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... das ist also nach wie vor noch unausgegoren.
So sehe ich das allerdings auch. Die ganze File – Austauscherei und – Laderei klingt auf den ersten Blick bestechend und plausibel, funktioniert in der Praxis aber nicht. Warum, das hat Mediennutte schön auf den Punkt gebracht.
Ich stelle mir gerade den Tonchef eines einigermaßen ordentlich arbeitenden VT – Vereins vor. Der hat (während seine Jungs schon mal nebenan die Cateringhighlights anchecken, bevor sich die Musiker derer annehmen können) gerade 2 oder 3 Stunden damit verbracht, mit seinem LS9/ M7/ PM5 eine mittelkomplizierte Beschallung einzunorden. L, R, Nearfills, Subs; ein, zwei Haus - Delay Lines, die ‚Nebenbeschallung’ ums Eck, Abgriff für den Foyerton. Alles sorgfältig geroutet und zugewiesen, mittels Mixgains und – Eqs. einander angepasst, und über Outputportdelays laufzeitkorrigiert. Geht ja alles mit den Kisten, also wird es aus Kostengründen auch damit gemacht.
30 Minuten vor Einlass stolpere ich ihm als Headliner – Chefmischer aus dem verspäteten Shuttle oder Tourbus entgegen. Entdecke den M7, und drücke ihm lässig meinen USB – Stick in die Hand. Hier, bitteschön, mein Mix.
Seiner uneingeschränkten Begeisterung kann ich mir gewiss sein. Wenn er clever ist, drückt er heimlich schnell einen Kaugummi in die USB – Buchse. Schade, funktioniert irgendwie gerade nicht. Bist du sicher, dass dein Stick in Ordnung ist?
Generell habe ich manchmal den Eindruck, es gibt mindestens zwei verschiedene Konzertbeschallungswirklichkeiten: die, über die hier diskutiert wird. Und die, in der ich arbeite.
Ich bin nun schon eine Weile unterwegs. Hin und wieder durchaus auch mal mit einem Act, der international ganz passabel am Start ist; in guten Jahren 200 oder 300 Tage. Wie oft hätte das wohl geklappt: im Vorfeld Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Tonverantwortlichen, präzise Absprachen betreffs Technik, Setup – File per Email, und am Tag X ist wirklich Alles genau so, wie ich es mir vorgestellt habe?
Und morgen ist schon wieder Tag X.
Ein Drittel fällt schon mal raus. Voll – oder Teilproduktion. Da nehm’ ich das mit, was mir gefällt (oder doch lieber das, womit ich ordentliches Geld verdienen kann? Ist aber ein anderes Thema). Dann stehen halt auch mal 5 identische Digipulte am FOH. Wenn’s die Abrechnung erleichtert, ist das in Ordnung.
Im zweiten Drittel bin ich leider nicht Headliner, sondern Programmpunkt unter ‚ferner liefen’. Das ist schön einfach; da gelten übersichtliche Regeln. Zeitlich: fertig und unsichtbar sein, wenn Headliner und Zeitplan es wollen. Technisch: gegessen wird, was auf den Tisch kommt; ‚XL4’ steht da wahrscheinlich nicht drauf.
Bleibt das letzte Drittel. Ein buntes, oft leider all zu buntes Gemisch. Bulgarische Veranstalter, die sich sehr viel Zeit mit der Vorkasse lassen. Portugiesisch (ausschließlich portugiesisch) sprechende Frontplatzbetreuer. Russische Clubspecs. Amerikanische Promoter, die genau wissen: die MÜSSEN hier spielen, sonst kriegen sie ihre Tour nicht voll.
Wechsel in der Bandbesetzung, von denen ich eine Viertelstunde vor Konzertbeginn zufällig erfahre.
Verspätungen. Verspätete Shuttles, PA – Crews, Musiker, Hands. Endlose Wartereien. An der Sperrgepäckausgabe, auf den spanischen Bandbetreuer, auf das unauffällige ‚Go’ des TLs (die Sache mit der Gage VOR Konzertbeginn scheint dann also doch noch geklappt zu haben). Ab dann dafür Hektik pur. Welches Pult hätte hier lt. Absprache eigentlich stehen sollen? Egal, mit dem 25 Jahre alten ‚Hill’ wird’s halt irgendwie auch gehen. Der ukrainische Securitychef guckt schon so merkwürdig.
In Deutschland muss es keineswegs besser laufen. Der Veranstalter interessiert sich nicht für technische Details und verweist auf seinen Dienstleister. Der weiß noch nicht, ob er den Job wirklich macht, weil er darüber noch keinen Vertrag hat. Außerdem müsste er das geforderte Pult noch zumieten, und der Kunde meckert jetzt schon über’s Angebot. (Übrigens, braucht ihr wirklich ein Monitorpult?) Der am Ende tatsächlich durchführende Techniker ist natürlich nicht der, mit dem ich Telefonkontakt hatte, sondern ein eingesprungener Freelancer mit allenfalls ausreichenden Kenntnissen über das gestellte Material. Derweil meldet sich die Tourneeagentur, ich höre die Worte ‚Vorverkäufe’ und ‚Budget’ raus, und dass man sich noch mal zusammensetzen müsse.
Bei all dem Kuddelmuddel käme ich mir mit meinen Files irgendwie.....verloren vor.
Was mache ich falsch? Warum hat meine empfundene Wirklichkeit regelmäßig so wenig mit den hier besprochenen Ideen zu tun?
Gibt’s Rente wirklich erst mit 67?
Mit freundlichem Gruß
BillBo