Was geht denn hier ab?
Okay, zurück ins wirkliche Leben. Nun ist es so weit: auch in NRW ist seit heute Mittag das
Füllhorn eröffnet. EUR 9.000,- Soforthilfe; u. a. auch für Solo-
Selbständige. Anfangs ist offensichtlich gleich mal der Server
zusammengebrochen…
Wie gehe ich nun persönlich mit
dieser Situation um?
Da ich seit 40
Jahren selbständig bin und seit mindestens 10 Jahren praktisch
ausschließlich von mittelgroßen Tourneen und Live- Konzerten lebe
(und das nicht schlecht), erfülle ich die formalen
Mindestvoraussetzungen (mindestens 50% Einnahmenverluste im Vergleich
zu den Vormonaten) für die kommenden Monate mit links – sämtliche
für diese Zeit vereinbarten Aufträge fallen weg, Umsatzerlöse 0,00
sind deutlich weniger als 50%, Ersatz ist nicht in Sicht.
Festivalsaison dürfte ebenfalls komplett ausfallen, und von einer
Wiederaufnahme des internationalen Band- Tourneebetriebs im Herbst "so
als wäre nichts gewesen“ - wie sich das offenbar im Moment fast
alle so erträumen – gehe ich ebenfalls nicht aus. (Es sei denn,
übermorgen kommt jemand mit dem eilzulassungsfähigen Wundermittel
um die Ecke, das die Notwendigkeit intensivmedizinischer Behandlung gegen dieses Virusdings auf nur noch äußerst wenige Extremfälle beschränkt.)
Andererseits:
aktuell sehe ich mich nicht in einer akuten Bedürfnislage. Meine
Hausaufgaben als Selbständiger habe ich lange gemacht. Laufende
Kosten sind ausgesprochen übersichtlich. Private Rücklagen (beim
Einzelunternehmer ja praktisch identisch mit den Reserven für
geschäftliche Un- oder Notfälle) sind in dem Maße vorhanden, dass
ich notfalls auch ein ganzes Jahr oder länger auf dem Sofa
verbringen könnte (trotzdem gruselige Vorstellung). Wäre indes ganz schlecht für die Altersrente,
die auch nicht mehr sooo weit entfernt ist. Zahle seit ein paar
Jahren freiwilligen Höchstbeitrag in die GRV, damit man das Ergebnis dann
anschließend irgendwann tatsächlich auch mal Rente nennen kann.
Kurz und gut – ich hadere mit mir und habe fast ein paar Skrupel, dieses Geld auch tatsächlich abzurufen.
Andere haben es in der augenblicklichen Situation sicherlich nötiger
als ich.
Wiederum
andererseits zahle ich seit über 40 Jahren brav gesetzliche Renten-
und Krankenversicherungsbeiträge; ohne irgendwelchen Schmu mit KSK,
proforma- Mindestlohnbeschäftigungen o. ä., und auch über so
manche Durststrecke hinweg. Der Gedanke, dass da jetzt so manch ein 'Selbständiger‘ mit diesen 9000 Euronen über, sagen wir mal, 3
Monate gerechnet unverhofft die einnahmenstärkste Zeit seines bisherigen
Berufslebens verbuchen wird, relativiert derlei Skrupel dann schon
wieder ein wenig.
An Einzelselbständigen,
speziell in meiner Altersgruppe, dürfte es gerade in unserer Branche
ja doch noch so einige geben. Wie würdet bzw. werdet ihr mit dieser Situation umgehen?