PA als (vorübergehender) Ersatz für ein Glocken-Geläut

  • Hier die Links zu den Lautsprechern:

    - Octagon-100T

    - MH-100T


    Die Abstrahlrichtung ist wie bei allen diesen Trichtern nach vorne, über den Membranduchmesser weiß ich nichts.
    Da die Lautsprecher als wetter-/staub- und dampffest beschrieben werden (im Datenblatt), erwarte ich eher "Plaste" statt Pappe als Membranmaterial. Aber aufgeschraubt habe ich die nicht.

  • bei uns hier im Thalkessel hängen seit Jahrzehnten Monacor ELA Stäbchen an einem alten Laternenmast neben der Friedhofkapelle.

    und im ömschem Nachbardorf gibts zwei große Phillips Hörner auf dem Dach der Leichenabschußrampe.

    befeuert jeweils durch Hifiamp und Tapedeck ;)


    das hört man mehrere hundert Meter weit bis der nächste Zug vorbei donnert.


    da würde ich kein komplizierten Aufriss von machen.

    Gruß an alle und an Big Määääc

  • Hier kommt nun der versprochene Bericht über die endgültige Ausführung der "Glocken-PA".

    Installiert habe ich das ganze am vergangenen Donnerstag und Freitag. Da ich die Arbeiten alleine ausgeführt habe, hat die Montage gut 10 Stunden in Anspruch genommen. Ich hatte etwas weniger Zeit erwartet, aber man sollte die Wege nicht unterschätzen, die man dabei zurück legt.


    In den Turm gelangt man über die Orgelempore, wobei man auf dem Weg dorthin schon die erste Treppe erklommen hat. Im Turm geht es dann zunächst weiter über Stahltreppen und zum Schluss gelangt man über eine ca. 5 Meter hohe Leiter in den Glockenstuhl.

    Hier ein Blick in den Turm:


    Und die Leiter:


    Hier kann man auch gut erkennen, warum die echten Glocken nicht mehr schwingen dürfen, denn das Stahlskelett hat an vielen Stellen Rost angesetzt und somit an Stabilität verloren. Am Fallrohr sieht man im übrigen meine Lautsprecher-Leitung. Die Verlegung habe ich bewusst einfach ausgeführt und nicht in Kabelrohren, denn erstens kann es sein, dass während der Bauarbeiten das Kabel noch mal verlegt werden muss und zweitens wird dieses Provisorium ohnehin nach Fertigstellung der Renovierungen wieder entfernt.


    So sehen die originalen Glocken im Turm aus (im Bild unten die größte und oben die kleinste der drei Glocken):




    Hier ein Blick auf einen der an den Schallblenden montierten Druckkammer-Trichtern:




    Das ist nun die "Steuerzentrale" mit Abspieltechnik und Endstufe, gut 130 Kabel-Meter von den Lautsprechern entfernt (ein Hoch auf die 100-Volt ELA-Technik bei der so etwas problemlos geht!), unten im Chorraum etwas versteckt hinter einer Säule:


    Da die Wände dort aus reichlich "lockerem" Bimsstein gemacht sind, wollte ich den Montage-Winkeln nicht so recht vertrauen und habe noch ein kleines Podest angefertigt auf der das Gewicht der ELA-Kiste ruht. Die Endstufe alleine (Dynacord PCL1225T, 2x 250W) wiegt alleine 26 kg, die ganze Kiste gut 35 kg.


    Im inneren dann die eigentliche Technik:


    Unten die Endstufe, oben links ein Smartphone für das Stundengeläut nebst 8-/12-/18-Uhr Angelus-Läuten, in der Mitte die Schaltung für manuelles Läuten (Gottesdienste, Beerdigungen) und rechts ein kleiner Mixer.


    Ein detaillierterer Blick:


    Da durfte sich auch meine jüngste Anschaffung, ein 3D-Drucker, so richtig austoben, mit dem ich nebst den Halterungen (Diebstahlschutz!) für alle Geräte auch das blaue Gehäuse für die Druckschalter und das anmontierte MP3-Soundmodul angefertigt habe.

    Dabei schätze ich so kleine Details wie die zusätzliche "Nase" an der linken Befestigung am Soundmodul, die verhindert, dass jemand versehentlich die Micro-SD-Karte löst (oder sie jemand mitgehen lässt):


    Alles funktioniert gut und ich hoffe sehr, dass alles über die voraussichtlichen zwei Betriebsjahre auch so gut wie möglich störungsfrei funktioniert. Immerhin lässt sich jedes Teil im Störungsfall problemlos austauschen.
    Da das Handy keine SIM-Karte eingelegt hat und auch dort kein WLAN verfügbar ist und es infolgedessen seine Uhr nicht automatisch bei Abweichungen synchronisieren kann, wird man sicher ganz gelegentlich die Uhr nachstellen müssen. Eventuell lässt sich aber eine Lösung mit WLAN später noch einrichten.


    Nun zum Klang und zur Lautstärke.
    Die Lautstärke der kleinen Druckkammer-Tröten ist beachtlich und so entsteht schon deutlich mehr als nur eine "Anmutung" eines Geläuts. Wenn sich jemand im Glockenstuhl aufhält, ist er gut beraten, einen Gehörschutz aufzusetzen, denn auch wenn die Schallöffnungen der 4 Lautsprecher nach außen gerichtet sind, "knallt" es doch auch im Turm heftig genug um Gehörschäden verursachen zu können.

    Dennoch kommt diese PA nicht ganz an das Original heran, soweit ich messen konnte, sind die Glocken (im Turm) noch gut 6 dB lauter (an den Schallblenden mag es dann aber schon wieder etwas geringer sein). Dabei arbeitet die Endstufe bei den Peaks am Limit und zwar im wörtlichen Sinne: im kurzen Moment des Ton-Anschlags leuchten die Limiter-LED´s an der Endstufe kurz auf.
    Klanglich bleibt dem Original auch der Vorzug erhalten, "edler" zu klingen.


    Aber diese Einschränkung war bei dem ganzen Konzept von vorne herein klar und bei dem maximal möglichen Budget von 3500,- € auch nicht anders zu realisieren.

    Insofern erfüllt diese Glocken-Ersatz-Technik voll und ganz die Erwartungen des Auftraggebers, man ist zufrieden und ich bin es auch.


    Nochmals ein herzliches Danke schön an alle freundlichen Rat- und Tippgeber hier in dieser Angelegenheit!

  • Toll. Respekt für die Arbeit (Vorarbeit, Recherche, Durchführung, Verbissenheit) und Danke für das Teilen! Sicherlich für den einen oder anderen interessant. Schreibst Du nochmal zusammenfassend, mit welchen Programmen und Tools das Ganze nun arbeitet? Wenn ich das recht verstehe, arbeitet Tasker für das Stundengebet. Ist dann die MP3 Kiste samt Taster für das einzelne manuelle Glickengeläut zuständig?

  • Ebenfalls Respekt! Das ist ganz einfach zwei, drei Nummern über 'möglichst teure Box kaufen >> empfohlenes Preset abrufen >> klingt (hoffentlich) anständig >> hach, ich bin Profi!'


    Mit freundlichem Gruß

    BillBo

    "Okay. Wir machen das mit den Fähnchen."

  • Danke für die Komplimente!


    Die Programme und Tools sind sehr überschaubar. Im Smartphone (Android, Samsung Note I N7000) werkelt "tasker" das sich in der Testphase als absolut stabil und zuverlässig erwiesen hat im Gegensatz zu "macrodroid", das ich zunächst gefunden und ausprobiert hatte (allerdings mit einer kleineren Anzahl tasks, was offensichtlich ein Fehler war, denn damit lief es zunächst auch stabil).
    Abgespielt werden damit zwischen 8 und 22 Uhr alle 15 Minuten ein Viertelstundenschlag und zusätzlich zur vollen Stunde die jeweiligen Stundenschläge mit ihrer Anzahl, sowie um 8, 12 und 18 Uhr ein Angelus-Läuten (dann aber ohne Stundenzahl-Läuten). Für Silvester habe ich auch ein Mitternachtsläuten eingerichtet, allerdings sollte man dann vorher mal daran denken, die Handy-Uhr zu kontrollieren und ggf. nachzustellen (wenn nicht bis dahin eine WLAN-Verbindung existiert).


    Die verschiedenen Geläute habe ich mit einem Tascam DR44WL und zwei AKG C391B Mikrofonen aufgenommen (Stereo in klein A/B nur "just for fun" und für eventuelle andere Zwecke, verwendet wird hier nur ein Mono-Signal). Die gute Rückwärtsdämpfung dieser Mikros konnte - bei sorgfältiger Aufstellung - den Straßenlärm sehr gut ausblenden.
    Bearbeitet habe ich die Audio-Files mit Samplitude (EQ/Kompression/Schnitt). Die jeweiligen Anzahlen der Stundenglocken habe ich in Samplitude zusammen geschnitten, das war weniger aufwändig als alles passend aufzunehmen.
    Ein Anekdote am Rande: aufgrund einer falschen Information des Küsters wurden alle Stundenschläge nur mit dem Ton der tiefsten Glocke aufgenommen (meiner Assistentin wurde nur dieser entsprechende Schalter gezeigt und ich hatte dazu vorab auch keine weiteren Informationen bekommen). Später stellte sich dann heraus, dass die Viertelstunden mit der hohen "Gis"-Glocke und die Stundenzahl mit der mittleren "Fis"-Glocke hätten erklingen sollen. Mit der Pitch-Funktion von Samplitude konnte ich allerdings nachträglich aus dem "Dis" der aufgenommenen tiefen Glocke problemlos die beiden gewünschten Töne erzeugen. Ich war selber erstaunt, wie gut das funktionierte, aber der Glockenklang scheint in dieser Hinsicht eher unkritisch zu sein. Ein zweiter Aufnahmetermin erübrigte sich so jedenfalls.


    Das ELV-Modul MSM3 (ein Tipp von ERICH) übernimmt das manuelle Geläut, das über die Druckknöpfe abgerufen wird. Dort sind einfach die jeweiligen MP3-Dateien auf der Micro-SD-Karte gespeichert. Über ein Flachbandkabel und Mulitpin-Anschluss können maximal 8 Dateien über Taster gestartet werden (über eine zweite, serielle Schnittstelle könnten über 65000 Dateien verwaltet werden!), die MP3-Dateien laufen dann einfach über ihre volle Länge aus und brauchen nicht gestoppt zu werden. Von der Bedienung her sind die Taster meiner Meinung nach die "narrensicherste" Lösung und eine Fehlbedienung ist so gut wie ausgeschlossen. Ein versehentlich gestartetes Geläut kann man einfach durch einen erneuten Druck auf den Taster sofort wieder stoppen.
    Eine Bedienungsanleitung habe ich innen am Deckel angebracht, ebenso ein Foto, das die korrekte Position der Potis am Mischpult anzeigt um deren Stellung sicherheitshalber kontrollieren zu können, falls man mal versehentlich etwas verstellt haben sollte. Dazu befinden sich auch entsprechende Markierungen am Pult selber.


    Nochmals Danke an FF und wora, die mich endgültig auf die 100-Volt-Schiene brachten. In Anbetracht der simplen Verkabelung, der problemlosen Schlepperei in den Turm hinauf und vor allem auch der Tatsache, dass die Trichter eventuell irgendwann mal nach Beginn der Bauarbeiten nach außen an das Gerüst umgehängt werden müssen und man dann wetterfeste Lautsprecher braucht die optimale Lösung, die auch klanglich und von der Lautstärke her den Anforderungen genügt!
    Außerdem gibt es eine verblüffend große Auswahl an bezahlbaren 100-Volt Endstufen, die allesamt für einen langjährigen Dauerbetrieb robust genug ausgelegt sind.

    Einmal editiert, zuletzt von LoboMixX ()

  • klasse arbeit!

    toller beitrag!

    damit kommst du hier gleich mal in die hall of fame!;)


    was mich zusätzlich begeistert: die ausgedruckten haltebügel! endlich mal eine wirklich sinnvolle anwendung für einen 3D drucker! ^^


    hut ab! 8)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Sinnvolle Lösung, detailliert umgesetzt und - grob überschlagen - auch noch im Budget?

    Hier trumpfen die ELA -"Druckis" mit wohl dem besten P/L-Verhältnis auf, verglichen mit einer Direktstrahler oder Horn-PA Materialschlacht.


    Gut gemacht ?

    Lieber mit Röhre geampt, als in Selbige geschaut!

  • Bin gerade dabei, die Rechnung zu schreiben. Inclusive einer angemessenen Bezahlung meiner Arbeit bleibt alles exakt im genehmigten Rahmen von 3.500,- €.
    Jede Minute meiner Recherchen dazu kann ich natürlich nicht in Rechnung stellen, aber das ist ja nichts unübliches, wenn man sich erst mal in einer Sache schlau machen muss, bevor man ein Angebot einreichen kann, ja, bevor man überhaupt entscheiden kann, ob man überhaupt ein Angebot einreichen soll oder die Anfrage besser ablehnt.
    Vor allem dieser Prozess war für mich außerordentlich informativ und lehrreich und ich habe viel neues über Glocken, ELA-Technik und einiges mehr gelernt und erfahren.
    Die eigentlichen Arbeiten, die konkrete Ausarbeitung des Konzeptes, die Ausführung und die Montage werden mir jedenfalls korrekt entlohnt.


    Eine schöne Geschichte dazu habe ich vorgestern bei einem Telefonat mit dem Geschäftsführer erfahren: Die "neuen" Glocken läuten seit Freitag Nachmittag und am Samstag gab es den ersten Gottesdienst wieder mit dem richtigen einleitendem Geläut dazu. In diesem Gottesdienst hat der Pastor die Gemeinde ausführlicher informiert über die Neuerung und dann vor lauter Freude über das Ende der Glocken-Stille im Gottesdienst spontan noch einmal das volle Geläut ablaufen lassen, worauf die Gemeinde ihrerseits spontan applaudiert habe.

    Ist doch schön, wenn man mit seiner Arbeit den Menschen eine Freude machen kann!