moinsen.
Da ich letzte Woche ein kleines, aber etwas "anderes" Festival als Babysitter hinter mich gebracht habe, möchte ich kurz meine Eindrücke zum Thema Analog-FoH mitteilen.
Erst einmal die Fakten:
Bestuhltes Konzert mit Platzkarten-Vvk, recht ruhiges Publikum, 2 max. 3 Acts pro Abend.
Musik reichte von klassischen Elementen über Pop bis hin zu Electro, der verwendete Saal ist generell eher für akustische Übertragung mittlerer Ensembles konstruiert, daher mit dem zusätzlich reingezimmerten dVDosc nicht so ganz einfach zu handhaben. Monitormix wurde vom FoH aus erstellt.
Als Pult wurde eine alterwürdige XL3 mittig bei 2/3-Entfernung aufgestellt, ein buntes Siderack mit Square One, 2 Voicemaster, 1066, BSS 402, SPX900, 990, M-One, D-Two. EQ´s waren DN370 für die Front, sowie DN360 für Monitore (aufgrund weniger TT-Adapter (war nicht das eigentlich dazugehörige Siderack) nicht insertiert), erster Schreck für den Planer - brummende Monitore: "Wie, die 360er sind unsymetrisch???"
Als Multicore wurde das im Haus installierte genutzt, welches direkt 5 defekte Kanäle aufwies. Desweiteren wurden hauseigene Delays und Nearfills benutzt, welche sich allerdings mangels Zusatzcontrollers am FoH nicht weiter beeinflussen ließen als im Pegel.
Grund für den Analogplatz waren u.a. die Rider, in zweien wurde explizit ein Analogpult gefordert. Die anderen Mischer waren beim eintreffen auch im Allgemeinen erfreut über das Pult.
Die Begründungen waren immer die gleichen: schnellere Bedienbarkeit, Übersicht, besserer Klang.
Jetzt meine Eindrücke, die ich über 4 Veranstaltungstage sammeln konnte:
Bedienbarkeit und Übersicht im Allgemeinen:
aus meiner mittlerweile digital geprägten Sicht, eher schlecht - selbst ich als relativ hoch gewachsener Mensch (1,87m) musste mich strecken um an´s Gain zu kommen, Scalen ablesen konnte man ganz knicken, mit dem Kopf unter den Pultrand herunterbeugen um EQ und Effekte einzustellen (durfte ja alles nicht zu hoch sein), zum patchen hieß es über eine Stuhlreihe zu klettern, um in einem dunklen Dockhouse herumzuwursteln. Die 4 Schwanenhals-Lämpchen am Pult wirkten zusätzlich etwas unterdimensioniert.
Nachdem ich mir zwischenzeitlich dummerweise noch eine Hand verletzt habe, kam mir irgendwann der Begriff "Barrierefreiheit" in den Sinn...
Auch gab es noch den ein oder anderen gedrückten Polarity-Schalter, der sich optisch nicht unbedingt aufgedrängt hat, sowie in meinem Fall den typischen Parallaxe-Fehler beim drehen an den Auxen aus dem Augenwinkel, d.h. einfach mal am falschen Kanal gedreht
Ein Kollege hat sich aufgrund sehr unstrukturierter Arbeitsweise schon bei dem recht einfachen Analog-Setup mit 12 Kanälen immer wieder ein Ei nach dem anderen in den Weg gelegt - dass es hier Probleme an einem Digipult gibt, glaube ich gerne. (Ich musste ihm 3mal die EQ-Reihenfolge erklären - FoH L, FoH R, Aux1, Aux2, Aux3, Aux4, Aux5, Aux6, von oben nach unten...zugegeben, ich hatte vergessen die Dinger zu beschriften)
Schnelligkeit:
Bei der einen Band ohne eigenen Tonmann, war ich definitv etwas langsamer, als ich es an einer M7, SD8/9, iLive oder VI gewesen wäre - ohne solche Dinge wie Patching, etc. zu beachten, die ich digital (da ich nicht um´s Pult herumlaufen und verknotete Stecker im Halbdunkel entwirren muss) schneller hinbekomme.
Auch die Arbeitsgeschwindigkeit der Kollegen war nicht so, dass ich mit dem gucken kaum hinterher gekommen wäre - was allerdings auch völlig irrelevant ist, wenn man bei 10 Kanälen 1,5 Stunden Zeit für den Soundcheck hat.
Desweiteren war ich letzten Endes froh, dass kein Kanal von 2 Acts benutzt wurde, so dass alle Einstellungen beibehalten werden konnten, abgesehen vom Master-EQ. 2 Bands haben deshalb sogar noch Kanäle wegfallen lassen.
Klanglich:
war NICHTS dabei, das mich hätte von analog überzeugen können - was nicht heißt, dass es schlecht war. Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass 80% mit einer Standard-M7 (ES kenne ich noch nicht aus eigener Erfahrung, da wird ja auch viel gemunkelt) ohne zusätzliches Outboard genauso geklungen hätte, wenn man weiß wie es geht - oder besser. In der Tat war es so, dass der ein oder andere Mischer aufgrund der akustisch schwierigen Situation (vor allem im Bassbereich) nach dem Konzert mit eher langem Gesicht abgezogen ist.
Praktisch jedes Digitalpult hätte einem da noch ganz andere Möglichkeiten alleine aufgrund der EQ-Ausstattung zur Verfügung gestellt.
Gerade der unorganisierte Kollege (s.o., aber trotzdem ein netter Kerl), der mir im Vorfeld etwas von "amazing analogue Summing" erzählt hat, war tendenziell einfach zu laut und mit Matschsound (u.a. aufgrund der Lautstärke) behaftet.
Fazit:
Es ist nicht so, dass ich sagen will, schmeisst den Analogkram weg, der kann eh nix.
Ich habe vollstes Verständnis, wenn jemand sagt "Ich kann damit besser arbeiten/macht mehr Spaß/habe ein besseres Gefühl dabei/Pult X mit Kompressor Y und Reverb Z macht halt genau den Sound den ich haben will..."
Was mich vehement stört, ist dieser Absolutismus mit dem die Leute ankommen: "Digital klingt nicht/schlecht (bzw. gut nur dann wenn da VI6 drauf steht) / kann man nicht vernünftig bedienen / stürzt immer nur ab (Anmerkung: Ich hatte bis jetzt trotz gerade mal 8 Jahren wirklich in dem Job arbeitend mehr defekte Analogkonsolen und erst recht Siderackgeräte/Verkabelungen als digitale, teilweise sogar bei fast neuen).
Aber wenn man solche Aussagen nur auf sich bezieht, stellt man sich natürlich in ein schlechteres Licht, also wird verallgemeinert.
Interessanterweise scheint es dafür heutzutage kaum mehr so eine grosse Rolle zu spielen ob da nun eine Yamaha- oder Midas-Konsole steht - hauptsache analog.
Nur ein paar Überlegungen zum Thema Analog-FoH meinerseits...
P.S.: Der Knaller kam überigens nach dem ersten Abend, als der Veranstalter festgestellt hat, dass man aufgrund des großen Aufbaus von hinten eine sehr eingeschränkte Sicht hatte - man könne ja das Pult 20cm niedriger stellen, so dass der Mischer dahinter sitzen kann. Dies habe ich dann aus Gründen aufgrund potenziell gesundheitlicher Gefährdung der Kollegen durch die Notwendigkeit sich öfter seitwärts bewegen zu müssen abgewährt. FoH umplazieren ging ja nicht aufgrund der Platzkarten.
P.P.S.: Auch das Clubkonzert gestern abend mit bandeigenem Analog-Studiokompressor-Siderack im Wert von ca. 15.000€ konnte mich nicht recht überzeugen - das könnte aber an den 110dBA nur von Bühnenseite aus gelegen haben