Unfall in Stuttgart

  • Zur Frage der BG. Sachlich zuständig ist "eigentlich" die VBG, da dort ein eigener Fachbereich "Bühnen und Studios" existiert und von dort die Regelwerke kommen. Das weiss in den Bezirksverwaltung leider nicht jeder. Da kann es Sinn machen, in Mainz beim Fachbereich anzuklingeln oder die BZ darauf hinzuweisen. Die BGETEM leitet ihre Berechtigung vom Strom ab. Es geht auch wilder. Als Fachkraft für Arbeitssicherheit betreue ich Betriebe unserer Branche, die in der BGHW sind. Oder Zeltbauer sind in der BGN statt der BG Bau.

    -> Arbeitssicherheit, Koordination Arbeitssicherheit auf Großveranstaltungen

    -> Sicherheitskonzepte

    -> Schulungen

  • ...auf der anderen Seite bleibt aber auch die Frage, warum man nicht auf andere technische Maßnahmen zurückgegriffen hat. Wie z.B. Bereiche sperren über denen gearbeitet wird, Lifelines oder Nutzung von Steigern etc.

    Das Sperren von Bereichen würde ich eher als organistorische Maßnahme sehen.


    Daraus könnte man jetzt eine theoretische Diskussion ableiten, da nach ArbSchG organisatorische Maßnahmen Vorrang vor persönlicher Schutzausrüstung haben: Müsste man wegen diesem Prinzip den Bereich unten sperren, wenn oben jemand mit(!) PSA rumkraxelt?


    (In der Praxis ist man ja schon froh, wenn der mit PSA da oben ist, das ist mir schon klar...)

    Bitte keine fachlichen Fragen per PM - Inhaber von dBmess

  • Das Sperren von Bereichen würde ich eher als organistorische Maßnahme sehen.

    da kann ich nur beipflichten, technisch wäre m.M. nach eher wenn das Rigg komplett runter fahren kann, ohne das da jemand oben hin muss.

    da nach ArbSchG organisatorische Maßnahmen Vorrang vor persönlicher Schutzausrüstung haben: Müsste man wegen diesem Prinzip den Bereich unten sperren, wenn oben jemand mit(!) PSA rumkraxelt?

    So ist es auch, denn die PSAgA schützt in erster Linie ja "nur" den der sie trägt, in dem Fall den Rigger.

    Der Person am Boden hilft ihre eigene PSA (der Helm) widerrum auch nichts bzw. deutlich weniger wenn der Rigger (wie in diesem Fall abstürzt) oder wenn ein 3,25t Schäkel, O-Ring, 1m Steel, bzw. sonst etwas runter fällt.

  • vollkommen richtig, sollte nur als Beispiel für eine eher technische Lösung dienen. :)

    Solange da keine fest installiert sind wird jemand da hoch müssen, aber die Motoren kommen zumindest mit als letztes aufn Truck, wenn der Rest großteils abgebaut ist.


    Dennoch sollte sich niemand unter in der Höhe arbeitenden Personen aufhalten, man stellt sich ja auch nicht unter ein fahrendes Rigg und schaut dabei nach oben - ob alles hängen bleibt.

  • (In der Praxis ist man ja schon froh, wenn der mit PSA da oben ist, das ist mir schon klar...)

    Micha, Du siehst mich vollkommen konsterniert. Was habe ich verpasst? Was ist aus der Regel geworden: Rigger im Dach - keiner läuft unnütz darunter durch, und der Grounder vertreibt jeden, der da lang will?


    Ich kenne das durchaus, dass der unmittelbare Bereich unter arbeitenden Riggern provisorisch gesperrt wird und darauf geachtet wird, dass sich da niemand unnötig aufhält? Oder bin ich da altmodisch?


    Mit besten Grüßen Tobias Zw.

  • Ich kenne das durchaus, dass der unmittelbare Bereich unter arbeitenden Riggern provisorisch gesperrt wird und darauf geachtet wird, dass sich da niemand unnötig aufhält? Oder bin ich da altmodisch?

    Diese Ansicht ist sooo 90er - Zeit ist Geld und ausserdem arbeiten wir doch eh alle eigenverantwortlich und selbstständig, wäre ja noch schöner würde uns irgend ein Projektleiter irgendwelche Weisungen erteilen :rolleyes:

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  • Gem. meinem ehemaligen Professor für Strafrecht, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem drohenden Strafmass und der Wahrscheinlichkeit, wie oft Delinquenten eine Straftat ausüben.


    Es sagt sich sicher auch niemand, dass er/sie auf eine PSA verzichtet, weil im Todesfall von Dritten die Strafe gering ausfällt.

    Ausserdem berücksichtigen Richter auch, wie stark jemand schon durch seine moralische Schuld gestraft ist. Und die meisten "Täter", die ein Menschenleben zerstört/ausgelöscht haben, nehmen das nicht auf die leichte Schulter.

    Der Ton macht die Musik.

  • sicher kennen wir nicht den prozessverlauf, das geringe strafmaß lässt aber zumindest vermuten, dass der beschuldigte nicht nur diese strafe zu verbüssen hat. ich bin selber mal aus 8m höhe gestürzt und kann mir daher so ganz leicht vorstellen, wie viele knochen aus 17m höhe noch heil waren. vermutlich hat er für den rest seines lebens mit komplikationen zu leben. in sofern könnte man das auch sicher verstehen, wenn der richter das mögliche strafmaß hier nicht ausgeschöpft hat. andererseits wird der kollege sicher niemals mehr ohne sicherung irgendwo hochsteigen, deshalb wäre auch eine längere bewährungsstrafe sicher erträglich gewesen (für mein verständnis).


    die geschichte von dem professor, dass die höhe des strafmaßes nicht abschreckend wirkt, kann ich hier aber nicht nachvollziehen.

    schau dir nur mal den straßenverkehr an: in der schweiz halten sich die allermeisten fahrer an geschwindigkeitsregeln, in deutschland so gut wie niemand. das hat definitiv unmittelbar etwas mit dem strafmaß zu tun.

    das sich das bei richtigen kriminellen anders verhält mag ich gerne glauben, aber für den normalen bürger ist das strafmaß auf jeden fall eine abschreckung. und wir als veranstaltungstechniker zählen für mein verständnis eher nicht zu den kriminellen menschen... die meisten jedenfalls ;)

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • schau dir nur mal den straßenverkehr an: in der schweiz halten sich die allermeisten fahrer an geschwindigkeitsregeln, in deutschland so gut wie niemand. das hat definitiv unmittelbar etwas mit dem strafmaß zu tun.

    Das kannst du so einfach nicht sagen: tatsächlich gibt es auch hier diejenigen die locker 20km/h (oder bei temporären Tempoeinschränkungen gar 40km/h) zu schnell unterwegs sind, andererseits sind die Autobahnen hier meist selbst am Wochenende so knackevoll (zumal i.d.R. 2-spurig pro Fahrtrichtung), dass höhere Geschwindigkeiten kaum umzusetzen sind - und das Rechtsüberholen, welches genauso verboten ist wie in DE, passiert z.B. ebenfalls täglich vielfach.

    Und die festinstallierten Blitzen innerorts haben auch nicht gerade wenig zu tun...

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  • ich lebe nicht in der schweiz und da hast du sicher die bessere übersicht.

    meine erfahrung sagt mir jedoch, dass man auf den autobahnen ausserhalb deutschlands deutlich stressfreier vorankommt, weil es erheblich weniger raser und drängler gibt.

    am allerbesten merkt man das, wenn man von einer reise zurückkommt und nach längerer zeit auf ausländischen straßen wieder auf deutschen autobahnen ankommt. denn dann hat man meist schon nach wenigen kilometern einen hinter sich, der sehr dicht auffährt obwohl man selbst das gerade angeschriebene limit einhält.

    und ich weiß aus vielen gesprächen, dass es anderen leuten ebenso geht. die strafen sind in deutschland vergleichsweise gering, somit nimmt das keiner so ernst. das ist zumindest meine sichtweise aus meinen persönlichen erfahrungen

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von wora ()

  • aber die Motoren kommen zumindest mit als letztes aufn Truck, wenn der Rest großteils abgebaut ist.

    Das ist aber auch in der idealen Welt - in der Realität wird doch jeder Bereich, in dem die

    Motoren frei sind direkt abgehängt (zumindest im Tourbetrieb). Die Rigger gehen ja im

    Normalfall kurz nach dem letzten Ton ins Dach - wollen ja alle zeitig zum Duschen...

  • Gem. meinem ehemaligen Professor für Strafrecht, gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem drohenden Strafmass und der Wahrscheinlichkeit, wie oft Delinquenten eine Straftat ausüben.

    So der Stand der Forschung, wobei die jetzt aber auch nicht untersuchen, wie sich kräftige Änderungen des Strafmaßes auswirken (also z.B. für vorsätzlichen Mord statt lebenslänglich nur noch 2 Wochen Freizeitarrest - ich könnte mir schon vorstellen, dass das jetzt Auswirkungen haben würde...).


    Auswirkungen habe dagegen die Wahrscheinlichkeit, verurteilt zu werden.


    Und gerade das können wir ja auch in der Praxis laufend beobachten: Wenn ich mir anschaue, wie z.B. die LärmVibrationsArbSchV umgesetzt wird, da könnte man wohl mehr als 90% der Betriebsinhaber in unserer Branche für bis zu 1 Jahr ins Gefängnis stecken.


    Tatsächlich ist wohl deswegen noch kein Einziger verurteilt worden.


    Tja...

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  • ...genau so, wie der zugebaute Wandhydrant und die aufgekeilte RS-Tür Verstöße gegen StGB §145 (2) sind. Und?


    Ketzerisch:

    a) es passieren viel zu wenige Unfälle,

    b) es wird viel zu wenig über die Unfälle, die passiert sind, berichtet und

    c) es werden viel zu wenige Leute strafrechtlich und zivilrechtlich belangt.


    So lange sich das nicht ändert, wird Veranstaltungssicherheit in Deutschland weiter larifari bleiben.


    MfG Tobias Zw.

  • @ Admin; danke für die Ergänzung. So ist es. Wenn ich bei uns einen Abschnitt fahre, auf dem es mehrere Blitzkästen hat und zusätzlich mobile Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt werden, werde ich mich eher an das Tempolimit halten, als irgendwo im Nirgendwo, wo keine Sau sich dafür interessiert.


    Aber in unserer Branche sollte die Lösung nicht in den Verschärften Kontrollen liegen, sondern in der Einsicht.


    Ich trage z.B. im Auto immer den Sicherheitsgurt. Nicht, weil ich mich vor einer Busse fürchte, sondern weil ich weiss, dass mir die Gurte das Leben retten kann.


    Deshalb poche ich auch bei Events immer auf die Sicherheit und habe dort manchmal auch die "Arschloch-Rolle", wenn ich den Leuten sage, dass sie ihre Tische, Requisiten, etc nicht in die Fluchtwege stellen dürfen und die Notausgangleuchten, die den schönen UV-Effekt reduzieren, nicht abkleben dürfen.

    Das tue ich auch, wenn ich weder für den Saal verantwortlich bin, noch sonst das Sagen habe. Man macht sich durchaus unbeliebt so. Aber wer z.B. das Video vom Station Club in den USA gesehen hat, weiss wozu diese Regeln eingehalten werden MÜSSEN!

    Der Ton macht die Musik.

  • die sache mit dem freihalten der fluchtwege ist in der tat genau so eine never-ending story.


    neulich hat mir mal ein kollege eine geschichte erzählt, wo er als meister beim aufbau einer veranstaltung darauf hinwies, dass an einer bestimmten stelle keine theke aufgebaut werden darf - weil fluchtweg. er wurde daraufhin von einem bürgermeister zurecht gewiesen, der sagte "das wird heute trotzdem so gemacht, basta". er hatte dann versucht diese ansage von diesem bürgermeister schriftlich zu bekommen, aber der hatte dazu "keine zeit".

    er hat es dann also zugelassen. später hat er dann herausgefunden, dass besagter bürgermeister in dem moment gar nicht weisungsbefugt gewesen wäre (weil ganz anderer fachbereich) - und damit wäre dieser im falle eines unglückes wohl fein raus gewesen. ergo wäre der, der dann die arschkarte gezogen hätte, der meister gewesen. er hat sich nur durch die resolute ansage beeindrucken lassen und wollte an der stelle keinen wieteren stress verursachen. es ist dann alles gut gegangen, zum glück. aber an solchen geschichten kann man gut erkennen, wie "normalbürger" zum thema gefahrenabwehr wirklich stehen.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang

  • Wie immer in unserer Branche kann man Vorschriften durch Gegenmaßnahmen und Gefährdungsbeurteilungen umgehen.
    Ich habe auch schon Getränkebars vor Fluchtwegen gesehen als Gast. Wenn alerdings bei einem Saal für 2000 Leuten bei 300 geladenen Gästen ein Notausgang versperrt ist während der Notausgang direkt daneben frei ist und noch genügend andere Ausgänge frei sind sehe ich wenige Probleme. Ich würde sowas eben kommunizieren und nach dem Vieraugenprinzip mit einem ebenso ausreichend zur Gefährdungsbeurteilung befähigten Kollegen die Situation und meine Gedanken besprechen.
    Genauso verhält es sich mit Notausgangsbeleuchtung im nur für eingewiesenes Personal zugänglichen Bereich. Da wird eben das Notausgangsschild abgehängt, dafür auf den Boden mittels Leuchtklebeband sämtliche Stolperfallen sowie der Weg markiert und alle Personen auf der Bühne eingewiesen. Allenfalls besser als eine Veranstaltung abzusagen.

    Oder im Haus Auensee haben wir auf Tour die Stufenbeleuchtung der Empore abgeklebt, weil die für eine Schwarzlichtnummer viel zu hell war. Da die Empore nicht verkauft und entsprechend gesperrt war sehe ich da kein Problem.

    Das ist jetzt kein Plädoyer dafür, alle Vorschriften außer acht zu lassen. Aber regelmäßig geht nicht alles nach Vorschrift, dann macht man sich eben Gedanken wie man das Ziel der Vorschrift dennoch erreicht. Im Theater hat man das Problem regelmäßig. Nur ein Beispiel aus unsrer Prüfungsvorbereitungsschulung vor ein paar Jahren: Regisseur möchte einen brennenden Stuhl auf der Bühne, der mittels Zugstange nach oben fährt im Stück. Nach gängigen Vorschriften so nicht machbar. Trotzdem von der Gefahr händelbar, es gibt unzählige Varianten diese Vorgabe absolut sicher durchzuführen

    Aber mit der Diskussion sind wir meilenweit vom traurigen Ursprungsthema entfernt

  • so wie ich den kollegen kenne, hat er das ganz sicher alles gut bedacht - und wenn er damals gefährdungspotential gesehen hat, dann nicht ohne grund.


    das ursprungsthema trifft es nicht ganz, das stimmt. aber irgendwie gehört das ja auch dazu.

    mit kollegialen Grüßen
    Wolfgang