Welcher Pfad für das Gast-Pult ? -> Multi-Pulti 2017

  • Am Wochenende, Open Air, ein mitgebrachtes AVID S3L durch ein Mackie DL 1608. Übers Mackie hab ich per Ipad dann die Wege : SUB, Main PA und geflogene FAR Topteile noch extra steuern können. Alles natürlich in Abstimmung mit dem Gast FOH`ler.
    Und schön Wetter wars auch!!!!


    LG
    Traedei

  • Zitat von "monithor"

    auch wenn hier ansonsten eher ruhig ist, was neue themen angeht, kann man sachen auch totdiskutieren. vor ort ist es doch eh so wie es ist, man macht das beste draus und fertig...


    Du hast natürlich völlig Recht. Ich weiß genau, in wie vielen Threads und in welchen Schattierungen wir das schon hatten. Eigentlich ist auch längst alles gesagt, und jeder sollte wissen, wie das im Idealfall sein sollte.
    Dieser Übergabepunkt hat jedoch in meiner Erfahrung viel mehr als nur eine technisch diskutierbare "vernünftige" Seite.
    Ein Beispiel.
    Letzten Freitag hatte ich folgende Situation: die Vorortfirma hatte für ein 2000er Zelt event bedauerlicherweise zwar nettes, hilfsbereites Personal aber keinen Systemer. Ein weiterer Gasttechniker, den ich bis dato nicht kannte, hatte als Referenz seinen Auftrag über einen Systemer meines Vertrauens erhalten. Vor Ort gab es ein analog kontrolliertes System ohne Zugriff auf Laufzeiten oder System-EQ, was aber für das Setting eigentlich nötig war. Mein für mich wichtister Parameter war, dass klar war, dass ich auf diesem Job keine Zeit haben werde, irgend etwas in die Richtung zu bewegen.
    Ich habe mich auf drei Sachen verlassen:
    1. Der Kollege macht über die Matrix seines Pultes eine korrekte Laufzeitkorrektur zwischen hang und subs und sinnvolles EQing.
    2. Der Kollege ist so souverän, dass er mich unbearbeitet über Stereo line durch sein Pult in diese Matrix lässt.
    3. Alle Absprachen werden eingehalten.
    Wer die entsprechenden Threads gelesen hat, weiß, dass das ganz und gar nicht meine präferierte Situation und Vorgehensweise ist. Dass das in diesem Fall für mich funktioniert hat, liegt an Menschenkenntnis und Vertrauen und zwar genau in dieser Reihenfolge. Das hat in anderen Situationen wie angedeutet, schon ganz anders ausgesehen und ich habe genug bizarre Sachen erlebt um extrem mißtrauisch zu sein und das in anderen Fällen ab zu lehnen.
    Für mich ist diese "Schnittstelle" so eine Art psychologischer Offenbarungseid, der Umgang auf beiden Seiten wie eine Visitenkarte. Wie souverän ist jemand, wie positioniert er sich, kann er sein Gegenüber einschätzen und last but not least wieviel Profilneurose ist im Spiel.
    Daher kann ein solcher Thread trotz "Wiederholungsgefahr" auch ein Denkanstoß sein. :wink:

  • Eine Positiverfahrung gleich zu Saison-Beginn:


    Es scheint zusehends normal zu werden, dass auch auf kleineren Festivals diskussions- und stressfrei mehrere Pulte im Wechsel genutzt werden können. Obwohl manche Locals das weiter nicht mögen, eigentlich eine logische Entwicklung, da die Digitalpulte in den 1700,- bis 5000,- € Klassen in den Tourbus/Kombi wie auch immer passen, vor Ort wenig Platz an FOH brauchen und dem Bandtechniker für relativ kleines Geld die Möglichkeit bieten, wenigstens an dieser Stelle für sich konstante Bedingungen zu schaffen. Auch unterstützt wird das Ganze davon, dass immer mehr Bands mit individuellen Inear-Lösungen am Start sind, die ein entsprechendes "Umfeld" wollen gerade wenn vom Local nur Foldback-Monitor vorgesehen und kein lokaler Splitter vorhanden ist.

    Auf der Bühne, auf der ich die Ehre hatte, gab es für vier Bands ein X32 vom Local. Dieses wurde von einer Band mit dem lokalen Betreuer in Anspruch genommen, von einem weiteren Mixer unfreiwillig, weil sein eigenes Pult einer Fahrzeug-Havarie zum Opfer gefallen war. Ein Kollege hatte sein GLD80 dabei und ich war mit dem SD11i da. Der "unfreiwillige" Kollege hätte eigentlich auch ein X32 dabei gehabt, das er aber wegen seines Setups mit Plugins und Recording gern trotzdem aufgebaut hätte. Der FOH Betreuer war sehr kooperativ, der Einbau der Mergebox für das Stereomaster-Signal war für ihn geschickt, weil das einen relativ "umbauarmen" Doppelaufbau + Soundcheck ermöglichte. Das Räumen meines Stagesetups mit Drumset, Bass, Keyburg, 2 Gitarren, 5 Vocals = 22 Kanäle, allen Mikros und Stativen, allen Unterverteilungen und Kabeln dauerte nach unserem Set 12 Minuten für den Abriss und die nächste Band konnte vor der geplanten changeover-Zeit anfangen.

    Der Kollege mit dem GLD80 hatte ebenfalls ein komplettes Set mit allen Mikros, dem sagenumwobenen KLANG:fabrik Teil fürs inear, zusätzlichem Dante-Gedöns und zwei eigenen Cat5 Strippen am Start. Leider konnte ich sein Set nicht mehr erleben, da ich vor seinem Set einen unbändigen Drang in die Kiste verspürte und mich trotz vieler netter Menschen ins Hotel verabschiedete.

    Keiner hat sich beschwert, alle Zeiten wurden eingehalten, einzig das loading dock war als extrem verbesserungswürdig zu bemängeln.

    Sollte sich einer der Kollegen wiedererkennen und möchte gerne was beisteuern ... nur zu ...:)

  • Also ich wars nicht - aber ich handhabe das bei "meinen" Kapellen eigentlich nur noch so - GLD, Mixrack und ein Schlauch fürs Netzwerk auf Reserve, dazu bei einer Band vier Strecken IEM. Mikros & Looms sowie Stative sind auch dabei. Das minimiert meinen Stresspegel und freut die Band - weil sich alle wohlfühlen, ihren Sound im Ohr haben und wenn die Chefin mal wieder zu lange socialised oder nicht den richtigen Fummel findet, dann geht der Soundcheck auch mal ohne... Mann und Frau setzen da inzwischen Prioritäten. Im Pult hab ich zweierlei Routings für L/R und L/R/Sub, je nachdem, was der Kollege gebaut hat und ein bisschen Beiwerk für ein Frontfill ist fix zusammengedreht.

    Ich bin eigentluch nicht so die Diva - aber ich erwarte schon, dass vor Ort keiner in meinen Mix reinverbessert (;0).

    Bisher hab ich ein einziges Mal gehört, wir wären genau weil wir alles an Bord haben und nix vom Festival brauchen nicht festivaltauglich...

    Kein Applaus für Scheiße!

  • Ich auch nicht! Aber wie Guma schon schrieb: in Zeiten, in denen vollwertige kleine FOHs billiger sind als noch vor ein paar Jahren die Kabel dorthin, gehört das Mitbringen und Nutzen des eigenen Wohlfühlarbeitsplatzes zunehmend zur Normalität. Dagegen spricht, neben der schon oft angesprochenen 'Fly in Show'- Problematik sowie der latenten Gefahr der persönlichen Verblödung ("ich kann alles, aber leider nur noch mit meinem Pult"), aber vor allem eins: versagt die örtlich bereitgestellte Technik, lehne ich mich je nach Ernsthaftigkeit der Situation mehr oder weniger entspannt zurück und sage zum Örtlichen "unternimm was, bitte!" Versagt, aus welchem Grund auch immer, meine eigene mitgebrachte Lösung, dann habe ich in Zeiten knapp kalkulierter Zeitpläne u.U. ein richtiges Problem. Denn nicht immer (Festival) ist automatisch auch eine Ersatzlösung am Start wenn es im Vertrag heißt 'Pult stellt die Band'. Und die Gesamtschadenshöhe kann bei einem abgesagten Konzert durchaus in einer Größenordnung liegen, die den Anschaffungswert eines bunten Tonkleinrechners gleich um ein Mehrfaches übersteigt.

    Ich habe so etwas durchaus schon erlebt/ mitbekommen. Zum Glück nur als lediglich mittelbar Beteiligter – ist dann gar nicht mal soo schlimm, wenn man plötzlich eine ganze Stunde mehr Zeit für's Changeover hat, weil der Act, der vorher auf der Running Order steht, es 'aus technischen Gründen' nicht gebacken bekommt.


    Was aber auf jeden Fall sinnvoll und auch immer häufiger anzutreffen ist (auf großen Doppelbühnenfestivals sowieso, aber zunehmend auch bei kleineren Gelegenheiten): mehrere örtliche Pulte im Wechsel/ zur Auswahl; bedeutet in Relation zum Gesamtaufwand ja letztlich kaum Mehrkosten. Während der Midas Pro Liebhaber seine Patienten abmischt richte ich mir nebenan in Ruhe (okay, Ruhe kann da jetzt relativ sein^^) das olle Yammi ein (zur Not sogar incl. Update), bin lange vor Changeover damit fertig und kann anschließend noch stressfrei zur Bühne, um dort in Sachen Mikrofonierung etc. kurz noch mal nach dem Rechten zu schauen.

    Fremdpultstressproblematik optimal gelöst. :)


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Dennnicht immer (Festival) ist automatisch auch eine Ersatzlösung amStart wenn es im Vertrag heißt 'Pult stellt die Band'.

    Das ist eine Variante, die mittlerweile immer öfter vorkommt. Wenn alle Bands ihre Pulte für FOH und Monitor selbst bringen, reduziert sich der lokale Support schnell auf PA, Wedges/Sidefills und diverse Kabel.

    Wenn das 19" Festivalpult für Moderationen und Zuspieler reicht, steht schnell mal kein Pultbesteck mehr rum, auf das im Notfall ausgewichen werden kann. Das Notfallszenario kam in der Vergangenheit schon auch mal vor.

    ...Holz ist braun!

  • Das geht natürlich nicht. In meinem 2000er Festival wäre an beiden Bühnen ein X32 Full des Örtlichen das Havariegerät gewesen, das M7/32 des Jahres 2017 sozusagen. 8)

    Eine Schüssel, die alle kennen, wäre schon weiter der Job des Örtlichen und das wird, passend zur Größe mit den üblichen Verdächtigen auch so gemacht. Wie sonst mit einem CL5 wäre ich auch hier kalt lächelnd mit dem Läppe, dem passenden USB showfile und dem iPad einfach auf den X32 umgezogen und wenn das zeitlich nicht drin gewesen wäre hätte ich (psst , nicht verraten;)) die LR Summe des X32 Rack Inear Pültchens in den Merger gesteckt. Dort wohnt nämlich noch ein Stereomix von mir. Also so viel Profi muß schon sein, das man mit den gängigen Ligagerechten Havarielösungen klar kommt. Sonst sollte man das Festivalmischen einfach lassen.:)

  • Aus Deiner Sicht gebe ich Dir natürlich recht.

    Betrachte ich das mal aus Sicht des örlichen Dienstleisters sieht das schon ganz anders aus.

    typisches Beispiel:

    10000er Festival (Größe ist eigentlich nicht relevant). 6 Bands, 6 Rider. Auf jedem Rider steht:

    Wir bringen: Pulte, Mikros, IEM

    Wir brauchen: Strom, FOH Kabel (Cat, BNC, Glas), Wedges...

    So sehen aktuell bestimmt 90% der Rider aus. Von einem Ersatzpult habe ich auch auf dem noch so ausführlichsten oder überzogenen Rider nichts gelesen

    Wenn auf keinem der Rider ein Pult steht, dann wird da auch keines geliefert. Mehr als ein 19" Pult für Mod, Zuspieler, das dauerhaft auf die PA-Matrix geht, braucht es da nicht.


    Das Notfallscenario sähe dann vielleicht so aus: Mit welcher anderen Band bin ich vielleicht kompatibel? Wessen Technik ist schon am Start, bzw. wer kann auf sein Material warten. (Hängt vielleicht davon ab, mit was man deren Kühlschrank auf dem Bus füllt)

    ...Holz ist braun!

  • Jupp, da gebe ich Dir auch recht. Wenn alle so blöd sind, sich darauf zu verlassen, dass es einen Vorort FOH gibt, ohne das je gewußt, rückgefragt oder verhandelt zu haben ... selber schuld. Bin vielleicht nicht auf dem Laufenden damit, dass es inzwischen so weit ist, das keine Band mehr ein örtliches Pult nutzt. Gut zu wissen ...:)

  • Muss ja nicht mal keine Band sein – reicht ja schon, wenn der wichtige eingeflogene Amiheadliner sich ausbedungen hat, dass er das Festivalpult (welches genau aufgrund seines Riders dort steht) exklusiv ab 2Std. vor Showbeginn zur Verfügung hat. Wenn ich jetzt mit meinem Kram genau vor ihm dran bin (hat der VA extra so gelegt, weil ich ja autark bin) und die Sache spielt nicht, dann habe ich ein Problem. Es sei denn, der finstere Ami entpuppt sich zufällig als der nette und kompetente Kollege, dem ich neulich auch schon mal irgendwo aus der Patsche geholfen habe... aber man sollte sein Glück da vielleicht auch nicht überstrapazieren... ;)


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • bei der angesprochenen sachlage "eigenes, mitgebrachtes system ist defekt" kommen wir zu einer wichtigen frage:

    wer haftet bei ausfall dieses pultes?

    ok, im ersten moment denkt man: klar, natürlich die band.

    aber steht das auch so in den verträgen? bzw. welcher techniker hat schonmal die verträge der künstler wirklich zu gesicht bekommen? einen technikausfall könnte man ja auch als höhere gewalt einstufen, oder nicht?


    ich frage das, weil ich selbst noch nie einen vertrag zwischen künstler und veranstalter gesehen habe (denn da stehen ja auch die Gagen drin...)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Wiki dazu:


    "Höhere Gewalt (von lat. vis maior) liegt nach deutscher Rechtsprechung vor, wenn das schadenverursachende Ereignis von außen einwirkt, also seinen Grund nicht in der Natur der gefährdeten Sache hat (objektive Voraussetzung) und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann (subjektive Voraussetzung)."


    Wenn Dein Pult an dem Tag schlechte Laune hat, haftet der Vermieter. In dem Fall DU!

  • Wiki dazu:


    "Höhere Gewalt (von lat. vis maior) liegt nach deutscher Rechtsprechung vor, wenn das schadenverursachende Ereignis von außen einwirkt, also seinen Grund nicht in der Natur der gefährdeten Sache hat (objektive Voraussetzung) und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann (subjektive Voraussetzung)."


    Wenn Dein Pult an dem Tag schlechte Laune hat, haftet der Vermieter. In dem Fall DU!

    Moooment. Mit dem Veranstalter hat ein Bandtechniker ja nun keinen Vertrag, hat also auch keinen Einfluß auf die Vertragsgestaltung. Die Band könnte den Techniker in Regreß nehmen, nachdem sie selbst in die Haftung gegangen ist.
    Aber: den Rider (wird normalerweise zum Vertragsbestandteil, sonst wäre der Name falsch) können wir ja mitgestalten, es wäre an dieser Stelle geschickt, ein Ersatzpult auf den Rider zu schreiben. Und überhaupt das eine oder andere Spare-Gerät.