Musikalisches Live Mischen

  • Zitat von "florina"

    Dass ist wohl wieder eine Kompromiss Frage.
    Oder sehe ich das falsch?
    In dieser Hinsicht ist ja die Frage ob wir MEHR auf das Publikum oder auf die Musik des Künstler/Band eingehen sollten oder?


    Ich hab nicht so viel Erfahrungen wie Ihr, deshalb frag ich euch wie klingt dann das entweder/oder?
    Kann mir jemand ein Beispiel geben? Wie Mischt man DASS es dem Publikum gefällt, oder so, wie es dem Publikum gefallen SOLL?


    Wenn Künstler künstlerisch etwas Neues machen möchten, oder gar einen neuen Stil etablieren, kommt es vor, daß der Sound gegen Hörgewohnheiten stößt und man bewusst dem Publikum nicht das gibt, was es in der Mehrheit hören wollte. In der Hoffnung, daß sich das Publikum später daran erinnert und sagt: "Diese Band hat einen eigenen Sound".


    Dazu kommen jetzt aber noch mehrere Phänomene:


    1. ist das Publikum heterogen (merkt man an Mix-Tips, die sich bisweilen widersprechen)
    2. Lassen sich Gewohnheiten nicht sehr schnell ändern
    3. Kann sich der Künster evtl. nicht so konkret ausdrücken, wie es dem Mischer das Ziel punktgenau anzeigen würde.


    Ich gebe mal ein Beispiel für eine Kommunikation mit einem Künstler:


    Band aus NYC, Mundharmonika-lastig, Rhythmusgruppe Schlagzeug, Tuba (EDIT /Sousaphon), Gitarre.


    Bandleader sagt zu mir "Schöne Subs hast Du hier. Ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber mach sie bitte aus."
    Es wird also bewusst auf ca. eine Oktave PA verzichtet. Die alten Fans der Band kennen es, die neuen lernen es kennen, für mich war es eine erst sehr eigenartige, später sehr erhellende Erfahrung. Und ich finde, die Vorgabe passt hervorragend zur Band und macht das Endergebnis besser.

  • Zitat von "simonstpauli"

    Es wird also bewusst auf ca. eine Oktave PA verzichtet


    So richtig neu ist dies aber auch nicht ...
    Zu Zeiten der Basshörner standen in kleinen Läden
    oder wenn zu wenig Geld für den Beschaller da war oft zu wenig Material .


    Das ergab dann so einen ähnlichen Sound .

    Tommy und Annika ; "Der Sturm wird immer stärker Pippi"


    Pippi Langstrumpf ; "Macht nichts . Ich auch"


    Astrid Lindgren

  • Zitat von "hp"


    So richtig neu ist dies aber auch nicht ...
    Zu Zeiten der Basshörner standen in kleinen Läden
    oder wenn zu wenig Geld für den Beschaller da war oft zu wenig Material .


    Das ergab dann so einen ähnlichen Sound .


    Stimmt. Die Band nimmt auch starken Bezug auf den Blues der 30er, von daher logisch.


    Trotzdem entspricht der Sound eben nicht der Erwartungshaltung der heutigen Zuhörerschaft. Das meinte ich mit diesem Beispiel.


    Auf der anderen Seite gibt es Bands, die versuchen, genau die Soundvorstellung der Zuhörer zu treffen, z.B. Top40 und Coverbands. In dem Geschäft möchte man selten klanglich anecken.

  • ich glaube, dass es seitens des publikums nur eine erwartungshaltung gibt: dass man den gesang gut versteht und dass es nicht schmerzhaft laut ist. :wink:
    von einer bestimmten erwartungshaltung in bezug auf die basswiedergabe habe ich noch nie etwas mitbekommen. unsereiner ist da wesentlich kritischer, was dieses thema angeht ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Liebe alle!


    Meine Master Thesis ist fertig und wurde gestern abgegeben! vielen dank für alle die tollen inputs von euch!!


    hier ist der link zur thesis zum downloaden falls es euch interessiert https://copy.com/L7gUgupSMoUeIIxH.


    ich hab noch ein feature gemacht mit interviews von tontechniker.. das ist aber auf schweizerdeutsch... sorry :D vielleicht versteht ihr es ja trotzdem


    merc nochmals


    flo

    Shit in Shit out

  • Hei Florina. Danke das du die Thesis auch offen zeigst.
    Viel Erfolg in der Benotung. Ma gseht sich!
    Adrian

  • Hallo,
    Danke erstmal an Florina für die Master Thesis. Liest sich sehr gut, insbesondere für Menschen die nicht ganz so tief in dem Fachchinesisch stecken. Von mir aus hätte es gerne noch ausführlicher und tiefer gehen können. An dem MP3-File arbeite ich noch...uaaahhh Dialekt :D :wink:


    Den Thread ansich habe ich nur in Teilen überflogen, da es aber inhaltlich passt möchte ich gerne auch noch ein paar (mehr) Worte dazu sagen - ich hoffe es stört nicht?!


    Vorweg möchte ich noch anmerken, dass ich in erster Linie als Gast / Zuhörer auf Konzerten bin. Das dafür oft und gerne, in meiner Freizeit beschäftige ich mich auch oft und gerne mit Musik und der Technik und nebenbei arbeite ich noch mit einer Band zusammen. Daher habe ich durchaus öfters auch mit Live-Sound selbst zu tun. Ich weiss nicht ob man dadurch mit der Zeit gewissermaßen abstumpft oder es eben einen gewissen Gewöhnungseffekt gibt.


    Worauf ich hinaus möchte: Bei vielen aktuellen Konzerten kann mich der Live-Sound nicht mehr so mitreissen. Warum das so ist, dafür habe ich selbst einige Zeit gebraucht um das heraus zu finden und der Grund ist durchaus etwas seltsam: Für mich persönlich klingen viele Konzerte heute einfach zu sauber, zu sehr nach CD, zu künstlich wenn man so will. Das kann man natürlich nun von zwei Seiten sehen: Einerseits erstmal respekt an die Band und den Tontechniker das so umsetzen zu können, dass es mir fast vorkommt als ob eine CD läuft. Abgesehen davon scheint der Großteil des gemeinen Publikums das auch so zu wünschen. Andererseits fehlt aber zumindest für mich das gewisse Etwas, dass die Live-Erfahrung ausmacht.


    Ich möchte dies mal an Beispielen festhalten:
    Ich habe letztes Jahr Dream Theater live in Gelsenkirchen an der Kanalbühne gesehen. Der Sound war verdammt gut und dicht, fast so wie CD. Komischerweise gabs auf halber Höhe zwischen FoH und Bühne mittig kaum noch Gitarrensound, weil sich da akustisch irgendwas ausgelöscht hat, weiter rechts / links oder Richtung FoH wars dafür super, das schiebe ich daher mal nicht auf den Tontechniker. Insgesamt kann ich dazu nur sagen: Hut ab vor den Jungs auf der Bühne und dem Mischer das so durch zu ziehen. Für mich war das Ergebnis aber recht durchschnittlich. Laut Musik hören kann ich zu Hause auch, es fehlte mir einfach das gewisse Etwas was das Live-Erlebnis für mich ausmacht.


    Nächstes Beispiel aus diesem Monat: Katzenjammer, in dem Fall gleich 3 Mal gesehen in Köln, Bielefeld und Hamburg, wobei in Bielefeld der Ringlokschuppen soundmäßig und von der Stimmung am besten war (mal wieder).
    Ich habe mich mit dem Tontechniker der 4 Mädels Harald Hole mal ein wenig unterhalten, weil er quasi im völligem Gegensatz zu dem mischt was ich sonst oft vorfinde: Erstmal Dynamik ohne Ende, die Drums sind quasi ohne Kompression, abgesehen von der Snare und das ist mehr ein Limiter. Gates ja, EQs maßvoll, der Rest geht gerade durch. Kompression generell findet man eigentlich nur auf den Saiten- und Tasteninstrumenten. Und da dort oftmals auch eine PA hängt die noch eine Meeenge Headroom hat klingt das eben auch richtig laut noch richtig richtig genial und wird nicht zu einem brüllenden Soundbrei. Dazu kommt dann eben noch die Mischtechnik. Der nette Kollege kennt natürlich die Songs auch in- und auswendig und trägt hier und da seinen Teil dazu bei. Da gibt es z.B. diese fast Acapella Nummer namens "God's great duststorm" wo später im Song nur ein Standtom und Kick dazukommt. An den passenden Stellen geht der Techniker nun hin und schiebt immer manuell das Tom pegelmäßig richtig weit in den Vordergrund und zieht gleichzeitig noch nen Hall aus dem SPX2000 ziemlich laut mit rein. Das Ergebnis klingt ähnlich einem verhallten Kanonenschlag und ist auch nach 30m am FoH noch durchaus spürbar. Generell arbeitet der gute Mann viel mit Effekten, z.B. auch einem Slapback Delay was dann bei einigen Songs recht laut auf dem Gesang dazukommt und für ein geniales Vintage-Feeling sorgt. Oder einzelne Instrumente werden manuell mal richtig laut betont, einzelne Snareschläge in Verbindung mit lautem Hall, oder auch am Ende von Songs wo man gerne noch einmal über die Toms hämmert. Und genau das sind für mich die Momente die so ein Live-Konzert speziell machen, die ich auf CD nicht bekomme (die dort auch oft gar nicht vorhanden sind), wo ich auch live in der Halle ne Gänsehaut bekomme, oder alternativ grinse als hätte ich nicht mehr alle aufm Zaun - was der Tontechniker von Katzenjammer in solchen Momenten auch mal gerne macht *grinning like a maniac* :D :wink: Sowas geht natürlich auch nur mit sehr ausreichend dimensioniertem Material und in einem großem Raum. Dafür braucht es eine gewisse Größe damit sowas wirkt und das kann man nicht mit Hifiboxen simulieren, selbst mit PA im Wohnzimmer wird das schwer auch wenn es in die richtige Richtung geht. Ich hoffe ihr könnt mir folgen, Vieles spielt sich hier schon auf emotionaler Ebene ab. Das ist eben wie ein alter Mustang mit 7l Hubraum. Wer da mal im Stand Gas gibt und beim Blubbern Gänsehaut bekommt weiss was ich meine.


    Als Drittes kenne ich dann noch eine Dire Straits Coverband "Brothers in Arms" die auch mit eigenem Tontechniker und eigenem Behringer X32 unterwegs sind. Dort wird so ein Mittelweg gefahren, man orientiert sich an der Liveaufnahme "On the night". Natürlich sind hier die Effekte und der Grundsound etc. in gewissem Rahmen vorgegeben. Trotzdem klingt es nicht nach CD, speziell der Drumsound ist deutlich dynamischer, bei den passenden Songs kommen auch die Emotionen gut rüber.


    Kurzum: Es ist mir schon klar, dass solche Aktionen wie bei Katzenjammer natürlich auch nicht mit jedem Musikstil funktionieren. Es muss im Gesamtklangbild natürlich irgendwo auch Platz für einen ausgeprägten Hall oder sonstwas sein. Generell finde ich es aber richtig gut, wenn ein fester Mischer dabei ist, der die Songs richtig gut kennt und eben auch gefühlsmäßig mit der Stimmung mitgeht. Bei rasanten Songs vielleicht mal nen Tacken lauter macht, hier und da gerne auch mal ein wenig seine eigene Note dazugibt. Für mich zumindest sollte ein Live-Konzert immer ein besonderes Ereignis sein wo ich mich noch gerne und lange dran erinnere und dafür benötige ich zumindest das gewisse Etwas. Live muss für mich ein Stück weit rau, dynamisch und emotional klingen, aber nicht klinisch tot wie die meisten heutigen CD-Produktionen. Das ist natürlich nur meine Meinung :wink:


    "Meine" Band kommt eher aus der prog. Metal Ecke, da habe ich nicht ganz so viel Freiraum selbst zu spielen, allerdings werde ich das mit den Jungs noch durchexerzieren wenn mal der nächste Auftritt spruchreif ist.
    Gerne würde ich auch noch von Anderen die Meinung dazu hören, nicht nur aus der Sicht des gemeinen Konzertbesuchers sondern auch aus der des Tontechnikers - selbst wenn er nur mal als Gast auf ein Konzert geht. Bin ich da ganz alleine, dass mich viele Konzerte vom Sound her nicht mehr mitreissen, oder geht es euch auch so obwohl der Sound selbst durchaus sehr gut sein kann?


    Anbei noch: Der Kollege bei Katzenjammer hat aktuell ein neues Line Array von Adamson mit im Gepäck was danach zur PLS geht. Das ist nun nicht gegen den Hersteller, aber das ist das erste Mal, dass Adamson einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Gefällt mir sehr gut und diese 2x 19" (ja 19" ist richtig) Bässe schieben auch gewaltig, besonders wenn man in einer kleinen Halle mit 2000 Mann direkt 12 Stück oder so davon (auf Standgas) hat :D Achja, und bei der Vi1 ist die CPU halb abgeraucht beim Konzert und die digitale Verbindung zu den Preamps ist auf einzelnen Kanälen immer mal wieder ausgestiegen. Da gabs dann 2 Konzerte später ne Vi4 als Ersatz. Hab ich so auch noch nicht gehört, dass ne CPU abraucht, Serviceaufkleber war frisch "Feb 2015", nuja...


    Gruß,
    Marcel

  • ich hatte selber auch schonmal probleme mit einer Vi. man muss dabei aber anmerken, dass es durchaus auch eine recht hohe anzahl an gigs damit gibt, bei denen keinerlei fehler auftaucht... wenn das system also wirklich allzu anfällig wäre, dann würde es sicher bald auf den ridern als "no go" auftauchen. bei mir steht es jedenfalls in den meisten ridern noch drin. ;)


    was die sache mit viel kompression im livemix angeht: reine geschmackssache.
    bei bands, die ihre dynamik selbst nicht im griff haben kann ich es durchaus nachvollziehen, weil man dann weniger arbeit mit faderschieben hat. bei guten musikern beschränke ich mich dagegen gerne auf ein minimum und lasse die signale sogar überwiegend unkomprimiert. das maß der kompression entscheidet sich dann auf dem jeweiligen gig.
    manche kollegen komprimieren ja sogar e-gitarren, obwohl die davorhängenden röhrenamps schon so gut wie keine dynamik mehr erlauben. 8)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang