Standsicherheit, z.B. Traverse auf Bodenplatte

  • Liebe Kollegen, ich rätsele und suche schon geraume Zeit nach einem Multiplikator oder etwas in der Art, um den sich Kipp- und Standmomente unterscheiden sollten (um wieviel, z.B. das 1,2-fache, das Standmoment größer sein sollte - evtl. auch unter Beachtung der Höhe). Klasse Beispiel wäre hier eine Bodenplatte mit einem Stück Truss & einem MH drauf.
    Die DIN EN 13814, Versammlungsstättenverordnung, BGV-C1 - alles Fehlanzeige. Gegebenenfalls enthält die DIN 13814 was, aber da stoße ich wohl auf das Gebiet des Ingeneurwissens vor, das mir nicht gegeben ist. Die Suchfunktion habe ich schon bemüht und mir schweben verschiedene Überlegungen auf Szenenflächen und auch im Publikumsbereich zur Begutachtung vor. Wer hat eine Idee?
    Glück Auf!
    Ralf

    Ich fordere eine Kennzeichnungspflicht für Ironie im Internet!

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  • Sehr gute Frage ;)


    Die Antwort lautet: Es gibt keine Vorschrift.



    Auf jeden Fall sollte mal das Standmoment höher sein als das Kippmoment, dass hast du schon richtig überlegt. In Anlehnung an die FLiegenden Bauten ist der Faktor 1,2 daher schon ganz gut.


    Die problematischere Frage ist, wie hoch ist das Kippmoment? Welche Last wirkt in welcher Höhe auf die Traverse?
    Diese Frage kann nicht eindeutig geklärt werden und muss je nach Anwendungsfall festgelegt werden. Ich habe auch mal in Selbstversuchen Lasten durch Personenanprall ermittelt und durchschnittliche Angriffshöhen ausgemessen.


    Fazit:
    Du musst selbst, je nach Anwendungsfall, die richtigen Lasten ermitteln und ansetzten (und später ggf vor Gericht verteidigen). So hat dann jeder, wie wir auch, seine eigene Hausnorm.


    Gruß
    Stephan

  • Hallo,
    ich hole diese Thema nochmal aus der Versenkung hervor, weil ich vor der gleichen Problematik stehe.
    Für Fliegende Bauten habe ich schon mehrfach den Faktor 1,2 gelesen wie Stpahn es geschrieben hat (Hervorhebung durch mich). Allerdings kann ich diesen Faktor in der FlBauR nicht finden. Gibt es dazu eine Quelle?




    Hier
    http://www.avltimmermeister.de…oads/2012/05/PA-Tower.pdf
    taucht der Faktor auch auf.



    Beste Grüße
    Lars

  • Hallo,


    kommt z.B. aus der DIN EN 13782 oder auch der DIN EN 13814 (bei beiden als Sicherheitsbeiwert für ungünstig wirkende Windlasten).


    VG
    Ralf

  • Zitat von "stroti"

    Hallo,


    kommt z.B. aus der DIN EN 13782 oder auch der DIN EN 13814 (bei beiden als Sicherheitsbeiwert für ungünstig wirkende Windlasten).


    VG
    Ralf


    Danke

  • Die Sache ist in Wahrheit noch etwas komplizierter je nach Anwendungsfall:


    Fliegender Bau (DIN EN 13814):
    Ungünstige Anteile aus Eigenlast: Faktor 1,1
    Ungünstige Windlasten: Faktor 1,2
    Sonstige Ungünstige Lasten: Faktor 1,3


    Bauvorschriften allgemein (Eurocode):
    Ungünstige Anteile aus Eigenlast: Faktor 1,1
    Ungünstige Einwirkungen: Faktor 1,5
    (Ist in Wahrheit noch etwas komplizierter je nach Lastkombination...)


    Über DIN 56950 und BGI 810-3 schließt sich der Kreis, weshalb die Lastannahmen im Eurocode auch im Bereich der Veranstaltungstechnik gelten sollten.


    Ansonsten geben auch noch etliche Messerichtlinien über die in den jeweilen Hallen geforderten Sicherheiten Auskunft.


    Ungeklärt ist dann aber immer noch, was die richtigen Lastansätze sind. Sicherheitsfaktoren sind nutzlos, wenn die Lastannahmen Murks sind.


    Viele Grüße Uwe

    Dipl.-Ing. Uwe Runtemund | Statiker in der Veranstaltungstechnik

    Mein Büro: runtemund.de

  • Hallo zusammen,


    das Thema hier ist ja schon etwas älter aber ich versuch es trotzdem mal. In dem


    Hier

    http://www.avltimmermeister.de…oads/2012/05/PA-Tower.pdf
    taucht der Faktor auch auf.



    Beste Grüße
    Lars

    wird auf eine PDF hingewiesen in der die Standsicherheit eines PA-Towers beispielhaft berechnet wird. Dabei wird das Standmoment berechnet indem das Gesamtgewicht der Konstruktion, also Tower + Nutzlast mit dem abstand zur Außenkante, also der halben Plattformbreite, multipliziert wird. Dass die Angehängte Last einen abstand von 50cm zum Tower hat und damit direkt über dem Kipppunkt hängt wird dabei nicht berücksichtigt. Nach meinem Verständnis ist der wirksame Hebel der Angehängten Last = 0 und hat somit keinen Einfluss auf das Standmoment. Wo ist mein Denkfehler?


    Viele Grüße Sami

  • Hallo Sami,

    für die Betrachtung des Standmomentes ist die Exzentrizität irrelevant, da die Gewichtskraft immer gerade nach unten wirkt.

    Auch wenn die Last nicht zentrisch über dem Basement steht, wird die Kraft ja trotzdem hier in den Boden eingeleitet.


    In der Betrachtung des Kippmomentes im Beispiel ist die Exzentrizität ja mit e*P Enthalten.


    Lg

    Thomas

    "Du, eine von Deinen Wackellampen hat nen Gobo Error"
    - "Jaja, das passiert schonmal, wenn man die was härter in die Ecke tippt."

  • Bei der Berechnung des Kippmomentes wird die Exzentrizität in Bezug auf die Basement-Mitte berücksichtigt. Das heißt es wird das Moment berechnet, dass am Übergang Tower zu Basement auftritt und wird Kippmoment (Mk) genannt. An dieser Stelle Kippt der Tower aber nicht, sondern an der Außenkante des Basement.

    Mk wird also mit dem Moment am Kipppunkt verglichen und auf dieses Moment hat die angehängte Last keinen Einfluss da sie senkrecht darüber hängt.


    Ansonsten müsste in meinen Augen die Rechnung

    Ms = P+G*0,5m


    lauten und nicht (P+G)*0,5. Und dann würde ich eine Kraft mit einem Moment vergleichen, was keinen Sinn ergibt.


    Meine Rechnung sieht wie folgt aus und ergibt ein anderes Ergebnis. Kannst du mir sagen wo mein Fehler liegt?

  • Hmm, leider wird in Deinem Video nicht näher auf die einzelnen Lasten eingegangen. Kann es sein, das F1 keine am Kran hängende Last ist, sondern ein auf dem Kran stehendes Gewicht?


    Das würde dann erklären warum der Hebel mit L3/2-L2 als Abstand zur Kippkante berechnet wird.


    Im PA Tower Beispiel wird die Last dagegen über die Traverse, also mittig in den Boden eingeleitet, daher ist der Abstand zur Kippkante L/2

    "Du, eine von Deinen Wackellampen hat nen Gobo Error"
    - "Jaja, das passiert schonmal, wenn man die was härter in die Ecke tippt."

  • FG1 ist die Gewichtskraft des Mastes

    FG2 ist die Gewichtskraft des Auslegers angreifend am Flächenschwerpunkt


    Die Unterscheidung berücksichtigt genau die Tatsache, dass das Gewicht des Mastes mit einem größeren Hebel auf den Kipp-Punkt wirkt als das des Auslegers.


    Ich habe mit dieser Methode mehrere Beispielaufgaben mit Lösungen gerechnet und komme immer auf das richtige Ergebnis. Mit der Variante aus dem VPLT Magazin nicht.

  • Ich habe die Bezeichnungen vertauscht. Es ist genau andersherum. Abgesehen davon ist es doch total egal ob FG1 ein Gewicht ist das auf dem Kran steht oder an dem Kran hängt. Beides würde nach deiner Argumentation über den Mast genauso mittig in das Basement eingeleitet.

  • Nabend Sami,

    Die Mechanikvorlesung liegt zwar schon ein paar Jahre zurück aber ich finde keinen Fehler bei dir. Und du hast auch richtig erkannt, dass im PDF was nicht stimmt.


    Wenn man ganz kleinlich ist:

    Im Beispiel ist der Tower nicht symmetrisch gezeichnet, d.h. der Hebelarm für das Eigengewicht zum Kipppunkt ist auch nicht halbe Plattenlänge, weil der Schwerpunkt nicht über der Plattenmitte liegt. Die Informationen für die Berechnung sind aber nicht vollständig, vielleicht wurde das in diesem Beispiel zur Vereinfachung weggelassen.

  • Nabend Sami,

    Die Mechanikvorlesung liegt zwar schon ein paar Jahre zurück aber ich finde keinen Fehler bei dir.

    Ich habe einen Fehler bei mir gefunden, der allerdings nichts am Ergebnis an sich ändert. Ich habe mit 5m Tower gerechnet weil ich das mit einer anderen Aufgabe vertauscht habe um die es mir aktuell eigentlich geht. Daher habe ich es hier nochmal in schön und mit richtigem Maßstab gerechnet/gezeichnet. Das zeigt auch schon die Absurdität der Aufgabe an sich. Meine Mechanikvorlesungen sind auch schon etwas her aber alle meine Literatur und online Recherche sagt mir, dass das was da im PDF steht nicht stimmen kann.


    Und ja, insgesamt sind die Angaben in dem PDF sehr dürftig. Das Eigengewicht des Towers ist nicht angegeben und kann nur aus der Rechnung selber abgeleitet werden. Die Bezeichnungen der Kräfte werden zwischendurch geändert... Alles sehr dürftig für eine Erklärung wie so etwas funktioniert.

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  • Und ja, insgesamt sind die Angaben in dem PDF sehr dürftig. Das Eigengewicht des Towers ist nicht angegeben und kann nur aus der Rechnung selber abgeleitet werden. Die Bezeichnungen der Kräfte werden zwischendurch geändert... Alles sehr dürftig für eine Erklärung wie so etwas funktioniert.

    Es spricht nicht dagegen, dass Standmoment mit dem Gesamtgewicht mal Hebelarm auszurechnen. Der Fehler im PDF ist aber, dass der Kraftangriffspunkt dann der Schwerpunkt und nicht der Konstruktionsmittelpunkt ist. Dadurch verkürzt sich der Hebelarm.

    Das Eigengewicht des Towers ist aber mit 150 kg angegeben (im Kasten rechts).

  • Es spricht nicht dagegen, dass Standmoment mit dem Gesamtgewicht mal Hebelarm auszurechnen. Der Fehler im PDF ist aber, dass der Kraftangriffspunkt dann der Schwerpunkt und nicht der Konstruktionsmittelpunkt ist. Dadurch verkürzt sich der Hebelarm.

    Das Eigengewicht des Towers ist aber mit 150 kg angegeben (im Kasten rechts).

    Tatsächlich denke ich, den Fehler in der PDF gefunden zu haben.


    Die Annahme ist, dass das Moment in der Mitte vom Basement zum Kippen führen würde. Das ist aber nicht der Fall. Die Frage ist, welches Moment an dem Punkt entsteht wo die Konstruktion kippen würde. Das Moment das am Fuß des Towers ankommt erzeugt ein Kräftepaar mit dem Betrag P und das im Tower nach oben und am Punkt des Kippens nach unten in den Boden gerichtet ist. Die nach oben gerichtete Kraft hebt die Gewichtskraft von P wieder auf. Dabei entsteht aber kein Moment am Kipppunkt.

    Daher hat die Angehängte Last keinen Einlfuss auf das Kippverhalten sondern lediglich auf die am Kippunkt in den Boden eingeleitete Kraft.

    IMG-20210418-155148.jpg

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  • Richtig, es muss berechnet werden in welche Richtung die Summe aller Momente um den kritischen Kipppunkt dreht um herauszufinden ob das Konstrukt stehen bleibt.


    Wenn man stabilisierend durch kippend wirkende Momente teilt bekommt man den Sicherheitsfaktor raus. Wie weiter oben schon von jemanden geschrieben und durch Sami beim nachrechnen bewiesen, sind dabei die Lastannahmen (Größe, Angriffspunkt und Richtung) und das herausfinden des kritischen Kipppunktes sehr wichtig. Sonst ist der höchste Sicherheitsfaktor nix wert.


    Man kann (oder vielleicht besser muss) die Berechnung um mehrere Kipppunkte ausführen, wenn auf den ersten Blick nicht eindeutig ist in welche Richtung etwas kippen könnte. Wind wäre ein Lastfall der aus allen möglichen Richtungen kommen kann und je nach Richtung ggf. auf unterschiedliche Flächen trifft. Aber das soll jetzt nur zum Denken anregen, für einen MaschBauer führt das im Detail zu weit, da ist ein BauING der deutlich bessere Anschrechpartner.

  • Daher hat die Angehängte Last keinen Einlfuss auf das Kippverhalten sondern lediglich auf die am Kippunkt in den Boden eingeleitete Kraft.

    In diesem speziellen Beispiel magst du recht haben, aber allgemein stimmt das nicht. Wenn man statt einem Ausleger bspw. ein Tor baut und die Last zentrisch in der symmetrischen Konstruktion hängt, kann man das Standmoment genau so berechnen, wie dies im PDF gemacht wurde. Das Standmoment ändert sich eigentlich immer durch die angehängte Last, nur im Sonderfall Last über dem Angriffspunkt des Standmoments spielt die angehängte Last keine Rolle (Hebelarm ist dann 0).

    Genau deswegen ist es auch so wichtig, dass Lasten immer zentrisch eingeleitet werden, weil dadurch das Standmoment maximal wird.

  • In diesem speziellen Beispiel magst du recht haben, aber allgemein stimmt das nicht. Wenn man statt einem Ausleger bspw. ein Tor baut und die Last zentrisch in der symmetrischen Konstruktion hängt, kann man das Standmoment genau so berechnen, wie dies im PDF gemacht wurde. Das Standmoment ändert sich eigentlich immer durch die angehängte Last, nur im Sonderfall Last über dem Angriffspunkt des Standmoments spielt die angehängte Last keine Rolle (Hebelarm ist dann 0).

    Genau deswegen ist es auch so wichtig, dass Lasten immer zentrisch eingeleitet werden, weil dadurch das Standmoment maximal wird.

    Hallo Henry,


    das siehst du mehrfach falsch. "Meine" Herangehensweise ist allgemeingültig und die Herangehensweise im PDF ist schlicht falsch. Auch die Annahme das eine zentrische Krafteinleitung immer die beste ist ist falsch. Die Position der Lasteinleitung ist grundsätzlich egal. Wichtig ist der effektive Hebelarm und die gefärdete Kipprichtung.


    Im PDF siehts du in den pixeligen Abbildungen oben ein sehr schönes Beispiel dafür, dass eine außermittige Lasteinleitung sehr sinnvoll sein kann.


    Kleines Beispiel:

    nor.jpg


    Ich denke ich muss dir nicht berechnen in welche Richtung das kippt, oder?


    Hier kippt dagegen garnichts obwohl die Lasteinleitung sehr weit rechts ist:

    IMG-20210419-143205.jpg


    Im PDF wird das Moment am Towerfuß berechnet und mit einem Moment an der Kippkante verglichen. Das ergibt schlicht weg keinen Sinn.

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