Okay, dann machen wir mal das PA-Forum-typische...
...und kommen vom Hölzchen auf's Stöckchen und machen aus einer einfachen Praxisfrage eine mehrbändige, ausufernde Grundsatzdiskussion. Wobei sich dieser Spezialfall wirklich für eine entsprechende Betrachtung anbietet!
Wie der oder die arme Isar im Ausgangspost geschrieben hat, gibt es eine Bühnenbildnerin und eine "Bühne", heißt, um den korrekten Terminus zu verwenden, eine Szenenfläche.
Nun wäre es wertvoll zu wissen, ob es bei dem Vorgang versicherte Arbeitnehmer (Angestellte, freiwillig versicherte Unternehmer, Schüler, Studierende, ggfs. Vereinsmitglieder...?) gibt. Falls die Frage mit Ja beantwortet würde, wäre die Unfallverhütungsvorschrift DGUV-V17 unmittelbar anzuwenden, da es sich dann um eine Veranstaltungsstätte handeln würde1.
In diesem Falle wäre durch den Unternehmer die Leitung und Aufsicht durch eine Bühnen- und Studiofachkraft2 zu gewährleisten. Wer ist Bühnen- und Studiofachkraft? Zuallererst mal: Eine Person, die den entsprechenden Beruf gelernt und einen entsprechenden Abschluss3 erreicht hat. Welche Qualifikation genau erforderlich ist, hängt von der Art der Gefährdungen ab: Die Bühnen- und Studiofachkraft muss über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um alle auftretenden Gefährdungen erkennen und bewerten zu können und geeignete Maßnahmen zu deren Abwehr festzulegen. Wenn wir in die entsprechenden, einschlägigen Regelungen der DGUV4 schauen, werden wir feststellen, dass - zumindest nach meinem Dafürhalten - bei dem beschriebenen Aufbau ein Meister für Veranstaltungstechnik anwesend sein müsste, aber mal zumindest eine Fachkraft für Veranstaltungstechnik.
Diese Bühnen- und Studiofachkraft wäre auch die richtige Ansprechperson für die im Ausgangspost gestellte Frage gewesen, und hätte von ihr beantwortet werden müssen - bei aller Liebe zu den meisten meiner Mitforisten ist ein Internetforum halt leider im Regelfall keine gültige Quelle für verbindliche, sicherheitsrelevante Informationen...
Im anderen Falle, dass es sich in Ermangelung versicherter Personen bei der Aufführung nicht um eine Veranstaltungsstätte im Sinne der DGUV-V17 §§ 1 und 2 handelt, wäre diese Unfallverhütungsvorschrift natürlich auch nicht unmittelbar bindend.
ABER: Dann hätten wir bei der Aufführung bzw. bei dem Aufbau immer noch einen Veranstalter oder einen Betreiber, die als Verursachergaranten5 verkehrssicherungspflichtig sind. Heißt: Die Person, die die Bauzäune aufhängt bzw. in ihrem Verantwortungsbereich aufhängen lässt, muss das Notwendige und Zumutbare unternehmen, um zu verhindern, dass Grundrechte Dritter dadurch verletzt werden können. Handelt die verkehrssicherungspflichtige Person nicht demgemäß, dann verletzt sie ihre Sorgfaltspflichten und handelt fahrlässig6.
Allerspätestens im Zivilrecht wird als Sorgfaltsbegriff dann die "objektiv erforderliche Sorgfalt" als Maßstab herangezogen werden: Ein Gericht wird also nicht fragen, ob es der oder die Beschuldigte in der individuellen Situation besser hätte wissen können, sondern ob die beschuldigte Person es besser hätte wissen müssen. In erster Ableitung folgt daraus einer der wichtigsten Grundsätze zur Vermeidung von Fahrlässigkeitstaten: "Was man nicht kann, muss man lassen!"
Tut man also etwas, was man nicht ausreichend kann, und Grundrechte Dritter werden daraus resultierend verletzt, hat man fahrlässig gehandelt, mit allem, was dann so an BGB § 8237 und StGB §§ 222 und 2298 im Angebot ist...
Was bedeutet das für den Ausgangsposter? Wenn ich eine gefährliche Handlung ausführen soll, bei der ich selber keine Ahnung habe, wie ich sie sicher gestalten kann, bin ich so oder so in der Pflicht, mir entweder die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen oder geeignete und zuverlässige Personen9 damit zu beauftragen, um Dritte zu schützen. Heißt ganz konkret für Isar : Die hier im Thread bisher gegebenen Hinweise sind alle gut und richtig, aber hol' Dir bitte mal einen vertrauenswürdigen und kompetenten Meister oder Ingenieur zur Hilfe, der die Situation vor Ort beurteilt und eine geeignete, normkonforme, praktikable und sichere Lösung mit Euch findet. Alles andere ist - insbesondere von uns Foristen hier - Stochern im Nebel, Mutmaßungen und vor allem für Dich, liebe/r Isar , falls es schief gehen sollte, haftungsmäßig ganz, ganz doof...
In diesem Sinne: Weitermachen!
Mit freundlichen Grüßen Tobias Zw.
1 DGUV-V17 § 2: "Veranstaltungsstätten alle Betriebsstätten in Gebäuden oder im Freien mit Bühnen oder Szenenflächen für Darstellungen einschließlich der erforderlichen Einrichtungen und Geräte."
2 DGUV-V17 § 15 (1): "Der Unternehmer darf Leitung und Aufsicht der Arbeiten in Veranstaltungs- und
Produktionsstätten nur Bühnen- und Studiofachkräften übertragen."
3 DGUV-R 115-002 zu § 15: "Bühnen- und Studiofachkräfte sind besonders qualifizierte Personen, die
aufgrund ihrer Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen die ihnen übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen können. Dies sind insbesondere Ingenieure bzw. Master und Bachelor für Veranstaltungstechnik, Meister für Veranstaltungstechnik, Fachkräfte für Veranstaltungstechnik."
4 DGUV-I 215-310 "Sicherheit bei Produktionen und Veranstaltungen", Anhang 1 und 2
5 Wikipedia: "Garantenstellung aus Eröffnung und Beherrschung von Gefahrenquellen" - daraus resultiert die Verkehrssicherungspflicht : "Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu schützen."
6 Auch Wikipedia: "[Fahrlässigkeit] bedeutet, dass der Täter bei Eintritt und Verursachung des tatbestandlichen Erfolges die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat."
7 BGB § 823: Schadenersatzpflicht - deliktische Haftung
8 StGB § 222 ist die fahrlässige Tötung, StGB § 229 die fahrlässige Körperverletzung
9 Wenn die beauftragten Personen nicht geeignet und zuverlässig sind, habe ich nämlich wieder als Auftraggeber fahrlässig gehandelt und muss mir ggfs. ein Auswahlverschulden zuschreiben lassen...