Aus gegebenem Anlass – die Open Air – Saison steht vor der Tür bzw. hat begonnen – möchte ich eine (fast digitalfreie) Problematik ansprechen, die mir sehr gut in diesen Thread zu passen scheint:
Gelegentlich bin ich als Monitorer mit div. Acts der etwas härteren und schnelleren Gangart unterwegs; allesamt eher solche, die man, verglichen etwa mit dem weiter oben behandelten Herrn Michael, nicht unbedingt in erster Assoziation mit dem Prädikat „musikalisch – künstlerische Sensibelchen“ in Verbindung bringen mag. Gleichwohl gastieren wir regelmäßig auf großen und manchmal auch auf sehr großen Bühnen. Klassischer R&R – Aufbau: vorne tollen 3 bis 4 Musiker mit und ohne Gitarren herum, 5m dahinter betreibt ein athletischer Trommler auf seinem Aufbau Hochleistungssport. Ebenfalls klassisch das Monitorsetup: 3 – 5 Mixe vorne, Drum Fill, Side Fills. I.E. eher unpopulär.
Auf den Side Fills dabei im Wesentlichen neben Gesang und Soli viel (Double-) Kick und Snare, die das musikalisch – rhythmische Geschehen für die im vorderen Bereich herumwirbelnden Akteure auch außerhalb deren Hot Spots leidlich zusammen halten müssen. Alles nicht besonders aufregend, und auf Bühnen zwischen 10 und 20, 25m Breite hat das 20 Jahre lang recht zufriedenstellend funktioniert; die lebhafte Fraktion vorne kam mit den sich (für sie) ständig ändernden Laufzeiten der Sidefillsignale ganz gut klar.
Seit ein, zwei Jahren jedoch begegne ich auf größeren Festivals hin und wieder einer Unsitte, die vor allem schnell und präzise spielende Drummer ernstlich behindern und im Extremfall eine ganze Show an den Rand des Abbruchs bringen kann: die Verwendung von Line Arrays als Side Fills. Wer, um Himmels Willen, kommt auf die Idee, dass das sinnvoll funktionieren könnte? Hoch unterm Bühnendach geflogen, mit 100 Grad horizontaler Abstrahlung die gesamte Bühne nebst angrenzender Arbeitsflächen gleichmäßig beglückend, dazu vielleicht noch mit den schon diskutierten Anfangslatenzen (Digi – Pult, analoge Inserts, danach wieder analog in den viel zu langsamen Systemprozessor, usw.) vorbelastet, machen sie das Alptraumszenario des Hochgeschwindigkeitstrommlers zur Wirklichkeit: sofern er lieber dankend darauf verzichten möchte, sich von infernalischen Drumfill – Leveln malträtieren zu lassen, hört er von vorne links und rechts laut und deutlich vor allem das, was er neulich mal gespielt hat. Was aber bei Balladenrock oder auch AC/DC – Stampfern noch als Slapback - Schönheitsfehler durchgehen mag, funktioniert bei schnellen 16tel – Doublekick – Passagen einfach überhaupt nicht mehr und kann im schlimmsten Fall für völlige Konfusion auf der Bühne sorgen.
Ich bin kein Musiker, habe den Effekt aber bei mehreren Gelegenheiten von verschiedenen (gestandenen Profi -) Drummern vorgeführt bekommen; glaubhaft gewürzt mit manch unzweideutigem, nicht postingfähigem Kommentar.
Die wenig elegante „Lösung“ bei 15min. Changeover: Side Fills aus; stattdessen Wedges quälen, bis sie hüpfen. Optimal geht irgendwie anders.
Liebe Kollegen/ PA – Verleiher/ Disponenten, auch und gerade dann, wenn Ihr eine große und namhafte Company vertretet: das mag beeindruckend aussehen – aber es funktioniert einfach nicht! Klar, die Leasingraten für die sündhaft überteuerten Querhängekisten schmerzen; die Dinger müssen ackern für ihr Geld. Aber doch bitte, bitte nicht als Side Fills auf großen, lauten R&R – Bühnen. Verkehrter geht’s überhaupt nicht. Dort brauchen wir das genaue Gegenteil von 100 oder 110 Grad: eng abstrahlende Systeme, möglichst nahe am Geschehen positioniert, und dabei mittels sorgfältiger Ausrichtung auf gewünschte zu beschallende Bühnenbereiche derlei Laufzeitproblematiken gar nicht erst aufkommen lassend.
Sieht das wer ähnlich, oder hatte vielleicht schon das gleiche Problem? Müssen wir tatsächlich unsere Rider um den fett gedruckten Satz „No line array type side fills, please!“ ergänzen?
Mit freundlichem Gruß
BillBo