Moin,
Zitat von "Jobsti84"
...schwere Pappen...
Nachteil daran: Die Dinger wollen richtig Power haben und ne schwere Pappe kann niemals so filigran wie ne leichte klingen, au net mit massig Antriebkraft.
Ob meine Ergänzung im Widerspruch zu Deiner "niemals so filigran"-Aussage steht weiß ich nicht.
Grundsätzlich verhalten sich Chassis, eingesetzt und betrachtet unter ihrer jeweiligen ersten Membranresonanz, genau so wie berechnet. Die Mms sagt also, isoliert betrachtet, nichts über filigran oder nicht, nichts über schnell oder langsam.
Es kommt aber immer zu einer Anregung der Membran oberhalb der Trennfrequenz, zumindest durch Antriebsklirr, und auch durch nichtlineare Einspannungen. Der dabei entstehende Klang wird stark vom Klang des Papptrichters selbst, also dem Material, seines Gewichts, Steife, Form... beeinflusst. Schwere Membranen wirken in der akustischen Wahrnehmung tendenziell "massiver", leicht zu verwechseln mit träger. Aber das rührt nur vom subjektiven Eindruck her, schwere Membranen zeigen in der Regel lautere tiefe Resonanzen, und leisere hohe Resonanzen, als leichte Membranen. Klopft mit der Fingerkuppe auf die Membranen, dann hört ihr das.
Verbaut man die Chassis in BR, treten weitere Effekte auf, welche diesen subjektiven Eindruck stützen. Schwere Pappen werden in der Regel in kleineren Gehäusen verbaut, und damit das bei diese Chassis regelmäßig höhere Verschiebevolumen nicht zu Strömungsgeräuschen führt, wird die Portfläche vergrößert. Beides, die Volumenverkleinerung und die Portvergrößerung, führt zu deutlich längeren Kanälen, die in der Folge auch tiefere parasitäre Längsresonanzen zeigen. Das steht natürlich auch dem "filigranen" Klangeindruck im Wege.
Wofür sind die schweren Pappen, um eine Zahl zu liefern: Mms 250-300Gramm bei 18", denn gut? Dazu sollte man erstmal die Frage stellen warum die Mms denn so hoch ist. Diese Chassis haben einige konstruktive Merkmale, welche die Mms erhöhen:
Dickere Polplatten (höherer Spalt) und größere Schwingspulendurchmesser sind nötig, um genügend Feldlinien zum Spalt zu führen, weil Eisen nicht mehr als gesättigt werden kann.
In direkter Folge müssen die Spulen eine größere Wickelhöhe haben, und zusammen mit dem größeren Durchmesser der Schwingspule wird der Draht deutlich länger, bzw. muß für gleichen R_e deutlich dicker sein. Insgesamt ergibt sich so ein überproportional höheres Metallgewicht der Schwingspule.
Mit den größeren Schwingspulen verlängert sich günstigerweise die Klebelinie zur Spider, die bei modernen Konstruktionen zusätzlich den Löwenanteil der Federsteife liefert und zur dauerhaften Reduktion des DC-Displacement wesentlich massiver ausgeführt wird (z.B. aus zwei, oder gar drei "gewöhnlichen", zusammengeklebten Spidern besteht). Zusätzlich vergrößert sich insgesamt die Spider, denn ein überproportional größerer Außendurchmesser verringert die Biegewinkel. Damit steigt der mitschwingende Gewichtsanteil der Spider. Doch es wird auch alles deutlich stabiler.
Will man zusätzlich längeren Hub ergeben sich weitere Gewichtserhöhungen aus beiden voranstehenden Absätzen.
Die Mms ergibt sich somit nicht aus Jux und Dollerei, sondern ist Folge der vom Markt formulierten Wünsche:
-Mehr Hub
-Verschleißfestigkeit, zwingend gekoppelt mit mechanischen Maßnahmen für:
-geringes DC-Displacement
-hohe thermische Belastbarkeit
Der Lautsprecherentwickler plagt sich nun mit den Folgen:
-hohe Mms
-(vermeintlich) hohem Leistungsbedarf, und
-der Schwierigkeit lange große Ports in immer kleineren Gehäusen unterzubringen, und
-den Folgen langer großer Ports, u.A. tiefliegende laute parasitäre Resonanzen
-dem trägen aber massiven und tiefen Klangeindruck solcher Konstruktionen.
dennoch kann man die Vorteile nutzen, und sich z.B. darüber freuen, daß es deutlich einfacher geworden ist großsignalfeste tief abgestimmte BRs zu bauen.
Wer begreift, daß bisherige BRs in schöner Regelmäßigkeit mit 3-fach überhöhter Leistung im Kotzbetrieb betrieben werden, kann lässig erkennen, daß der Leistungsbedarf eben nicht höher ist, trotz deutlich höherem Output. Bisher haben z.B. 18" BRs bei 1kW vor allem Krach erzeugt, ungefähr 600 Watt der 1000 wurden in Klirr umgesetzt. Mit den modernen "Schwer-"Pappen gibts stattdessen, dank des größeren Hubs, auch ohne höhere Leistung deutlich mehr Nutzschall. Und eine um den geschätzten Faktor 10 längere Standzeit. Wer nun 5kW draufbrät ist selbst schuld, der Gewinn aus klirrärmerer und weniger durch den maximalen Hub begrenzter Nutzschallabgabe ist eigentlich schon DER Fortschritt schlechthin. Auch wenn Simulationen geringere Wirkungsgrade zeigen, der große DC-freie Hub macht den kräftigeren Bass.
Wer meine Texte verfolgt weiß schon lange, daß ich solche "Schwer"pappen in CBs betreibe, die Nachteile gegenüber BR halte ich für real vernachlässigbar, die Vorteile schmeicheln meinem musikalischen Empfinden. Und ja, auch ich kenne wirtschaftliche Belange, will aber niemals wieder zurück zu vordergründig billigen Lösungen mit wenig haltbaren Chassiskonstruktionen von vorgestern, die es immer noch zu kaufen gibt, z.B. als 18" Topmodell eines amerikanischen Massenherstellers.
Insofern muß ich vor Chassis ohne ausgewiesene Doppelspider warnen, das rechnet sich niemals. Als relativer Cheapey für Leichtpappenfans darf der 18PS76 gelten. Und zum Erhalt der BR-Konstruktion als unverbesserliches Massenphänomen empfehle ich den Herstellern auch weiterhin die Klasse unter 200Gramm/18" unter DC-Aspekten zu pflegen. Das dauert noch, bis in der Oberklasse CB die Regelkonstruktion ist.
Viele Grüße, Bernd