eine einseitige Änderung der Vereinbarung seitens des Kunden.


    Trotz vorkonfigurierter IEM habe ich bei Aux 1-8 die Post FXe. Bei 9-16 dann 4 x IEM, davon 1 x li-re, 1 x die Lautstärke & auf der Matrix 1-8 dann übliche Wedges.


    Will sagen. das ist ein erheblicher Aufwand & ein Monitor Tech wäre angebracht


  • Hi,


    kenn ich gut und verstehe deinen Grant. Ich würd sagen: Business as usual. Normalerweise kann da auch dein Booker nichts machen und wenigstens hast du das Riderupdate bekommen, bevor die Band auf der Bühne gestanden ist... :)


    Ich seh das mit der Abweichung nicht so tragisch. Dann sinds halt 7 IEM-Mixe, statisch und gut. Da brauch ich auch nicht länger dafür beim Soundcheck als für Wedge-Mixe. Falls Monitorlautsprecher bei dir gebucht waren, dann hilft ein Gespräch mit dem Auftraggeber, dass die jetzt schon verrechnet werden. Du schreibst aber: "Angestelltenverhältnis", da wird das wohl kein Thema sein.


    Zum vorbereiteten Showfile: Kann ich gut nachvollziehen, deinen Ärger wegen der doppelten Arbeit. Aber: "Angestelltenverhältnis"... also ist es am Ende (hoffentlich) nicht dein Problem, wenn die Arbeitszeit dafür draufgeht, anstatt für was produktiveres... (Rest siehe "PS").


    Zum Mehrspurmitschnitt: Da gibt es dann von mir die Info an meinen Arbeitgeber, dass das gewünscht ist. Falls mit Hausmitteln umsetzbar, dann ist das wohl Teil deines Arbeitsverhältnisses. Falls nicht mit bestehenden Mitteln umsetzbar, dann kannst du es um XX € mit deinem Material realisieren oder du hast einen Kontakt zu einer Fachfirma, die den Split und das Recording übernimmt. Dein Arbeitgeber regelt das dann mit der Band. Ob da jetzt von der Band an dein Haus Geld fließt, ist ja nicht deine Angelegenheit, nehme ich an.



    lg, Thomas

    "Klappe zu Gehirn! Sonst kriegst du eins mit dem Wattestäbchen."
    H. J. Simpson


    Thomas Albenberger
    Österreich

  • Sehe dass 1:1 wie Thomas. Ja, man könnte das sicher am Monitorpult eleganter lösen, aber: im Großen und Ganzen bekommt die Band nun eine XLR Peitsche die sonst zu den Monitoramps gegangen wäre. Wenn das Pult nicht mehr Ausgänge hat, werdens eben Mono-Strecken. Alles weitere (Scans, Akkus etc.) obliegt bei mitgebrachtem Material der Band selbst.


    Inear Arbeitsmixes sind ähnlich schnell geschraubt wie am Wedge und mehr wird sich die Band wohl nicht erwarten, sonst hätten sie einen Monitor Mischer gefordert oder selbst dabei. Einzig in kleinen Settings braucht man ein paar mehr Mikrophone, dafür muss man keine Wedges aufstellen.


    Ich sehe das auch entspannt unter "Business as usual", wenn's Mehraufwand gibt (größeres Pult, Recordingsetup das mehr als 4 Mausklicks und 2 Ambiences benötigt,...) wird das kommuniziert und ggf. verrechnet. Gleiches gilt für Zusatzpersonal falls nötig.

  • Ich sehe das Problem grundsätzlich nicht.

    7 In-Ear-Wege statt konventionellem Monitoring.
    - ggf. mono, falls die Busse/Ausgänge im Pult knapp werden.
    - sicher keine Luxusmixe mit Effekt-Engine pro Mix, sondern das, was im Rahmen der Zeit und der Informationen eben möglich ist.

    Das ist doch schnell geschraubt.

  • @ stepu und ThomasA

    Ja, das würde sehr gut in diesen Thread

    passen. Was dagegen, wenn ich die beiden Beiträge dort hin umziehe?