Liebe Gemeinde,
mir geistert seit einiger Zeit eine Idee im Kopf herum, die ich gern mit Euch teilen würde.
Ich stehe für einige der Produktionen für die ich gebucht werde wiederkehrend vor der Herausforderung, eine hohe Anzahl an Kanälen mit quasi nicht vorhandenem Soundcheck auf ständig wechselnden Pulten mit einer sehr geringen Fehlertoleranz zu verarzten.
Eine entsprechende Vorbereitung ist hier zwingend notwendig. Ich investiere somit vor jedem Gig entsprechend viel Zeit in die Erstellung von möglichst ausführlichen Pultfiles. Während der ersten Töne ist dann eine strenge Priorisierung der Arbeitsabläufe angesagt, als erstes müssen Gains / Lautstärken in sinnvolle Bereiche gebracht werden, so dass alles was auf der Bühne passiert hörbar ist (natürlich mit absolut strengem Fokus auf die wichtigsten Knäle), danach kommt EQ'ing, Dynamikbearbeitung und Anpassung der Effekte.
Um dabei WIRKLICH schnell zu sein, habe ich mir im Laufe der Jahre die entsprechenden Werte verinnerlicht. Ich kenne für die Vorbereitung am Offline-Editor die entsprechenden Zahlenwerte. Ich weiß in etwa im Voraus, wieviel db Gain jedes einzelne Mikrofon an den entsprechenden Quellen haben muss, damit ich, wenn ich alle Fader auf Unity stehen habe einen einigermassen ausgewogenen Sound (oder zumindest eine sehr brauchbare Startposition) bekomme. Das Auswendiglernen der Zahlenwerte und die entsprechende Erfahrung, die Umstände vorher richtig einzuschätzen hat mich bisher immerhin schon dahin gebracht, dass ich in der Regel sehr schnell eine passable Basis für den Abend habe.
Trotzdem ist da glaub ich noch Potenzial nach oben drin und ich würde gern noch schneller und besser werden Ein Problem der Methode besteht in de Unwägbarkeiten in Bezug auf Lautstärke der Quelle und der Art des Mikrofon (trotz Rideranforderung ist halt nicht immer an jeder Quelle das was ich in den Editor gehackt habe). Was am Pult ankommt ist zwar in bestimmten Bereichen einschätzbar, aber hier gibt es eben eine nicht zu vernachlässigende Unschärfe, die sich mit zunehmender Kanalanzahl unangenehm aufsummiert. Was jedoch gleichbleibend relativ gut vorherzusagen ist, ist das Verhältnis der Quellen zueinander und den Abstand, den die Lautheit der Quellen zur 0dbfs Grenze im Pult haben sollte, damit der Mix ausgewogen ist. Mein Gedankenansatz ist nun, dieses Verhältnis in der Vorbereitung über die Kompressor Threshholds der Kanäle einzustellen.
Das würde dann etwa so aussehen: Fader auf Unity, Gain auf den zu erwartenden Wert (hier gibts die Unschärfe), Kompressor in jedem Kanal aktivieren, Ratio auf 3:1 o.ä. Dann in der Vorbereitung im Editor mit den Threshholds die Lautstärke Verhältnisse (die sich mit entsprechender Erfahrung mE recht gut abschätzen lassen müssten) der Quellen zueinander einstellen. Jetzt hätte ich mE im Vergleich zu meinem jetzigen Verfahren mindestens drei Vorteile: zum einen brauch ich meine Gainstruktur nicht mehr ganz so konservativ von unten aufbauen, weil ich ja jetzt nicht mehr von "zu leise und safety-first-weit-weg vor Clipping" an den benötigten Wert herantaste, sondern von oben (also Quasi Comp-Threshold = "Wert unter 0dbfs den ich erreichen will"). Zum anderen bekomme ich über die Gainreduction Anzeige direkt ein optisches Feedback über die Differenz zwischen wahrscheinlich benötigter und tatsächlich vorhandener Lautheit der Quelle. Ich sehe direkt, ob da grad mal 10db Gainreduction passiert weil die Quelle dann doch unerwartet laut ist (weil der Vollpfosten von Gitarrist seinen Amp mal wieder bis zum Anschlag aufgerissen hat ), oder ob da garnichts leuchtet und ich dann den Gain sehr flott so weit hochziehen kann, bis die ersten Lämpchen angehen. Der dritte Vorteil ist, dass hier ja gewissermassen schon ein automatisches Leveling passiert. Wenn ich mit meinen eingestellten Verhätnissen einigermassen richtig lag, wird durch die aktivierten Kompressoren mein bester Freund an der Elektroklampfe direkt ein wenig im Zaum gehalten, bis ich den Gainwert entsprechend korrigiert habe .
Ich erhoffe mir mit dieser Methode schneller und konsequenter auch in unerwarteten Situationen zum Ziel zu kommen. Gibt es Leute von Euch, die so oder so ähnlich arbeiten und ihre Erfahrungen mit dieser Methode teilen können? Habe ich vielleicht irgendwo einen Denkfehler gemacht und das ganze ist Bullshit? Im Moment bin ich (zum Glück) noch ziemlich mit Studioarbeit vollgepackt, so dass ich grad keine Zeit finde das mal mit einem Mitschnitt auszuprobieren. Aber vielleicht kann sich hier ja bevor ich dazu komme schonmal eine gewinnbringende Diskussion über das Für und Wider einer solchen Methode entspinnen.
Beste Grüße und vielen Dank,
pfeiffe