Mit Streaming aus der Krise
Der Marburger Veranstaltungstechniker Flashlight stand während des ersten Lockdowns quasi mit dem Rücken zur Wand, denn die Veranstaltungsbranche lag komplett brach. Flashlight hat sich nun auf Streaming spezialisiert – und so die Chance der Krise genutzt.
Marburg
Aus der Krise können auch Chancen erwachsen – diese Binsenweisheit bewahrheitet sich auch in der Corona-Pandemie. Ein Beispiel dafür ist der Marburg Veranstaltungstechniker Flashlight. Im März – während des ersten Lockdowns – blickte Flashlight-Geschäftsführer Arwed Fischer wenig positiv in die Zukunft. Gerade waren Veranstaltungen wie Oberhessenschau oder Marburger Frühling ebenso abgesagt worden wie Konzerte, Tourneen und kulturelle Veranstaltungen. Fischer sagte damals: „Wenn es keine Veranstaltungen mehr gibt, kann ich den Laden abschließen.“
Nun, acht Monate später und im zweiten Lockdown, ist Arwed Fischer wesentlich entspannter. „Damals haben wir erst einmal versucht, die Situation zu verstehen – dieser Vorgang ist immer noch nicht so ganz abgeschlossen, und wir mussten unheimlich viel lernen“, sagt Fischer. Flashlight habe Corona-Hilfen in Anspruch nehmen können. Und für Fischer steht damals wie heute fest: „Das Wirtschaftliche ist der eine Teil. Aber viel wichtiger sind die Menschen.“ Für Arwed Fischer sind die Mitarbeiter „eine große Flashlight-Familie. Und die besteht nicht nur aus den Angestellten, sondern auch aus Menschen darüber hinaus. Die alle sind es, die zählen“ – das sei in den 30 Jahren des Firmenbestehens schon immer so gewesen.
Ziel sei es immer gewesen, diese Familie zusammenzuhalten. „Also haben wir geschaut, welche Ressourcen wir haben, was wir können, wo es Bedarfe gibt – und wie wir damit Geld verdienen können.“ Das sei aus heutiger Sicht „ganz gut gelaufen“, sagt Fischer. Um sich neu aufzustellen, sei es hilfreich gewesen, dass Flashlight in den vergangenen 30 Jahren „immer bescheiden in unseren Verhältnissen“ gelebt habe – und den Job „mit Leidenschaft und Disziplin“ gemacht habe. „Wir haben immer versucht, für jeden unserer Kunden etwas möglich zu machen – für jedes Budget.
Und manchmal auch, wenn es kein Budget gab“, sagt Fischer. So sei über die Jahre „ein unglaubliches Netzwerk entstanden, in dem die Guten uns am Ende geholfen haben. Und natürlich auch, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Sache glauben und wollen, dass es diese Firma weiter gibt. Denn es ist keine normale Firma“ – sondern eben die Flashlight-Familie.
Durch das Netzwerken seien auch viele alte Kontakte reaktiviert worden. „In der Branche ist gerade niemand auf Rosen gebettet – daher helfen sich jetzt alle.“ Das schaffe „in dieser Scheiß-Zeit einen Ausgleich über Menschlichkeit und Empathie“. Ja, Geld spiele eine Rolle, „das braucht man zum Überleben. Aber diese Branche lebt von ihrem Spirit und ihrer Kultur – das versetzt Berge und macht Spaß.“ So schwierig die Situation gerade sei, so spannend sei die Zeit auch. „Das sagt sich relativ leicht, weil ich davon überzeugt bin, dass wir die Zeit überstehen werden“, sagt Arwed Fischer. Und: „Corona hat dazu geführt, dass wir intensiv über unsere Firma nachdenken mussten.“ Das Ziel: Den Transformationsprozess einleiten und alte Zöpfe abschneiden.
Doch wie kam Flashlight auf das Thema Streaming? „Wir machen schon seit Jahren Firmen-Veranstaltungen und beherrschen das Thema Video – da ist der Weg zum Streaming nicht mehr so wahnsinnig weit“, verdeutlicht Fischer. Klar habe man viel lernen müssen, „und wir mussten auch investieren. Das konnten wir uns zum Glück leisten, weil wir gut gewirtschaftet haben“, sagt der Geschäftsführer – und Flashlight habe sich auch „von Dingen getrennt, von denen wir glauben, dass wir sie in den nächsten Jahren nicht mehr brauchen werden“. Große Tourneen werde es in absehbarer Zeit wohl nicht geben, „das Geld haben wir in Equipment investiert, das wir nun benötigen“. Dennoch sei die Lernkurve recht steil gewesen. „Unser erstes Streaming war Robert Overbeck beim virtuellen ,Tanz in den Mai’“ – mit der Oberhessischen Presse, mr//media und Vila Vita als Partner. „Bei dieser Streaming-Reihe haben wir unglaublich viel gelernt, dafür sind wir sehr dankbar“, sagt der Flashlight-Chef. und: Auch über dieses Projekt wurde das Netzwerk erweitert.
Wer Arwed Fischer kennt, der weiß: Halbe Sachen gibt es nicht. Also hat er sich mit seinem Team weiter intensiv mit Streaming & Co. beschäftigt – und in der Folge das Lager am Firmensitz auf dem Tannenberg komplett in ein Hochregal-Lager umgebaut, „um Platz für ein TV-Studio zu schaffen“.
Auch dabei spielte das Thema Netzwerk mit alten Weggefährten eine große Rolle: Alle haben geholfen – vom befreundeten Messebauer bis hin zum Licht-Designer, um kostengünstig ein professionelles Studio mit perfektem TV-Licht zu schaffen. „Ich habe Schaufensterpuppen besorgt und wir haben mit dem Licht-Designer das Beleuchten geübt – dass diese erweiterte Flashlight-Familie so funktioniert, darauf können wir stolz sein.“ Und: Auch die Azubis hätten sich „richtig ins Zeug gelegt. Die haben in den vergangenen sieben Monaten eine Entwicklung hingelegt – das hätte ich nicht für möglich gehalten“, lobt Fischer.
Und auch das Streaming-Angebot von Flashlight hat enorm zugelegt: Konzerte, den „Marburger Wirtschaftstag“ oder jüngst die Veranstaltung am Marburger Garten des Gedenkens, alles bringt Flashlight in höchster Qualität ins Netz, das Unternehmen ist quasi das „Netflix“ der Region. „Das Ganze funktioniert aber nur, wenn wir den Laden gesund halten. Das ist eine enorme Anstrengung, die gerade von Tag zu Tag schwieriger wird“, sagt Arwed Fischer. Denn der zweite Lockdown trifft erneut auch die Veranstaltungsbranche extrem hart.
Derzeit wird noch die IT neu aufgebaut. Arwed Fischer schaut auch nach vorne: „Nächstes Jahr gilt es, weiter Gas zu geben – um zu schauen, wie wir uns für die Zukunft positionieren können.“ Denn er glaubt nicht, dass das Thema Corona so schnell vorbei sein wird. Doch für ihn steht auch fest: Streaming schön und gut – „aber wenn es wieder Konzerte und Tourneen gibt, können wir sofort wieder loslegen.“