VPLT SR 2.0

  • Der VPLT SR 2.0 gerät derzeit etwas in die Kritik: Während der PRODUCTION PARTNER in der Ausgabe 6/2005 (Seite 8 ) noch verhaltene Kritik übt ("nicht wirklich etabliert, könnte Probleme geben"), wird die Bühnentechnische Rundschau (3/05, Seite 10) schon ziemlich massiv:


    Zunächst arbeitet Herbert Bernstädt die rechtliche Situation heraus und stellt in Frage, dass der VPLT SR 2.0 irgendeine Verbindlichkeit hätte, die von Vertragsparteien nicht explizit so vereinbart wäre. Dann arbeitet er die Gefahren heraus, die durch die Anwendung von D8+-Zügen anstatt BGV C1-Zügen entstehen können: Durch asynchrone Verfahrung können Wegdifferenzen entstehen, die zu einer Schwächung der Struktur führen können. Die Auswertung der Lastmessung und die daraus zu ziehenden Konsequenzen sei nicht klar geregelt, die Steuerung müsse nicht den erhöhten Anforderungen nach C1 entsprechen und beispielsweise nicht den Ausfall einer Phase detektieren. Die Prüfung muss nicht wie bei C1 von einem Sachverständigen, sondern nur von einem Sachkundigen erfolgenden, die vorgeschlagene Kennzeichnung kollidiert mit DIN 15560, das Thema "Lastfallmatrix" würde unter die Räder geraten.


    Wie bewertet Ihr diese Kritik?








    (Am Rande: Die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels habe ich leider von der BTR nicht bekommen, die wollen halt ihre Zeitschrift verkaufen. Ich habe jedoch vor ein paar Tagen die BTR im Zeitschriftenladen am Ostbahnhof gesehen, sie ist jetzt also offensichtlich frei erhältlich, nachdem es sie jahrelang nur im Abo gab. Meiner Meinung nach lohnt es sich, in diese Ausgabe zu investieren.)

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  • Zitat

    die Steuerung müsse nicht den erhöhten Anforderungen nach C1 entsprechen und beispielsweise nicht den Ausfall einer Phase detektieren.


    Dafür wäre die BGV A2-neuerdings BGV A3 zuständig oder sogar die DIN VDE 0100...


    Ich denke mal, das es bei jeder Art von Motoren, egal ob D8 oder C1 zu Asynchronitäten beim fahren der Lasten kommen kann. der C1 ist dann in solchen Fällen stabiler.


    Es ist in Deutschland doch überall das gleiche: Geltende Regelwerke gelten halt auch nur in Verbindung mit den jeweiligen Gesetzten, wenn jetzt auch noch Sachkundige den Sachverständigern den Rang ablaufen...und in solchen Fällen gelten auf einmal keine geltenden Regelwerke mehr...wo soll das hinführen? Wer macht es sich da sehr leicht?

  • Nachdem in der Fachpresse der SR 2.0 nicht uneingeschränkten Beifall gefunden hat, durfte man das nun erschienene VPLT-Magazin mit gewisser Spannung erwarten. Auf Seite 18/19 versucht hier nun ein namentlich nicht genannter Autor, einige Dinge gerade zu rücken.


    Zunächst wird versucht, die VPLT-Standards im Verhältnis zu den DIN-Normen einzuordnen. Völlig zutreffend wird hier der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN erwähnt. Ergänzend könnte man hinzufügen, dass 1982 der DIN auch mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechende Vereinbarungen getroffen hat. Gerade im Bereich Arbeitsschutz kann man deshalb nun nicht mehr von einem bloßen "Empfehlungscharakter" der DIN-Normen sprechen, wie es in anderen Sachbereichen durchaus angezeigt ist.


    Zur Einordnung der SR 2.0 heisst es dann:


    Zitat

    Dass der SR 2.0 den "Stand der Technik" darstellt, ist Fakt.


    Nun gibt es für den "Stand der Technik" zwei in Gesetzestexten zu findende Definitionen: Im Patentgesetz und im Bundesimmissionsschutzgesetz. Würde man die Definition auf dem PatG verwenden, dann wäre es tatsächlich unstreitig, dass der SR 2.0 zum "Stand der Technik" zählt, denn das PatG versteht darunter alles, was irgendwo veröffentlicht wurde (beispielsweise auch alles, was in diesem Forum steht, "Stand der Technik im Sinne PatG" wäre also größtmöglichste Distanzierung...)


    Hilfreicher ist hier §3 BimSchG, das den Stand der Technik als "Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen" definiert, bei dessen Bestimmung die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen zu berücksichtigen ist. Auf diese Definition wird auch in der Literatur zum Arbeitsschutz verwiesen, beispielsweise im Basiskommentar zum ArbSchG von Kittner und Pieper. (Am Rande: Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass ausgerechnet der VPLT beim "Stand der Technik" nicht auf die Gesetzestexte zurückgreift, sondern auf den Text aus wikipedia.org...)


    Nun zu der eigentlichen Frage: Ist der VPLT SR 2.0 (insbesondere der dort definierte D8+) "Entwicklungsstandard fortschrittlicher Verfahren", wenn er inhaltlich hinter dem Anforderungsniveau der BGV C1 zurückbleibt (die man als "anerkannte Regel der Technik" betrachten kann) ?


    Weiter heisst es:


    Zitat

    Ob man angesichts der Tatsache, dass der SR 2.0 auch die vier vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Eckpunkt (siehe Kasten) erfüllt, bereits heute davon sprechen kann, dass es sich um eine "anerkannte Regel der Technik" handelt, kann man sicher diskutieren, dem "Stand der Technik" hingegen wird sich sicher kein kompetenter Aufsichtsbeamter entziehen wollen.


    Dazu zwei Anmerkungen:


    1.) Schon der Konjunktiv in der Formulierung "wird sich sicher kein kompetenter Aufsichtsbeamter entziehen wollen" deutet an, dass man sich da ein wenig auf's "Glatteis" begibt, zumal man ja die Kompetenz dieser Personen auch nicht durchgängig voraussetzen kann.


    2.) Die vier Kriterien des BVerfG sind folgende:


    Zitat

    - von der Mehrheit der Fachleute anerkannt
    - wissenschaftlich begründet
    - praktisch erprobt
    - ausreichend bewährt


    Ob der SR 2.0 von der Mehrheit der Fachleute anerkannt wird, kann ich nicht beurteilen. Die kritischen Anmerkungen, die derzeit veröffentlich werden, könnten ein Indiz dafür sein, dass es nicht so ist. Nach meiner Einschätzung befindet man sich noch in der Meinungsfindung.


    Teile der SR 2.0 sind sicherlich wissenschaftlich begründet. Ob das für alle Details gilt, wage ich mal zu bezweifeln. (3.1.3 fordert beispielsweise eine Lastmessung bei Streckenlasten an mehr als zwei Elektrokettenzügen, und macht dabei keine Unterscheidung, ob es sich um Durchlauf- oder Gelenkträger handelt. Alternative Verfahren sind nicht vorgesehen).


    Ob D8+ ausreichend bewährt und praktisch erprobt ist, lasse ich mal dahingestellt.




    Insgesamt gilt: Solange nichts passiert, wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Nun ist es aber nicht auszuschließen, dass sich nach einem Schadensfall die Juristen den Kopf zerbrechen. Und wenn dann in einem Urteil die unschöne Passage "der Angeklagte hätte erkennen müssen" stehen sollte, dann werden die Konsequenzen nicht die Verfasser des VPLT SR 2.0 zu tragen haben, sondern ein armer Veranstaltungstechniker, der nur alles richtig machen wollte.

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