Ich bin ja inzwischen auch schon in einem Alter, in dem man die besten Zeiten seines Hörtalents längst hinter sich gelassen hat. Das bei 11kHz das Ende der Wahrnehmung erreicht ist, dürfte klar sein. Die verminderte Dynamik der Ohren ist den meisten Menschen dagegen weniger bewußt bzw. erklärbar. Beispiel: mit 20 konnte ich bei Soundchecks von Livebands am Mixer stehend hören, ob am Keyboard ein zu betätigender GND Lift das störende surren beheben könnte. Heute muss ich schon mal was näher vor die Box treten, um überhaupt zu hören ob alles ruhig ist. Das alles führt 40 Jahre später im Umkehrschluss zu folgender Praxis:
Alltag: hören geht gut, piept zwar durchgehend in beiden Ohren wenn ich drauf achte, aber nicht zu ändern.
Livesound, Band: geht gut, Sound ist eigentlich immer recht brauchbar bis gut. Unfallfreies Fahren sagen ich immer dazu. Soll heißen, keine spektakulären Effekthaschereien, wenig bis keine Rückkopplungen - halt all das was man nach 40 Jahren so kann. Mir fällt aber auf, dass ich viel bei 300 - 500Hz im Master dünnner mache, und nach wie vor ungern den Mix bei 2 - 4kHz "laut" habe. Mein Verhältnis zu Höhenreglern 10k ist inzwischen neutral - die interessieren mich nur noch zum entschärfen, also eher weniger machen. Grundsätzliches Problem bei Livemix mit alten Ohren: ich neige dazu manchmal insgesamt zu viel Wucht im Mix zu haben, nicht unbedingt zu laut, eher zu dynamisch.
Sprachveranstaltungen: das mache ich extrem oft, sehr viel Kabarett und Comedy in allen möglichen Größenordnungen. Und da kommt mein verschlissenes Hörvermögen zu gewissen Vorteilen. Was ich am Ende des Saals hören kann, sollten mindestens 90% der anwesenden Gäste auch hören können. Ich achte immer unmittelbar nach Beginn einer Show ob die hinteren Reihen über den/die Gaukler lachen können. Das ist das Zeichen das es laut genug ist, und die Sprachverständlichkeit nicht nur für mich ok ist. Ein junger Mensch mit tiptop Hörvermögen fährt die Sache womöglich um einiges leiser, hat sich viel Mühe gegeben bei 8 oder 10k noch ein paar Filterchen zu setzen - aber einige Leute kommen in der Pause und beklagen sich über die nuschelige Verständlichkeit. Zu viele Mitten (weil der junge Mensch ja "oben rum" noch super hören kann), und oftmals zu nah am Feedback, weil der die Höhen drin lässt. Ich bin inzwischen (und da schließt sich der Kreis) ein Freund des Highcut und Mittenabsenkung geworden. Grade bei Sprache mit Kugelheadsets oder Lavalieren, hilft das enorm die Sache stabil laut zu bekommen.
Im Fazit komme ich dem Alter entsprechend immer noch gut mit den Ohren zurecht. Weiß aber sehr gut, dass es mal "deutlich" besser war. Das ist übrigens auch normal, denn genau wie mit den Augen lassen die Ohren im höheren Alter auch nach. Bei den Augen merkt es jedoch tatsächlich jeder, weil man nicht mehr gut lesen, oder in die Ferne gucken kann. Bei den Ohren nicht, weil das Gehirn scheinbar einiges kompensiert.
Letztens hatte ich während einer Veranstaltung ein interessantes Gespräch mit dem inzwischen 72jährigen Soundmann einer extrem bekannten Kölschrock Band, der auf raten eines Ohrenarztes diverse Hörgeräte ausprobiert hatte. Sein Fazit: stört mich bei Fahrrad fahren, der Wind zischt so. Und der Ohrenarzt sagte außerdem zu ihm: wenn er laut genug mixt, könne er genau so hören wie besser hörende Besucher auch. Da ist was dran, immerhin macht er immer noch den Job. Auch der frühere Soundmann von "Bap" erklärte mir letztens noch, trotz seiner mittlerweile Ü70 immer noch gut die Anforderungen der Pavel Popolski Veranstaltungen durchführen zu können.