Gesetzesentwurf “gegen den Missbrauch von Werkverträgen”

  • Wer von den hier anwesenden kennt den Gesetzentwurf zu § 611a BGB ?
    Dieser Gesetzentwurf wurde aktuell vorgelegt und soll am 1.1.2017 in Kraft treten.


    Für Freie Techniker, aber auch für die beauftragenden Firmen würde dieser Entwurf weitreichende Veränderungen mit sich bringen.
    Hat jemand schon gehört wie die Meinung der Verbände zu diesem Thema ist?


    VG Michel

  • http://www.vgsd.de/geplante-neue-regelungen-zur-scheinselbststaendigkeit-und-ihre-begruendung/?utm_source=VGSD%20e.V.%20Newsletter&utm_campaign=e1d88920eb-Gesetzesentwurf_liegt_vor_15_11_17&utm_medium=email&utm_term=0_57e5bd8ca5-e1d88920eb-60182725


    Soll man das jetzt so verstehen, dass in Zukunft ein Arbeitsvertrag zwischen freien Veranstaltungstechnikern und Firmen herrscht, die diese buchen? Gelten dann nicht auch die Bestimmungen zur Arbeitszeit (max. 10 h pro Tag)?


    Grundsätzlich weiß ich aber nicht genau, auf welche "weitreichenden Änderungen" du jetzt hinaus willst. Bei Scheinselbstständigkeit wurden auch früher schon die Behörden aktiv.

  • Zitat von "HenrySalayne"


    Soll man das jetzt so verstehen, dass in Zukunft ein Arbeitsvertrag zwischen freien Veranstaltungstechnikern und Firmen herrscht, die diese buchen? Gelten dann nicht auch die Bestimmungen zur Arbeitszeit (max. 10 h pro Tag)?


    Also der Entwurf sagt: Wenn ein Werksvertrag in der Gesamtbetrachtung den hier aufgeführten Kriterien entspricht, ist er automatisch ein "Arbeitsvertrag", sprich ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitnehmerverhältnis mit all seinen Folgen.

  • Zitat von "HenrySalayne"

    Soll man das jetzt so verstehen, dass in Zukunft ein Arbeitsvertrag zwischen freien Veranstaltungstechnikern und Firmen herrscht, die diese buchen? Gelten dann nicht auch die Bestimmungen zur Arbeitszeit (max. 10 h pro Tag)?


    "Freie Veranstaltungstechniker" sind so eine Fiktion, die bei genauer Betrachtung nur selten der rechtlichen Prüfung stand hält. Dass "die Behörde" (je nach Rechtsgebiet sind das ganz unterschiedliche Behörden) da nicht einschreitet, dürfte vor allem damit zusammen hängen, dass wir als Branche zu unbedeutend sind.



    Am Rande bemerkt: Die einzelnen Regelungswerke haben auch unterschiedliche Arbeitgeber-Begriffe. Selbst dann, wenn der Freelancer nach Sozialversicherungsrecht tatsächlich ein "Freier" ist, ist er nach ArbSchG schon ein Beschäftigter und dessen Auftraggeber ein Arbeitgeber. Von daher kann nur empfohlen werden, die eingesetzten Freelancer bezüglich Arbeitsschutz wie eigene Mitarbeiter zu behandeln. Dann allerdings wird man wohl kaum vermeiden können, sie in die eigene Arbeitsorganisation einzubinden. Spätestens dadurch werden sie jedoch auch bei den anderen Regelungswerken Mitarbeiter.


    Kurz: Die Praxis der Freelancer ist mit der herrschenden Rechtslage ziemlich inkompatibel.

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Ok, dann gründe ich halt eine Unternehmergesellschaft (1.- Euro Stammkapital) und stelle mich zum Mindestlohn ein, Teilzeit natürlich.


    Und nun?


    Das Konzept hatte ich 4 Jahre in München, in denen ich Vollzeit für nur eine Firma in deren Büro gearbeitet habe.
    Trotz Prüfung war gegen dieses Konstrukt kein Kraut gewachsen.

  • DAS dürfte wohl eher auch nicht funktionieren, da die UG bis zum Erreichen des VOLLEN Stammkapitals noch keine "vollwertige Kapitalgesellschaft" ist und (gerade bei dieser Konstruktion: 1-Mann-UG mit sich selbst als einzigem Angestellten) somit wie ein Einzelunternehmer zu sehen ist. Der nächste folgerichtige Schritt wäre dann wieder die Betrachtungsweise: 1 Auftragnehmer (1-Mann-UG) - 1 Auftraggeber, Weisungsgebundenheit, Eingliederung ... blablabla FOLGE: soz.vers.pflichtiges Arbeitsverhältnis.


    Wenn das bisher in Deinem Falle funktioniert hat, lag es wahrscheinlich daran, dass die Firma für die Du "freiberuflich" gearbeitet hast, andere (nicht mit Dir personen-identische) Gesellschafter hatte (also: Meier-Müller-Schulze-GmbH mit Meier, Müller und Schulze als Gesellschafter).Aber selbst da sehe ich eine klassische Scheinselbständigkeit.


    Eine solche Konstruktion (Gründung einer Kapitalgesellschaft zwecks Umgehung der Scheinselbständigkeit) hat m.E. nur Bestand, wenn es sich um eine ECHTE Kapitalgesellschaft mit voller Rechtsfähigkeit und eigener Rechtspersönlichkeit handelt. Und dies ist die UG erstmal eher nicht. Es dürfte nicht verwundern, wenn die Sozialversicherungen das auch so sehen.


    Das neue Gesetz ist ja gerade wegen dieser langjährigen "Grauzonen-Diskussion" entstanden, um hier eben eine eindeutige und klare Regelung zu schaffen, die noch dazu rechtsverbindlich ist. Ob dem Gesetzgeber das gelungen ist, sei mal dahin gestellt. Zumindest sind die bisherigen Beurteilungskriterien in ein Gesetz eingeflossen.


    Ich in zwar kein Arbeitsrechtler, aber das dürfte den Diskussionsbedarf zumindest im Rahmen der Soz.Vers.-Prüfungen erstmal reduzieren, da ein Gesetz deutlich weniger Interpretationsspielraum lässt, als die "allgemeine Rechtsauffassung oder -handhabung".


    Interessanter ist eigentlich die Frage, ob dann auch die "Freien" darunter fallen, die tatsächlich für viele verschiedene Auftraggeber tätig sind (entscheidendes Tatbestandsmerkmal im Steuerrecht: Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr). Denn die sind erstmal steuerrechtlich selbständige Gewerbetreibende (ok, manchmal auch Selbständige i.S. von § 18 EStG). Daran knüpft (bislang) die soz.vers.-rechtliche Betrachtung (indiziell) erstmal an.ABER nicht zwingend - Die soz.-vers-rechtliche Einordnung ist unabhängig davon. Klassischerweise sind ja viele Gewerke in der VA-Branche ineinander greifend und meist durch den "Hauptauftragnehmer" koordiniert. Zwangsläufig ergeben sich dabei organisatorische Eingliederungen... Die gleiche Problematik stellt sich dann auch in anderen Branchen wie z.B. dem Bauhandwerk. Da bin ich auch mal gespannt wie´s weiter geht... Also Spaß macht mein Beruf auch nicht immer! ;)

  • Zitat von "ThoSchu"

    Eine Unternehmergesellschaft ist keine natürliche Person sondern eine Kapitalgesellschaft.
    Genau wie eine GmbH.


    Eine UG ist rechtlich nur eine "Vorstufe" der GmbH. Eine GmbH ist aber erst mit der Eintragung ins HR eine eigene Rechtsperson.
    Die GmbH kann aber erst eingetragen werden, wenn das Stammkapital voll einbezahlt ist.


    Schau mal unter: http://dejure.org/gesetze/GmbHG/5a.html


    Die UG ist keine eigene Rechtsform.

  • Danke für den Link. Damit bestätigst du meine Aussage.


    Sorry, wie ich schon oben schrieb hatte ich schon mal eine Unternehmergesellschaft.


    Das eine Unternehmergesellschaft eine Vorstufe der GmbH ist, möchte ich nicht bezweifeln.


    Trotzdem wird die Unternehmergesellschaft im Handelsregister eingetragen und ist keine natürliche Person.


  • Müssen nicht 25% des Gewinns einer UG auf das Stammkapital gebucht werden, bis das komplette Mindest-Stammkapital der GmbH erreicht ist?
    Das macht eine UG in meinen Augen irgendwie - unattraktiv.


    http://www.gruenderszene.de/recht/ug-gewinn-ausschuettung


    EDIT: Link eingefügt

  • Zitat von "stb"

    DAS dürfte wohl eher auch nicht funktionieren, da die UG bis zum Erreichen des VOLLEN Stammkapitals noch keine "vollwertige Kapitalgesellschaft" ist und (gerade bei dieser Konstruktion: 1-Mann-UG mit sich selbst als einzigem Angestellten) somit wie ein Einzelunternehmer zu sehen ist...


    ist das derzeit aktuelle Rechtsprechung der Sozialgerichte oder woher hast Du die Info?


    Im Grunde genommen unterscheidet sich die 1-Mann-GmbH mit sich selbst als (Mehrheits-)Gesellschafter-Geschäftsführer ohne weitere Angestellte bis auf die Höhe der Stammeinlage auch nicht von dem o.g. Konstrukt. Kann man sich folglich mit 25.000,- EUR aus der Scheinselbständigkeit "herauskaufen", indem man eine GmbH gründet?

  • Zitat von "simonstpauli"


    Das macht eine UG in meinen Augen irgendwie - unattraktiv.


    Du bekommst ja als "Geschäftsführer" ein festes (selbst zu bestimmendes) Gehalt. Dieses Gehalt ist natürlich gewinnwirksam.
    Und mit der eingezahlten Stammeinlage kannst Du als Firma ja wieder investieren, das kommt nicht auf ein Sperrkonto oder so etwas. Man darf sich nur nicht den (verbleibenden) Gewinn komplett ausschütten. Aber das macht man ja eher seltener, vielmehr investiert man in neue Geräte oder erhöht sich das Gehalt... ;)

  • Zitat von "mringhoff"


    Du bekommst ja als "Geschäftsführer" ein festes (selbst zu bestimmendes) Gehalt. Dieses Gehalt ist natürlich gewinnwirksam.
    Und mit der eingezahlten Stammeinlage kannst Du als Firma ja wieder investieren, das kommt nicht auf ein Sperrkonto oder so etwas. Man darf sich nur nicht den (verbleibenden) Gewinn komplett ausschütten. Aber das macht man ja eher seltener, vielmehr investiert man in neue Geräte oder erhöht sich das Gehalt... ;)


    Das Gehalt des Geschäftsführers (=Gesellschafter) darf dann aber nicht zu hoch sein, sonst gilt das als verdeckte Gewinnausschüttung, oder? Wenn dann im Vergleich zum Umsatz keine nennenswerte Erhöhung des Stammkapitals rumkommt, wird doch irgendwann ein Prüfer hellhörig.


    Also für mich ist nach wie vor eine UG zum alleinigen Zweck der Abwehr von etwaigen Scheinselbständigkeits-Prüfungen nicht sinnvoll. Wohl aber, wenn man andere Aspekte der Rechtsform nutzen möchte. Also z.B. auch nennenswerten Materialeinsatz hat, bei dem man Stammkapital auch gebrauchen kann. Als reiner Kopfarbeiter, ich weiß nicht.

  • Zitat

    Kann man sich folglich mit 25.000,- EUR aus der Scheinselbständigkeit "herauskaufen", indem man eine GmbH gründet?


    Indirekt ja, da die GmbH als juristische Person nicht Arbeitnehmer sein kann. Was ja für die UG auch gelten müßte, da die UG ja eine "Sonderform" der GmbH ist (insofern hab ich mich weiter oben unklar ausgedrückt).


    Zitat

    Das Gehalt des Geschäftsführers (=Gesellschafter) darf dann aber nicht zu hoch sein, sonst gilt das als verdeckte Gewinnausschüttung, oder?


    Das ist steuerrechtlich richtig.


    Zitat

    Aber erstens kannst du deine Gewinne sehr gut steuern und zweitens mit dem Stammkapital ja auch arbeiten


    Nun ja, ganz so einfach ist das nicht. Denn Du kannst als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht Dein Gehalt nach Belieben rauf oder runter setzen, ohne die vGA (verdeckte Gewinnausschüttung) im Auge zu behalten. Das bedeutet aber ständiges rechtzeitiges vorausschauendes Anpassen des SCHIFTLICHEN Anstellungsvertrages. Hellseherische Fähigkeiten?


    Mögliche Steuerung des Gewinns ist aber durch angemessene Tantiemenvereinbarung möglich. Aber auch hier:Vorsicht vGA!?!


    Wenn ich Kapital zum Arbeiten brauche komme ich wohl mit 1 EURO nicht sehr weit. Da sind 25.000,00 EURO schon nicht viel, oder?


    Zu Bedenken sind auch
    - der relativ hohe "Verwaltungsaufwand" einer GmbH (der bei der UG nicht wesentlich geringer ist),
    - das Haftungsrisiko des Geschäftsführers (ein gern vergessenes Thema in diesem Zusammenhang),
    - das strafrechtliche Risiko des GF (verschärfte Insolvenzantragspflicht für UG!)
    und die Tatsache, dass ernsthafte Unternehmer/Unternehmen mit so einer 1 EURO-Gesellschaft lieber nicht so die großen Geschäfte machen wollen. Geh mal mit deiner UG zur Bank, um dein Equipment zu finanzieren oder die Lagerhalle. Die Tür ist schneller von innen abgeschlossen, als due "Guten Tag" sagen kannst. Es sei denn -ja es sei denn: Du haftest persönlich und kannst auch persönliche Sicherheiten stellen (Mal von der Tilgungsfähigkeit ganz abgesehen).


    Deshalb:

    Zitat

    Also für mich ist nach wie vor eine UG zum alleinigen Zweck der Abwehr von etwaigen Scheinselbständigkeits-Prüfungen nicht sinnvoll.


    Genau darauf wollte ich hinaus. :D