Erfahrungsbericht DiGiCo SD11

  • Nachdem ich eine lange Orientierungsphase für eine professionelle Mischlösung, die mit Stagebox bequem 'ein Mann + Kombitauglich' sein und meinen LS9-16 ersetzen soll, hinter mir habe, habe ich mich für dieses Pult entschieden. Dabei sehr geholfen hat die Tatsache, dass der Hersteller seit der Vorstellung des Produkts zweimal den Preis senken konnte. Wie man in den Nachbarthreads zum Thema Kompaktheit lesen konnte, sind da die Alternativen der verschiedenen Hersteller gar nicht so üppig und werden noch mal sehr viel weniger, wenn man ein bestimmtes Level an Komfort und Ausstattung anstrebt.


    Das Pult liegt mit 22 Kg nackig zwar über dem LS9 ( 12 Kg ) dem GLD80 ( 16Kg ), dem Si Compact 16 ( 14,5 Kg ) und dem Si Compact 24 ( 19,5 Kg ) lässt sich aber mit einer leichten Case-Lösung noch alleine wegschleppen. Es lässt sich mit bis zu 16 analogen local ins und 8 outs auch mal schnell an eine vor Ort noch vorhandene Analogcore-Lösung anbinden und die Digi-Stagebox muss für solche kleinen Applikationen nicht zwangsmitgeschleppt und das Digicore nicht zwangsausgerollt werden. Umgekehrt ist das Pult jedoch mit allen DiGiCo Racks/Stageboxen zu verbinden. Das war natürlich eine zweite Entscheidungshilfe, denn ich kann das Pult zusammen mit dem schon vorhandenen MADI/DigiRack nutzen und kriege auch diese Packung mit einer BNC- oder Kombikabeltrommel noch bequem in den Kombi.


    Das Beste an diesem Pültchen und damit auch das für mich wichtigste Merkmal war, dass man gegenüber den Produkten anderer Hersteller bei dieser Kompaktversion auf die wenigsten Dinge aus den großen Pulten verzichten muß. Die Audiobearbeitungsmöglichkeiten sind nur ein wenig in der Zahl aber nicht in der Ausführung reduziert. Wichtiger jedoch ist die Bedienoberfläche. Hier wurden lediglich die Anzahl der Fader und der Bankencoder, jedoch nicht der Schirm, nicht die Kanalbedienelemente und auch keine anderen optischen oder mechanischen Bedienhilfen des User Interfaces reduziert. Auf der Hardware-Bedienoberfläche findet man tatsächlich sofort alles wieder, was man von den großen Pulten kennt und in der identischen vertrauenserweckenden Qualität. Die Anordung der Taster und Encoder ist beim Channelstrip gleich, bei anderen Teilen der Bedienelemente zum Platz sparen gering verändert. Innerhalb des Schirms in gewohnter Größe ist alles nicht nur ähnlich sondern identisch zu den größeren Modellen. Das allein ist schon sehr viel mehr, als man für den sehr moderaten Preisunterschied zu den Mitbewerbern mit Mikrobenschirmchen und Billigtastern erwarten darf. Darüber hinaus hat man wie bei SD9 die Quick Select Buttons und zusätzlich zwei waagrechte Scrolltasten für die Kanalauswahl für Leute hinzugefügt, die nicht so gerne den Screen betatschen ( touchophobie :D ) obwohl man die Kanäle durch Berühren des screens und je nach eingestellten options auch über die PFL Taste oder eine Faderberührung auswählen kann.


    In der Jobvorbereitung stellt sich ebenfalls breites Grinsen ein, nach dem das Anbinden des Remoterechners ca. 2 Minuten in Anspruch nimmt und auch hier alles so ist, wie ichs von der SD8 kenne. Im Ordner 'projects' empfiehlt es sich, einen Unterordner 'SD11' anzulegen, dann werden darin problemlos sessions unterschiedlicher Pulte verwaltet. Ebenfalls sehr nett, dass das Andocken des vorhandenen MADI Racks nach Anschließen der beiden BNCs und eimaligem Drücken von 'auto confirm' erledigt ist und keinerlei weitere Konfigurations- oder Patcharbeit braucht. Gruselig, wenn ich da an meine Y + bekanntes Audionetzwerk-Erlebnisse in einem gewissen Inschdidut in meiner näheren Umgebung denke. Den 32 Flexichannels kann selbstverständlich auf dem üblichen Weg jeder der 48 inputs zugeordnet werden, was, wenn man die 'ripple' Funktion versteht, ebenfalls mit sehr wenigen touchs erledigt ist. Danach steht einem ein Pult zur Verfügung, an dem man einfach ohne weiteres Nachdenken so arbeiten kann, wie man es von SD8/9 gewohnt ist.
    Immerhin 2HE "Peripherie" habe ich mir gegönnt, einen 1HE "Allesfresser" und ein TC M3000, wobei ich bekanntlich auch bei allen anderen Digipulten nicht auf wenigstens einen guten Hardware-Effekt verzichte. Der akzeptierte auf den AES/EBU I/Os auch sofort wie "analog gesteckt" das Pult als clock master.
    Da das SD11 die Preset - Ordner des SD8/9 lesen kann und ein preset bei DiGiCo nicht nur ein Kanal oder ein EQ oder ein FX wie beispielsweise in einer Yamaha library sondern auch komplette Blöcke von Kanälen u.s.w. beinhalten kann, ist es durchaus machbar, in einer vertretbaren Zeit ein Bandsetup von SD8 nach SD11 transportieren, was natürlich auch weniger riskant ist, als eine komplette file conversion.
    Auf eine USV habe ich, nachdem ich sehr zuverlässig das Zurückspiegeln einer laufenden session aus dem Remoterechner mit ordentlichem Akku drauf habe, verzichtet.
    So hatte ich bei meinem ersten SD11 Gig einen sehr entspannten Soundcheck und einen tolles Konzert, ohne mich besonders umgewöhnen zu müssen. Da die 2 x 4 Bänke wie bei A&H frei mit strips aller Art belegbar sind und farbig codierte OLEDs in den Bänken sofort wiedererkennbare Muster ergeben, konnte ich mir die Bänke so organisieren, dass ich mit nur 12 Fadern und dem Master-Encoder sehr gut zurecht kam. Wenn ich da an meinen ersten Wechsel von M7CL nach LS9 denke .... da hatte ich schon ganz schön Bedienstress, allein schon mit mehrreihig handbeschrifteten Bänken. Noch nie habe ich mich mit einem "neuen" Digitalpult sofort so wohl gefühlt. Sehr nett übrigens der kleine Tipp von audiobo, die FXe, statt über den konventionellen Weg, in die inserts der return Channels zu routen, sodaß der FX direkt mit dem pfl eines returnstrips aufpopt und über die encoder unter dem Schirm bedienbar wird. Die klanglichen Qualitäten der gutmütigen pres, der Wandler und der eigentlichen Audiobearbeitung lassen keine Wünsche offen. Auf die zwei Dinge, die ich vom LS9 vermisse, die i-pad app und den USB/MP3 recorder, konnte ich angesichts der vielen anderen netten Sachen, wie z.B. den geliebten dynamic EQs, den DCAs, den gangs und den endlosen Möglichkeiten der snapshots und der macros verzichten. Sollte sich der Hersteller nicht noch zu einer i-pad app mit sinnvoll reduzierter Funktionalität entschließen, was ich sehr hoffe, muß halt doch ein tablet her.

  • Freut mich dass dir der kleine "Kniff" zusagt. Vielleicht sollten wir mal ein paar "Tipps&Tricks"-Videos drehen...


    Allerdings muss fairerweise dazu gesagt werden dass ich durch die iLive dazu inspiriert wurde :wink:


    Btw. die "Bedienungskompatibilität" ist wirklich klasse - habe die Tage noch für Kollegen eine kurze Schulung an einer SD8 durchgeführt obwohl ich selber fast nur an der SD9 stehe. Und 2 Wochen vorher nach einem Aufbau sogar lediglich am Editor (wenngleich hier der Bildschirm viel zu klein war... :? ).

    Freelancer für Audio Beschallung/Recording seit 2003 - Alle Beiträge spiegeln meine persönliche Meinung/Erfahrung als von Herstellern & Vertrieben unabhängiger Tonmensch wieder

  • Ich hätte zwei Fragen zu dem kleinen Schmuckstück:
    Verstehe ich es richtig, dass bei der SD11 die D-Rack-Verbindung nicht redundant ausgeführt ist?
    Bei den lokalen Anschlüssen steht Line 1-8 und Mic Line 9-16, bedeutet das, dass 1-8 eben keinen Mikrofonvorverstärker eingebaut haben?


    Grüße,
    Hermann

  • Ich vermute mal du hast dir das Bild auf der Digico-Seite angeschaut? Scheint als wenn dort "MIC" und "1-8" durch die XLR-Verriegelungen verdeckt wird.

    Zitat von "DIGICO"

    16 Microphone pre amps, eight line outputs and two mono AES I/O are provided, in addition to which users have the option to connect a DiGiCo D-Rack to the CAT5E port. This provides a remote I/O rack frame with an additional 32 Microphone inputs and up to 16 outputs.


    Das D-Rack hat eh nur einen Anschluss, damit fällt Redundanz sowieso raus.

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  • Hier ein kleiner Tipp, für Leute, die mit der Szenenautomation arbeiten und am SD11 den 'surface offline' button der größeren Pulte für die Szenen-Vorschau vermissen:
    Es gibt diese Option als macro unter 'monitoring'. Darüber kann man die Befehle 'surface offline on', 'surface offline off' und 'return to audio' auf macro-Taster oder F-Taster legen. :wink: