-wer was macht, macht auch mal Mist
Und wer nichts macht, macht in den meisten Fällen mehr als Mist. Ob es um Zivilcourage geht oder die Beachtung elementarer Sicherheitsregeln. Manchmal ist es auch besser nichts zu tun oder die Klappe zu halten. Da hier aber ein gewissen Würgreiz einsetzt:
-ist alles, was ich bis jetzt gemacht habe, Regel konform gewesen?
Bei vielen vielleicht nicht und sicher auch nicht bei mir. Aber versucht man dies bestmöglich oder entscheidet man sich aus wirtschaftlichen Gründen dagegen? Oder kommt man gar aufgrund des Austausches mit anderen Fachkundigen zum Schluss: Die Regel taugt nicht oder geht nicht weit genug bzw. nutzt man andere Wege um ein äquivalentes Sicherheitsniveau zu erreichen?
Es wäre manchmal besser, statt nur die Einhaltung von Regeln (die man vielleicht noch nicht mal versteht) lieber die Einhaltung der Schutzziele umzusetzen. Dazu gehört auch das eigene Tun und Denken und dessen Folgen zu hinterfragen. Da bräuchte es nicht zwingen das x-te Scheinchen und Zertifikat. Ja bisweilen widersprechen sich die tollen Regeln auch. Aber oftmals haben sie einen Sinn, bisweilen liegt Ihr Entstehen sogar darin, dass schlimme Dinge passiert sind. Manches schlägt auch über's Ziel hinaus oder ist praktisch kaum mehr umsetzbar.
Trotzdem: Sicherheit ist kein Zufall, kein glücklicher Zustand und nur sehr bedingt verhandelbar.
Was aus den Opfern geworden ist interessiert hier offensichtlich auch keinen
Doch. Aber hier ist ein Forum wo diese persönlichen Schicksale nicht ausgebreitet sollten, sondern wir als Branche uns fragen warum es diese überhaupt gab - und wie man soetwas vermeiden kann. Opfer heißen bei uns gerne eben auch: Tote. Bekanntlich können die weder posten noch haben sie eine Stimme. Betroffenheit schließt klare Betrachtung nicht aus, umgekehrt braucht es nicht zu jedem klaren Fakt noch Rührseligkeit.
Unter der Wahrung der Persönlichkeitsrechte lese ich gerne aber einen guten Beitrag darüber, wie es den Opfern ergangen ist! Ganz ehrlich: Am liebsten natürlich von Menschen, die dies in einen sensiblen und vielschichtigen Interview mit den Betroffenen herausarbeiten und mit recherchiertem Hintergrundwissen ergänzen und einordnen.
Es gibt also nicht den verantwortlichen für das Desaster.
Was wir nicht vergessen sollten: es ist eine Verkettung von Zufällen, teilweise sicher vorhersehbar, die dazu geführt hat.
Nicht den oder die. Eine großer Unfall, eine Katastrophe o.ä. tritt meistens als ein Versagensfall von mehreren Faktoren auf - da führt aber nicht Gottes (Un)gnade hin, sondern eine kausaler Fehlerpfad - gerne auch "Kette von Ereignissen" genannt. Und da ist die Kette nicht zwingend so schwach wie das schwächste Glied, sondern es reicht oft eine (1) Sache oder Änderung aus, damit aus tragischen Ergeignissen eben genau keins wird.
Das Ereignis hätte an vielen Stellen vermutlich duch simple, billige, planbare Maßnahmen verhindert werden können - und da sollte jeder aufgerufen sein nachzudenken, ober er/sie nicht eines Tages nicht die Person ist. Im besten Fall machen das viele, so dass es nicht den einen Held oder Heldin braucht. Und auch hier hätte manch Schreibtischtäter wohl was retten können.
Die Frage ist schon, ob man etwas "vergisst", "übersieht" oder ob man z.B. eine Sicherheitseinrichtung "überbrückt". Oder warum Dinge mit unterschiedlichen Maß gemessen werden. Corona zeigt es: Offenbar kann auch eine fünfstellige Personenanzahl wiederholt völlig ungeschoren Auflagen ignorieren, die jedes Kulturforum mit 30 Besuchern an den Rand der Schließung / Existenz bringen würden - ist halt keine UEFA-Veranstaltung mit ominösen und in den Bereich der Kriminalität reichenden Geldflüssen.
Das war jetzt ja keine Dorfparty (die durchaus sicherer sein kann!) mit Leichtsinn, sondern da haben sich viele Menschen vorher Gedanken um Sicherheitsfragen gemacht oder machen sollen. Und die Faktoren sind mehr als gut bekannt. Man weiß sogar sehr wohl, wie Menschen in Massen, in Panik, bei Evakuierungen, etc. reagieren.
Würden andere Branchen so arbeiten? Ja auch dort passieren Unglücke - aber wenn mit der Mentalität z.B. Ingenieure Brücken, Schiffe, Flugzeuge, Chemieanlagen oder ähnliches designen würden... Auch da heißen Fehler Tote. Auch dort gehen Dinge schief - oft aber aus purer Absicht denn aus Unwissen. Und die wissen:
Absolute Sicherheit ist kaum erreichbar bzw. gesellschaftlich auch nicht gewollt, weil dann eben vieles noch teurer oder schwieriger wird. Die gefühlte Sicherheitstoleranz zwischen Auto und Flugzeug ist auch gänzlich anders, die Gesellschaft ist manchmal bereit mehr Risiko zu akzeptieren und manchmal eben nicht. Und hier erwartet man als Besucher einer Veranstaltung schon, dass man lebend und unversehrt wieder aus dieser herauskommt.
Um ganz ehrlich zu sein habe ich auch schon Dinge getan die hochgradig riskant waren. Jeder der sich hier zum Moral Apostel stilisiert
Wir alle haben vielleicht mal Mist gebaut, wir haben auch mal dumme Dinge gemacht und vielleicht auch mal gemerkt, dass Dinge nicht sicher waren. Aber man kann gerade dabei auch merken: Hoppla, das war scheiße oder hätte auch richtig, richtig schief gehen können. Und die macht man dann eben nicht nochmal. Also ich und ziemlich viele andere. Und da hört die Schwelle besser lange vor hochgradig riskant auf. Das kann man bie Dingen tun, die nur einen betreffen (auch wenn Angehörigen, Freunden oder dem Klinkpersonal oder dem Bestatter manches auch gerne erspart werden dürfte).
Und wer diese Form von Selbstreflektion, kritischem Hinterfragen oder im Idealfall auch Fehlerkultur nicht hat, der sollte m.E. besser Dinge tun, die nicht das Leben oder die körperliche Unversehrtheit anderer gefährdet oder wenigstens nur minimal beinträchtigt. Punkt.
Unsere Branche hat in vielen Teilen gemerkt, dass ein immer höher, weiter und toppen von Emotionen und Erfahrungen irgendwann auch ein mehr an Sicherheit braucht. Und viele würden heute nicht mehr das tun, was sie früher noch getan haben. Und das ist dann handfeste Erfahrung oder fundierte Meinung aus eigen Erleben und sicher kein aufspielen als Moralapostel. Auch wenn sich das jetzt am Samstagabend wie das Wort zum Sonntag lesen mag.