Anlagendimensionierung anhand von Personenzahlen - Watt-Pax

  • Ja, diese Lansing Heritage Seiten sind immer mal wieder gut für den einen oder anderen nostalgischen Ausflug. Aber sie bieten auch sehr viel Erkenntnispotential zur Funktion und Entwicklung von Beschallungsanlagen überhaupt. Insbesondere bei der Frage, wo genau sich denn der tatsächliche Fortschritt bei elektrodynamischen Lautsprechern in den letzten 80 Jahren (also in etwa seit Entwicklung des Shearer- Systems) verbirgt, gerät man durchaus schon mal ins Grübeln.


    Zum Thema Wirkungsgrad noch ein schlichter Gedanke: der bemisst sich zum Einen daran, unter wie viel (Wärme-) Verlusten wir elektrische Energie in Bewegungsenergie umwandeln. Zum Anderen daran, wie perfekt wir diese Bewegungsenergie an das Medium Luft ankoppeln, um sie am gewünschten Ort als Schallenergie wahrnehmen zu können.
    Eigentlich doch ganz einfach? :D


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Das Grundproblem besteht eigentlich darin; das sich Musik & Hörgewohnheiten geändert haben.
    Um 30Hz mit nennenswertem Pegel wiedergeben zu können, brauchs halt andere Tugenden. Hub, schwere Pappen, kräftige Antriebe.
    Glaube nicht; dass man das mit Shearer- Hörnern technisch in Stadiongröße hinbekäme. Wohlgemerkt zu heutigen Anforderungen.
    Auch der Hochton hat sich hin zu HiFi entwickelt. Wer will schon noch böse brüllende 2"er, die mit 4"-Diaphragma eher Mittentreiber waren?

    Never stop a running System

  • Zitat

    Wer will schon noch böse brüllende 2"er, die mit 4"-Diaphragma eher Mittentreiber waren?

    Gute Frage. Funktionsfähige, original versiegelte Altec- und JBL Zweizöller aus den 50ern/ 60ern erzielen in der Highend- Szene jedenfalls regelmäßig grotesk- phantastisch anmutende Höchstpreise:
    http://www.ebay.de/itm/Pair-Western-Electric-T530-A-driver-by-jim-lansing-jbl-375-16-ohm-/231720230970?hash=item35f39a203a%3Ag%3Ab8oAAOSwA4dWHeH1&nma=true&si=JRt8DWaQyCf8iE3UKVVVHmuJlfY%253D&orig_cvip=true&rt=nc&_trksid=p2047675.l2557


    Wie so oft, alles eine Frage der Perspektive.


    Neulich habe ich für einen Job (gemischtes Sprach-/ Musikprogramm, 1000 Pax in gemäßigter Partyathmosphäre) ein gestacktes L-Acoustics System vorgefunden, irgendwelche Bässe mit 2 Querboxen (Wifo oder so was) oben drauf. In Sachen (akustische) Watt/ Pax für diesen Zweck ausreichend bemessen; rein optisch von der Seite erinnerte das Ganze geradezu frappierend an ein fast 80 Jahre altes Shearer- Stack. Genug Anlass jedenfalls, sich mit einem schönen Gedanken zu beschäftigen: was wäre, wenn …


    … statt nagelneuer brauner Holzkisten dort eine 80 Jahre alte braune Holz-/ Messingkonstruktion für den Job zur Verfügung gestanden hätte?
    - Der Platzbedarf wäre wg. der größeren Basskonstruktion/ besseren akustischen Anpassung um einiges höher.
    - Der Leistungsbedarf aus dem selben Grund um mindestens eine Zehnerpotenz niedriger.
    - Die Definition im Bassbereich wäre wg. höherer Rückwärtsdämpfung/ weniger Rückwirkung auf die Bühne/ fehlender Reflektionen von rückwärtigen Wänden/ ... höchstwahrscheinlich bedeutend besser.
    - Das 'Top' (also ein 5x3 Multicel- Horn) wäre vertikal besser (nach unten) zu winkeln – beim modernen System stößt man da wg. Gewicht und Schwerpunkt frühzeitig an Grenzen.
    - Die Bereiche < 50Hz und > 10kHz würden vernachlässigt bzw. müssten entfallen.
    - Die Sprachverständlichkeit wäre, da keinerlei Filter/ Trennung/ Phasensprung zwischen 400Hz und 10kHz, vermutlich höher.
    - In Sachen (akustische) Watt/ Pax wäre sicherlich ebenfalls alles im dunkelgrünen Bereich.
    - Niemandem im Publikum wäre in puncto Beschallung/ Tonqualität irgendetwas negativ aufgefallen, bzw. niemand hätte dort im direkten Vergleich irgendetwas vermisst.


    Nur gut, dass wir dank 80 Jahren technischen Fortschrittes in solchen Dingen heute schier unfassbar viel weiter sind! :D


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Hö, hö :)


    Das erinnert mich an sofort an wunderbare Orchesteraufnahmen des frühen bis mittleren zwanzigsten Jahrhunderts, die nur mit A/B Mikrofonierung aufgezeichnet wurden. Im Vergleich zu den Super-High-End Mikroschlachten die wir heute bewundern dürfen, schlackern mir da immer noch die Ohren.


    Aber wir spielen auf dieser Welt momentan ja auch nicht Fortschritt sondern Rentabilität - und dann passt das schon so.

  • Stell dir mal die Rentabilität eines solchen 80 Jahre alten Produkts vor, das Leasing (gab es das damals schon? 8) ) ist längst bezahlt und der Nettogewinn sollte trotz etlicher Sanierungen und Pötten neuer Farbe wahrscheinlich selbst Apples Rendite alt aussehen lassen....

    Privater Account mit meiner persönlichen Meinung.

    Sollte es ein Problem mit meiner Neutralität zu einem Thema geben mache ich das im Beitrag kenntlich. :thumbup:

    http://www.noon.ruhr


    Application Support Engineer - HK Audio

  • Zitat von &quot;billbo&quot;

    Gute Frage. Funktionsfähige, original versiegelte Altec- und JBL Zweizöller aus den 50ern/ 60ern erzielen in der Highend- Szene jedenfalls regelmäßig grotesk- phantastisch anmutende Höchstpreise:
    [..ebay...]


    Wie so oft, alles eine Frage der Perspektive.


    Naja, man darf nicht vergessen, daß die High-Ender in der Regel auch noch einen (Super-)Hochtöner drübersetzen. Die alten Treiber sind nicht so breitbandig und nicht so belastbar, aber nicht unbedingt generell schlecht. Halt was komplett anderes.


    Zitat von &quot;billbo&quot;

    - Die Bereiche < 50Hz und > 10kHz würden vernachlässigt bzw. müssten entfallen.


    < 10kHz ;)


    Optional natürlich auch ein Superhochtöner oder Equalizing um die obere Grenze noch ein bischen zu pushen.


    Zitat von &quot;billbo&quot;

    - Die Sprachverständlichkeit wäre, da keinerlei Filter/ Trennung/ Phasensprung zwischen 400Hz und 10kHz, vermutlich höher.
    - In Sachen (akustische) Watt/ Pax wäre sicherlich ebenfalls alles im dunkelgrünen Bereich.


    Definitiv. Das ist auch genau der Grund, weswegen die High-Ender die alten Deckel so sehr lieben. Und um in der VA-Welt zu bleiben: Immer kleiner und immer mehr Leistung ist eben nicht unbedingt besser.


    Zitat von &quot;billbo&quot;

    Nur gut, dass wir dank 80 Jahren technischen Fortschrittes in solchen Dingen heute schier unfassbar viel weiter sind! :D


    :lol:


    Zitat von &quot;Karel Noon&quot;

    Leasing (gab es das damals schon? 8)


    Altec Lansing gibt's seit 1936, kommt also hin. ;)

    You probably have the right hammer, you've just got to stop hitting your thumb.

  • Zitat von &quot;Dosenfutter&quot;

    Die alten Treiber sind nicht so breitbandig und nicht so belastbar, aber nicht unbedingt generell schlecht. Halt was komplett anderes.

    Nicht so belastbar: stimmt.
    Was komplett anderes: stimmt.
    Nicht unbedingt schlecht: definitionssache; kommt darauf an, welche Anforderungen man stellt.
    Nicht so breitbandig: FALSCH!
    Die VITAVOX (S1 hat zeitlich ähnliche Wurzeln wie die alten Alters) S3 und S6 Treiber mit denen ich noch arbeiten durfte, wurden unten bei 200Hz (12dB!) getrennt. Wenn das nicht breitbannig ist? Da fällt der Abfall über 10kHz nicht mehr sehr ins Gewicht. Dass dort oben sooo wenig kam lag auch mit an den Hörnern, auf denen diese Treiber so gearbeitet haben.
    Damals ist auch keiner auf die Idee gekommen im System bis zu 15dB Höhen anzuheben (heute auf diversen Controllern nicht unüblich), da das die Belastbarkeit noch weiter verringert hätte.


    Alles eine Frage, in welche Richtung entwickelt wird:
    -10kHz und mehr waren damals entbehrlich
    -200Hz kann heute kein Kompressionstreiber mehr ab und muss er auch nicht.


    Als die alten Teile verscherbelt wurden, da nicht mehr wirtschaftlich einsetzbar, wurden die ausschließlich von HiFi Freaks ergattert und zwar zu Preisen, die über dem Neupreis der damals aktuellen Modelle lag.


    Das, was diese alten Kisten konnten, wenn mal sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten eingesetzt hat ist für mich heute noch unübertroffen. Nicht was Lowend, Highend und Maximalpegel angeht.


    Leider durfte ich die Kombination aus Shearer und Multicel zuletzt auf einem Friedhof hören.

    ...Holz ist braun!

  • Nee – schon die Bereiche kleiner als 50Hz und größer als 10k. :wink:


    Wenn ich mal groß bin und mir ein Musikzimmer deutlich jenseits der 400 oder 500 Quadratmeter leisten kann, dann baue ich da so was rein. Incl. zeitgerechtem und standesgemäßem Hochleistungsamping (25 oder gar 50 :shock: Watt Gegentakt) und -processing (Überlastungsschutz per Softclipping, 12dB/Okt. Passivweiche, Hubbegrenzung über AÜ- Sättigung, mechanische HT/ TT Laufzeitanpassung - die ganze Palette halt).


    Auf die ersten Shootouts bin ich gespannt. Einzige Bedingung: ICH gebe die Dimensionierung des Sicherungsautomatens für die Stromversorgung vor. :roll:


    Mit freundlichem Gruß
    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Zitat von &quot;verstärkerberserker&quot;

    Nicht so breitbandig: FALSCH!
    Die VITAVOX (S1 hat zeitlich ähnliche Wurzeln wie die alten Alters) S3 und S6 Treiber mit denen ich noch arbeiten durfte, wurden unten bei 200Hz (12dB!) getrennt. Wenn das nicht breitbannig ist? Da fällt der Abfall über 10kHz nicht mehr sehr ins Gewicht. Dass dort oben sooo wenig kam lag auch mit an den Hörnern, auf denen diese Treiber so gearbeitet haben.


    Den S1 kenn ich nicht, der S3 ist ein 1,5"er, kein 2" und der S6 kam erst in den 70ern, beide hatten schon Ferritmagnete, die es vor 80 oder 60 Jahren so noch nicht gegeben hat. mal abgesehen davon, daß die auch erst ab 400Hz empfohlen wurden und unter 300 schon einen starken Abfall hatten. Die angegebenen Trennfrequenzen sind auch eher Pi x Daumen und schon damals hat man lieber die Trennung etwas auseinandergezogen als einen Buckel in Kauf zu nehmen. Das Hauptproblem ist aber - wie von Dir schon geschrieben - das Horn, was die nutzbare Breitbandigkeit, vor allem in den Höhen, zusätzlich stark senkt.


    Zitat von &quot;verstärkerberserker&quot;

    Damals ist auch keiner auf die Idee gekommen im System bis zu 15dB Höhen anzuheben (heute auf diversen Controllern nicht unüblich) [...]


    Stimmt! Die haben die Mitten passiv runtergeprügelt. :D


    Zitat von &quot;verstärkerberserker&quot;

    [...] da das die Belastbarkeit noch weiter verringert hätte.


    Daaas wiederum stimmt nicht. Die Belastbarkeit wäre gleich geblieben, die Belastung wäre dagegen gestiegen. ;)


    Zitat von &quot;verstärkerberserker&quot;

    Alles eine Frage, in welche Richtung entwickelt wird:
    -10kHz und mehr waren damals entbehrlich
    -200Hz kann heute kein Kompressionstreiber mehr ab und muss er auch nicht.


    Das, was diese alten Kisten konnten, wenn mal sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten eingesetzt hat ist für mich heute noch unübertroffen. Nicht was Lowend, Highend und Maximalpegel angeht.


    Naja, die 200Hz sollte man eher vermeiden, eine halbe bis ganze Oktave höher sieht dann schon deutlich besser aus, jedenfalls, wenn man wirklich Pegel will. Aber ich geb Dir recht, ich hab letztes Jahr W-Bins mit Vitavox Hörnern gehört und ich fand, die haben ziemlich gerockt! :D


    Zitat von &quot;billbo&quot;

    Nee – schon die Bereiche kleiner als 50Hz und größer als 10k. :wink:


    Hehe, okay, Du hast gewonnen! :lol:

    You probably have the right hammer, you've just got to stop hitting your thumb.

  • Zitat von &quot;Dosenfutter&quot;

    Den S1 kenn ich nicht, der S3 ist ein 1,5"er, kein 2" und der S6 kam erst in den 70ern

    Sorry, welcher da genau was war und welche exakte Größe hatte weiß ich nicht mehr so genau. Die wurden mir damals alle als 2" "verkauft".
    Ich bin mir aber sicher, dass die analoge Weich mit 200Hz beschriftet war und auch in Verbindung mit den Shearer und den Multicell (hießen die 220?) so im Einsatz waren. Gemessen -mit was- habe ich das nicht.
    Ich musst aber zuletzt diese antiken Stücke für einen Anlass wiederbeleben und habe deshalb diese alten Weichen rausgesucht.
    Dann aber doch mit Controller -eigentlich ein Frefel- und bei 400Hz getrenn (Angst).
    Ich weiß aber ein paar Multicells mit original Treibern, die immer noch 2x im Jahr im Einsatz sind für Durchsagen bei Motocross.
    Setzt sich durch, geht weit und benötigt keine weiteren Lautsprecher und die schwächste Endstufe im Lager.

    ...Holz ist braun!

  • Vitavox,


    da hälts mich nun doch nicht mehr auf dem Sessel. Hab hier selber S3 und Vitavox-4-cell-Horn mit den durchgehenden Segmenttrennungen. Der S3 ist ca. 1,5Zoll (kann gern mal nachmessen) und mit einer 76mm VC ausgestattet. Läuft aber seit geraumer Zeit nicht mehr am o.g. Horn, sondern ein adaptierter BMS4590 (auf den rund zu eckig Adapter mit den ca 1,5" Eintritt).


    Vorteil, unten (400Hz) lädt der BMS so definitiv besser und entgegen aller Unkenrufe kommen da sehrwohl Höhen raus. Diese "streuen" recht gleich über 60° (die 90° schafft es nicht). HT-Pegel ist nicht auf dem Niveau wie im BMS-Datenblatt, aber dort wird ein recht schmal strahlendes Horn verwendet (wenn ich mich recht erinnere).


    Konnte mich bisher nicht vom S3 trennen, auch wenn die in ebay recht hoch gehandelt werden. Weil eigentlich müßte man die Kombi komplett abgeben, fällt sonst sehr unter Fledderei.


    S3 mit aktiven Entzerren war relativ gut (heute nennt man das CD-Entzerrung), konnte aber nicht klirrfrei Pegel, aber irre laut :shock: (Pegel plus Klirr, wen wunderts). Der BMS ist da massiv besser, auch bei normalen Hörlautstärken.


    Würd ja gern mal den BMS an nem großen JBL2360 (oder Föön RH 90/150 oder so) fahren, aber hier in D haben die etwas absurde Preisvorstellungen für solche Hörner.


    Ach ja, wegen der W/Pax, da gehen auch durchaus über 5kW/eine Nase, oder 60W/m^2 ... :D


    VG
    Mattias

  • Da von Mattias genau diese Kombi angesprochen wurde hier wie das dann aussieht:



    Unter dem DJ Tisch liegen 4 Stück 15er BR Kisten.
    Ich habe lange gezögert so aufzubauen da der BMS bei 400Hz getrennt wird und eine Ersatzschwingspule nicht gerade günstig ist und ich mir nicht vorstellen konnte hier einen halbwegs passablen Übergang zwischen den Bässen und den "Tops" zu erhalten.
    Aber, weit gefehlt. Für diese Location nahm ich bisher als Tops den Beyma KX12 welcher dann bis 120Hz runter läuft und der klingt auch sehr gut.
    Allerdings macht die erwähnte Anpassung Schall / Umgebung durch das große Horn den Sound deutlich angenehmer und es geht auch tief genug runter ohne hier das befürchtete "Loch" zu bekommen.
    Die bessere Übertragung des Schalls an die Umgebung fällt besonders drastisch auf wenn man sich bei hohen Pegeln direkt vor die 2360 stellt. Es macht keinen großen Unterschied ob ich direkt davor stehe oder 5 Meter weit weg. Ganz anders bei den KX12, bei hohen Pegeln klingen sie in 5 Metern Abstand gut aber davor geht gar nicht.
    Für Interessierte hier noch eine Messung 2360 mit dem BMS, allerdings im Raum:



    Wer sich nicht vorstellen kann, dass so eine Art von Beschallung funktioniert (so wie ich zuvor) lasse ich gerne eine Einladung zur nächsten VA per PN zu kommen.
    Zeno

  • Zitat von &quot;madmax&quot;

    Hochzeit mit 50 Personen.? :lol:

    Nachdem ja doch viele Ihr Kerngeschäft auf die Zielgruppe ausgerichtet haben:
    Falls jemand sich für diese Hörner interessiert, kann ich gerne vermittelnd tätig werden. :D

    ...Holz ist braun!