Hallo in die Runde,
wie aus der Überschrift zu erkennen, habe ich mir den „Spaß“ gegönnt, ein Vintage-Horn JBL2360 mit dem etwas moderneren Treiber BMS4590 auszustatten. Einen Hintergrund hat das auch, und zwar war bisher der BMS4590 an einen 4-Cell Horn Vitavox dran und es bedurfte (für Homeanwendungen) einer gewissen Sitzdisziplin, um eine korrekte, nie ganz zufriedenstellende Mittenortung zu gewährleisten.
Gemessen wurde in oberhalb 190Hz schalltoten Raum, IMMER ALLES in 3,16m Abstand Mikro zu Hornmund auf 0° in vertikaler Achse. Messtool ARTA, Frontend Alesis FireWire IO26, Messmikrofon B&K Multifield (versorgt aus parallel speisendem LAN-XI, das zur Pegelkontrolle stets mitlief). Aktive Trennung mittels DCX2496 MT/HT stets bei 6,43kHz, BT 24, Amp UHER UMA 2000.
Da die Vitavox/BMS Kombi in der winkelbezogenen Terzanalyse nicht sonderlich auffällig war (hatte auch nur grobe Schritte), hab ich diese alte Kombi zunächst einer recht feinen Winkelanalyse in 2° Schritten unterzogen und ebenfalls mit einer höheren Frequenzauflösung gearbeitet. Das Ergebnis ist hier zu sehen.
Songramm Winkeldiagramm Vitavox/BMS
Und als 3D
Hier ist wird nun deutlich, daß es recht starke Pegelunterschiede unter verschiedenen Winkeln gibt. Das deckt sich mit der „Sitzproblematik“.
Aus Interesse heraus hab ich auch die Klirrkurven aufgenommen, das Vitavoxhorn lädt unter herum (für die Größe) schon sehr gut und bringt zumindest auf Mittenachse auch ganz ordentlich Hochtonanteil. Hier ist der Schalldruck kalibriert (für 1m 10dB hinzu zu addieren).
Klirrdiagramme Vitavox/BMS
0,1Watt
1Watt
10Watt
und 40Watt
Ausklingen Vitavox/BMS
Soweit, so gut/schlecht.
Jetzt mal die JBL/BMS-Kombi auf den Messtisch:
Nun war zuerst das Winkelverhalten der Kombination JBL/BMS dran. Damit ergaben sich folgende Winkeldiagramme:
Sonogramm Winkeldiagramm JBL/BMS
Und als 3D
So, das schaut doch mal erheblich besser aus. Macht also Sinn, weitere Messungen zu machen, es folgen die Klirrwerte:
Klirrdiagramme JBL/BMS
0,1Watt
1Watt
10Watt
und 40Watt
Ausklingen JBL/BMS
Und einmal (NICHT kalibriert) der F-Gang in hoher Auflösung
Hmm, eher ernüchternd. Pegel im HT nicht so prickelnd, Klirr grad bei tiefen Frequenzen schlechter als beim Vitavox-Horn und das Ausschwingen, oha, schaut übel aus. Sollte ich mich da etwas verkauft haben, mit dem großen 2360? Ferner würde man bei der Größe gefühlt eine tiefere und bessere Ladung unten als beim Vitavox erwarten. Dies dürfte der brüchigen Hornkonstante geschuldet sein, die Länge Hornhals bis Diffraktionsschlitz paßt ungefähr zur Ladung oberhalb 650Hz (das Vitavox ist als gleichmäßig durchgängiges Horn länger).
Danach nochmal auf die Laufzeitkorrektur MT/HT gestürzt und auf einen etwas paradoxen Effekt gestoßen. Der Impuls MT zu HT ist in der akustischen Messung gegenphasig, alle Verbindungen gecheckt (elektrisch bis an die Treiberanschlüsse), keine Verpolung. Also im Controller die Phase HT getauscht, nun mußte die Laufzeit korrigiert werden. Meine entspricht einem Versatz von 40mm MT (laut Schnittzeichnung würde ich eher 14mm erwarten). Hiermit ist der höchste Pegel im Übergangsbereich erzielbar.
So, nun mal die Kombination mittels PEQs möglichst gerade gezogen und getestet, was nun Pegel mit wieviel Klirr geht. Inputpegel VOR dem Controller waren dabei die gleichen wie bei den vorherigen Klirrmessungen, sodaß hier „quasiäquivalente“ Leistungsmessungen vornehmbar waren.
Frequenzgang (NICHT KALIBRIERT) mit Entzerrung
Klirrdiagramme JBL/BMS mit Entzerrung
Relative 0,1Watt
Relative 1Watt
Relative 10Watt
Ausklingen JBL/BMS mit Entzerrung.
Tja, ob das lohnt (vor allem wg des mäßigen Ausklingens) sich sowas anzuhören? Neue Halterungen für die Hörner waren fällig, anderer Umbau …
Nach einer Woche hats dann doch gejuckt, schließlich ist das Winkelverhalten deutlich besser als beim Vitavox. Also mittelgroße Aktion und ran an die Sache.
Erster Höreindruck, hm, klingt komisch, Höhen zu wenig, nasal, aber stabiler räumlicher Eindruck. Ok, Blick auf den Frequenzgang richten (die Vitavox/BMS-Kombi hab ich auch per Terze am Hörplatz grad gezogen). Jo, da gibt’s einiges an Arbeit.
Nächster Hördurchgang, ja, das wird jetzt was. Klingt schon ganz ordentlich, geringe Nasalität, diverses zum Test rein, Höreindruck paßt eigentlich nicht zu den Messergebnissen. Wirkt sehr „dynamisch“, deutlich mehr sogenannte „Explosivität“, gar nicht mulschig (wie das Ausklingen es erwarten ließe) und räumlich STABIL. Also, das Zeug bleibt erstmal definitiv in der Anlage.
Zu dem Widerspruch schlechtes langes Ausschwingen und „Explosivität /Trockenheit“ würd ich gern später mal philosophieren.
Nun über einen langen Zeitraum alles mögliche quer- und durchgehört, hier und da etwas am F-Gang geschraubt und nach wie vor ein Auge auf FIR-Entzerrung gehalten (bei dem guten Winkelverhalten des JBL macht das Sinn, beim Vitavox hätte man damit nur Schaden angerichtet).
Tools zur FIR-Entzerrung und Hardware gesucht, openDRC-DI von minidsp macht einen sinnvollen Eindruck, da nur digital und in AES/EBU einschleifbar. Ferner soll nur die Hornkombi, bezogen auf dessen reine Freifeld-Eigenschaften (Messraum ermittelt) korrigiert werden. Problem, FIR-Koeffizienten dürfen nur den Bereich MT/HT bearbeiten. FilterHose ist ein Tool, das dies kann und mit beliebigen F-Gangdaten gefüttert werden kann, kostet einiges (dazu vlt in eigenem Thread mal mehr). Aber seit kurzem gibt es das als eingeschränkte Freeware (512Taps), sodaß ein erster Test „nur“ die Kosten für openDRC-DI erfordert (Gutschein für notwendiges Softwareplugin war dabei) .
Die FIR-Entzerrungskurve sieht zu guter letzt nach Frequenzgangberechnung anhand generierter Daten laut FIR-Controller so aus:
Gut zu erkennen, es wird nur im Übertragungbereich der Hornkombi korrigiert, der Rest bleibt (bis auf die Laufzeit) unangetastet. Es wurde nur der Frequenzgang bearbeitet, eine getrennte Phasenkorrektur läßt die freeware nicht zu.
Die Tests zur FIR-Korrektur verliefen diesmal anders herum. FIR-Controller mit den Koeffizienten gefüttert und zunächst die Hörprobe, erst später in die Messbude.
Erste ganz schnelle Beurteilung, ja, merklich anders, anscheinend mehr Höhen, noch weniger „Hornsound“, mehr in Richtung Hifi. Aber wirkte leiser, jedoch weiter verfolgungswürdig. Um echte Vergleichbarkeit zur „analogen Entzerrung mittels der PEQs“ herzustellen, mußte der Frequenzgang zwischen dieser Variante und der FIR-Entzerrung gleich gezogen werden (sprich den akustischen Frequenzgang, der bei analoger Entzerrung mittels Terzer im Raum zum Hörplatz halbwegs glatt gezogen ist, nun passend zur FIR-Entzerrung „glatt ziehen“). Damit lagen zwischen beiden Entzerrungen am Hörplatz (terzbezogen) identische Frequenzgangbedingen vor.
Eindruck bei in Terzen gleichen Frequenzgängen: Der Unterschied FIR versus Analog Entzerrung ist nicht mehr so gewaltig, aber schon noch da. Die Position der Hörner wird weniger ortbar, was in der Mitte sein soll, wirkt dort gut ruhend, liefert mehr räumliche Tiefe (auch nach vorn raus). Ein paar Problemstellen (z.B. das Blech am Anfang von „Bat out of Hell“, was nie so richtig gut kam, hört sich damit sehr aufgeräumt und nicht vermulscht an), bei manchem meint man Artefakte zu hören (Uhrenschläge bei „Time“, plopps oder Übersteuerungen). Kopfhörer drauf, hm, perfekt ists auch nicht, mit mal hört man dort auch Mängel.
Spielen kann ich, dank vier anwählbarer Presets im openDRC mit verschiedenen FIR-Koeffizienten. Im Wesentlichen erstmal zwei Datensätze (mit gewisser Glättung und ohne). Nun steht weiteres umfangreiches Hören an und bei Gelegenheit Messungen mit FIR-Korrektur im Messraum. Besonders gespannt bin ich auf das Ausschwingen, ob sich hier auch Verbesserungen ergeben. Theoretisch müßte die FIR-Korrektur hier mittels „Vorechos“ Verbesserungen erzielen.
So, nun wird es noch ein wenig dauern, bis die ganze Klamotte wieder in der Messbude ist und auch durchgemessen. Vermutlich werden sich da weitere Optimierungen an der Korrektur ergeben, ferner wird’s mit der freeware FilterHose nicht reichen (alternativ soll Acourate mehr können als FilterHose, auch da gilts zu testen).
Wenn es neue messtechnische Erkenntnisse gibt, dann stampf ich hier wieder was rein. FIR-Entzerrung für die Selbstbauer und deren Wirkung oder Nichtwirkung dürfte ja von gewissem Interesse sein.
Grüße
Mattias
p.s.: Habe auch Messdaten zu BMS an JBL2380, ferner Treiber JBL2445 (war im Pack dabei) an JBL2360 sowie an JBL2380.