Auf Tour mit der SD8
0. Rahmenbedingungen
Kleine Tour mit bekanntem deutschen Popsänger in Stadthallen bis 1500 Besucher. 36 Inputs, alles live.
Technik: Ein DiGiRack speist Inputs an SD8 (FOH) und SD9 (Monitor). FOH ist Master, Monitor nutzt für seine Outputs ein zusätzliches D-Rack mit 32/16 über Cat5.
SD8 hat neue V300-Software.
In der Startsession der SD8 existierte nur ein Snapshot. Jeden Tag wurde die Session mit dem Snapshot unter neuem Namen gespeichert und darin weitergearbeitet. Alle Recall Scopes gesetzt.
1. Vorbereitung
Unglaublich anstrengende Offline-Vorbereitung.
Die Darstellungsgrößen der einzelnen "Editor"-Fenster lassen sich immer noch nicht anpassen und zwingen selbst bei einen 1920x1080-Bildschirm zum ständigen Scrollen nach oben und unten. Warum kann man die Teilbildschirme nicht kleiner anzeigen lassen und nebeneinander anordnen?
Es können nach wie vor keine Werte direkt eingegeben werden (z.B. EQ, Comp, Aux) oder wenigstens die Potis mit dem Cursor bewegt werden.
Nein, alles muß mit der Maus geschehen. Da bricht man sich die Hand. Im Bus oder Zug oder mit einem Touchpad braucht man da gar nicht anfangen, denke ich.
Natürlich kann man sich einen Kanal mit Grundeinstellungen zurechtbasteln und dann kopieren oder als Preset ablegen, aber wenn man wirklich schon "vormischen" will und in jedem Kanal was ändern will, geht das wirklich nur zeitraubend mit der Maus.
Liebe DiGiCos, das verdirbt mir wirklich den Spaß, weil ich auf eine Offline-Vorbereitung angewiesen bin. Schaut doch mal bei Yamaha, dort gibt es sogar Shortcuts für Fader/Potis auf 0dB oder „aus“.
2. Positives
Das Pult klingt gut. Die Gates tun was sie sollen, die Kompressoren auch. Schön der zusätzliche Highcut überall. Man kann im Vergleich zu den weit verbreiteten LS9 und M7 mehr als vier Effekte nutzen. Die Layer lassen sich völlig frei mit Inputs und Outputs belegen, dadurch kann man sich seine Mischoberfläche sehr ergonomisch gestalten. Alle Fader haben eine farbig hinterlegte LCD-Beschriftung. Netzwerkanbindung für WLAN funktionierte (nur ist dann der Editor auf dem Laptop wieder ein Graus).
3. Sehr Negatives
Es gab leider fast jeden Tag eine andere Überraschung in Form von vergessenen bzw. nicht funktionierenden Patchings:
Zuerst war es ein Gruppeninsert, der angelegt war und angezeigt wurde, aber nicht funktionierte. Nachdem ich den Patch herausgenommen und wieder hineingeschrieben hatte, ging es plötzlich.
Am nächsten Tag spielte plötzlich der CD-Player (Local Input am Pult) nicht, obwohl beim Inputmeter im Pult ein Signal angezeigt wurde. Hier half ein „Re-Patch“ nichts, ich mußte das Pult herunterfahren, dann ging es wieder.
Zweimal passierte es, daß Effektreturns nicht mehr funktionierten. Ich hatte 7 interne Effekte im Einsatz (Aux => Effekt => Stereo-Return => Stereo-Master). Beim ersten Mal funktionierten zwei der sieben Effekte nicht, indem zwar die Inputs im Effektgerät zu sehen waren, aber in den Effektreturns nicht ankamen. Hier half wieder ein „Re-Patch“ der Returns. Drei Tage später fehlten zwei andere Effekte mit den gleichen Symptomen, hier half aber nur ein Neustart des Pultes.
DCA-(„CG-VCA-Style“)-Mutes bleiben NICHT erhalten bei Neustart. Ganz schlimm! Ich mute alle Inputs über einen Gesamt-DCA nach der Show, speichere Snapshot und Session, fahre das Pult herunter, und am nächsten Tag ist dieser Mute weg!
Liebe DiGiCos, ich benutze ein Digitalpult, um mir eben keine Gedanken mehr darüber machen zu müssen, ob ein Effekt oder Patch auch am nächsten Tag so funktioniert. Es kann nicht sein, daß ich jeden Tag alle Effektgeräte durchprobieren muß. Diese Fehler traten nie plötzlich während der Show auf, sondern immer nach dem Einschalten des Pultes am Nachmittag.
4. Negatives
Bei manchen Hindernissen in diesem Pult frage ich mich, ob die Entwickler ihr Pult jemals in Livesituationen getestet haben.
Die wichtigsten Sachen:
a) Output Delays - Edit: RTFM gelöst, mit 2nd Function, wunderbar.
b) Gang-Parameter nicht einstellbar
Gang (Yamaha: Link) kann man die Kanäle nur vollständig. Man kann zwar mit der 2nd-Function Parameter kurz aus dem Gang herausnehmen, um nur einen Kanal zu ändern, aber insgesamt ist das trotzdem sehr unpraktisch, daß man nicht (wie z.B. bei Yamaha) z.B. den Gain oder den Kanal-On aus dem Gang herauslassen kann. Zwei Anwendungsfälle: Percussion mit gleichem EQ, aber unterschiedlichem Gain; oder das Sparemikro, das als Gang immer die aktuellen Einstellungen des Mainmics übernehmen soll, aber natürlich nicht gleichzeitig angeschalten sein darf.
c) Mono-Gruppen haben kein Pan für Stereo-Master
Das konnten schon alte Spirits. Ich habe eine Monogruppe, darin einen (analogen) Insert, und will nun diese Gruppe im Stereobild verteilen. Geht nicht.
d) Effektdelays stark verbesserungsbedürftig
Die beiden internen (Effekt-) Delays haben keine Umschaltung der Werte von ms auf BPM (ja, wenn Schlagzeuger nach einem Click spielen, dann ist der in BPM). Außerdem fehlt die Auswahlmöglichkeit, welche Notenwerte delayed werden sollen.
e) Macros blinken nicht
Und wenn wir gerade bei Delays sind: Die will ich tappen mit den Macros, das geht. Aber warum blinken die (blinkfähigen) Macrotasten dann nicht mit? Die einzige Kontrolle ist dann das kleine Licht in dem kleinen Effektgerät, das ich dazu extra aufrufen muß.
f) Multiband-Comp geht nicht „on the fly“
Und der schöne Multiband-Comp klingt zwar gut, aber wenn ich mich während der Show entscheide, in einem Kanal vom normalen Comp auf Multiband umzuschalten, dann schaltet der den normalen Comp ab und startet genullt. Wenn ich also meinen Sänger schon mit Threshold X und Gain Makeup +6 dB bearbeitet habe, fällt das erstmal weg. Warum nicht beide zusammen nutzbar machen oder zumindest eine Möglichkeit des „on the fly“-voreditierens schaffen, damit ich Multiband und Monoband ineinander übergehen lassen kann?
g) Der Bildschirm ist zu flach, für Sitzkonzerte unbrauchbar.
h) Der Bildschirm läßt sich teilweise schlecht ansprechen, kleinere Knöpfchen in den Effektgeräten habe ich ohne Maus nicht hingekriegt.
5. Außerdem verbesserungswürdig
a) Phantom Power per Hardware
Bitte eine Funktion programmieren, mit der man die 12 "DiGiCo-Buttons" unter den Gain-Potis auch mit Phanom On/Off belegen kann. Man spart dadurch zwei Bildschirm-Klicks. Wie oft benutzt man denn im Vergleich die Phase Reverse-Funktion? Vorteil wäre auch, daß man mit den erleuchteten Buttons viel schneller den Status ablesen könnte.
b) Mute/Select austauschbar machen
Ich wünsche mir eine Funktion, mit der ich die toll ergonomischen, beleuchteten, aber so gut wie nie verwendeten Mutetasten mit den unscheinbaren, unbeleuchteten und ständig verwendeten Selecttasten tauschen kann.
c) Arbeiten im Dunkeln
Schwarze Fader, schwarze Potis und nur zwei LED-Pultlampen, die viel zu dunkel sind. Wie wäre es mit optionalen Fader- und Potikappen in Signalfarben? Dann könnte man auch die vier EQ-Bänder besser unterscheiden. Oder in jeden Kanal (Input und Output) einen Button integrieren wie "To Overview", um sich ausgewählte wichtige Kanalzüge immer dort anzeigen zu lassen?
d) Overview-Bildschrim
Der Overview auf dem externen Bildschirm ist derzeit sinnlos, weil man sich nur klein die Layer anzeigen lassen kann. Warum nicht den jeweiligen EQ dort groß anzeigen lassen, um damit den Bildschirm nicht zu blockieren.
e) Dokumentationen und Bugfixes online verfügbar machen
Es bringt nichts, Release Notes nur den Käufern der Pulte zu schicken (siehe V300). Auch die freien Techniker müssen das wissen, denn die werden gebucht, um die Pulte zu bedienen.
Freue mich auf Eure Meinungen und Ergänzungen!
Viele Grüße!
Ivo