Bei der qualitativen Beurteilung von Bass-Systemen wird oft vom "Tiefgang" geredet.
Um diesem vermeintlichen "Ideal" näher zu kommen, wird z.B. bei
Bassreflex- und Bandpass-Systemen auf eine tiefe Abstimmfrequenz Wert
gelegt.
Bei "bestimmter" Konservenmusik sind die (... überwiegend DJ-) Anwender mit einer solchen Abstimmung dann auch zufrieden - bei der Übertragung von Live-Musik ist eine solche "Philosophie" aber nicht gerade unproblematisch.
1. Wann ist ein Bass-System optimal ?
Ein Bass sollte - wie auch die Systeme für den Mittel- und Hochtonbereich - das Musiksignal möglichst unverfärbt übertragen und keinen "Sound" machen (den macht der Mensch am Pult !).
Es gibt dabei zwei Hauptkriterien, die zu beachten sind:
a. Wie "laut" werden die unterschiedlichen Frequenzen jeweils
wiedergegeben (alle Frequenzen "gleichlaut" wäre - wenigstens theoretisch - optimal ...) ?
b. wie "schnell" überträgt das System (... z.B. Impulse wie z.B. kurze
Bassdrumschläge/-kicks etc.) ?
Es gibt System mit ähnlichem Übertragungsverhalten, was allein den
Amplitudenverlauf betrifft (d.h. ähnlicher "Frequenzgan" ...) - die aber -
gehörmässig beurteilt - u.U. sehr unterschiedlich "klingen".
Diese Unterschiede können aber bei einer Messung des Frequenzverlaufs
nicht "beobachtet" bzw. nachvollzogen werden ...
Auch mit Equalizing lassen sich die beschriebenen klanglichen Unterschiede nicht beseitigen.
Wer sich länger mit LS-Systemen beschäftigt hat, kennt auch Begriffe wie
"trocken" und "schnell" ... also Begriffe, die weniger den Frequenzverlauf
sondern mehr das Zeitverhalten eines LS-Systems beschreiben.
Ein Bass-System mit Defiziten im Zeitverhalten wird eine Bassdrum und
einen E-Bass (gleichzeitig !) nicht befriedigend wiedergeben können.
2. Wie beurteilt man "objektiv" Bass-Systeme ?
Die Messung des Amplitudenverlaufs allein beschreibt - wie oben
beschrieben - die klanglichen Fähigkeiten eines Bass-Systems nur sehr
unvollständig.
Und: schon die Messung eines Frequenzverlaufs bei Bässen ist dabei in der praktischen Durchführung problematisch:
Eine Messung am Boden wird - je nach Aufstellung der Bass-Systeme und
Mikrofonplazierung - nicht immer reproduzierbar sein und spiegelt in vielen Fällen auch nicht den gehörmässigen, subjektiven Klangeindruck wieder.
Wer jetzt glaubt, mit einer "richtigen" Freifeldmessung ("schalltoter" Raum
oder "am Kran baumelnd" ...) das Problem zu lösen, wird enttäuscht, weil
solche Meßbedingungen mit dem praktisch üblichen Betrieb (d.h.
überwiegend am Boden - oder wenigstens Bodennähe ...) wenig zu tun hat ... auch wenn eine Freifeldmessung theoretisch 100 %-ig reproduzierbar ist.
Eine "Simulation" der Bodenbedingungen aufgrund einer Freifeldmessung
(d.h.: bei Wellenlängen, die deutlich größer als die Boxenabmessungen sind, zur Freifeldmessung einfach + 6 dB "dazurechnen" und bei "höheren" Frequenzen den Abstand der Schallaustrittsöffnung von der
Begrenzungsfläche entsprechend berücksichtigen ...), ergibt in der Praxis
nicht unbedingt den "richtigen" Frequenzverlauf, weil u.a. die Rückwirkung
auf das System nicht immer vorhersehbar ist.
Und spätestens beim Betrieb mehrerer (gleicher) Systeme kann es dann
kompliziert werden.
Eine weitere Problematik ist, daß die wirkliche Hörposition nicht senkrecht
zur Begrenzungsfläche auf einer Linie mit dem LS-System ist (... das heißt: die Hörer "schweben" nicht senkrecht über dem Stack ...).
Um eine Basskiste möglichst objektiv (und gleichzeitig "hörgerecht ..)
meßtechnisch zu beurteilen, sind mehrere Messungen in unterschiedlichen
Abständen - unter Praxisbedingungen - notwendig. Die Messmikroposition
sollte etwa einer typischen Hörposition entsprechen.
Da das Gehör bei sehr tiefen Frequenzen den Direktschall nicht mehr von den Bodenreflektionen trennen kann, sollten diese bei einer Messung auch nicht unbedingt "gnadenlos" komplett ausgefenstert werden ...
3. Mehrere konstruktive Wege ...
Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine befriedigende Bassabstrahlung zu
realisieren.
3.1. Resonatorboxen
Bassreflex- und Bandpass-Systeme ermöglichen aus vergleichsweise geringen Gehäusegrößen die Wiedergabe tiefer Frequenzen, weil die Schallabstrahlung (im Bereich der Abstimmfrequenz) einer in einem Vent schwingenden Luftmasse "übertragen" wird, die zudem die LS-Membran akustisch bedämpft ... d.h. die Auslenkung der Membran im Bereich der Abstimmfrequenz wird verringert.
Die Vents strahlen aufgrund ihrer - üblicherweise eher kleinen -
Abmessungen praktisch kugelförmig ab ... und beim Stacken verändert sich die Abstimmung (keine "freie" Abstrahlung wie bei einer einzelnen Box) ... jede Box "sieht" akustisch die anderen Boxen ...).
Die gegenseitige Beeinflussung ist dabei nicht nur ein Vorteil: Wird z.B. eine BR-Kiste so abgestimmt, daß sie im Stack "richtig" funktioniert, dann wird sie im Einzelbetrieb zu "dünn" klingen - die "richtige" Abstimmung einer einzelnen Box führt dagegen oft zu einer mässigen Qualität im
Stackingbetrieb (... übrigens ein Effekt, der grundsätzlich auch horngeladene Systeme betreffen kann ...).
3.2. Hörner ...
... sorgen für eine optimale Bedämpfung des Treibers und ermöglichen - mit ausreichender Abstrahlfläche - gleichzeitig die Wiedergabe tiefer Frequenzen und ein gutes Zeitverhalten.
Der Übertragungsbereich wird durch die Dimensionierung des Trichters
(Hochpassverhalten) und durch die Auslegung der Druckkammer
(Tiefpassverhalten) bestimmt In der Praxis ist der "Knackpunkt" die begrenzte Abstrahlfläche ...
Unter Freifeldbedingungen wird es "sehr unhandlich" - bei Bodenbetrieb
(Halbraumbedingungen) wird es bei "richtigen" (non-vented) Hörnern dann halbwegs erträglich, weil unser Gehör gegenüber Pegelschwankungen bei tiefen Frequenzen recht großzügig ist ... und die "in Richtung Boden" abgegebene Schall-Leistung durch Reflektion nicht "ungenutzt verloren" geht.
Non-vented Hörner "leben" immer von einer ausreichenden Abstrahlfläche, sonst wirken sie akustisch irgendwann nicht mehr wie Hörner, sondern bei zu kleinen Trichteröffnungen wie einseitig offene (Resonator-) Röhren.
Und ein einzeln betriebenes Horn stellt an ein LS-Chassis u.U. dann auch
ganz andere Anforderungen als im Betrieb mit "vielen" Hörnern ... das
bedeutet:
Viele "allgemeine Empfehlungen" über "horngeeignete" Chassis sind - ohne Berücksichtigung der praktischen Betriebsbedingungen - ziemlich nutzlos.
Fazit: Wenn man in der Praxis sowieso immer sehr viele Systeme einsetzt, sind Hörner - wirtschaftlich (benötigte Chassisanzahl, Amping) und akustisch gesehen ... und was das Handling angeht - ein optimaler Kompromiss. Nur: ein für den Stackingbetrieb optimiertes Horn ist für den Einzelbetrieb kaum zu gebrauchen ...
3.3. Mischformen (Hybride Bässe)
Wer nur kleine Veranstaltungen durchführt, wird mit BR-Systemen (auch
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen) klarkommen ... wer nur
große Events mit unterschiedlichstem Musikmaterial abwickelt, ist mit
"richtigen" Hörnern (aufgrund ihrer Neutralität) besser beraten.
Wer beides - möglichst weitgehend - abdecken will, hat zwei Möglichkeiten:
Möglichkeit 1: viele verschiedene Systeme (Bassreflex UND Hörner) "im
Stall" ... ... oder ...
Möglichkeit 2: Mischkonstrukte aus "beiden Welten" ...
Es gibt schon länger Hörner mit außenliegenden Vents (im Prinzip ist sogar das "alte" W-Bin ein Basshybrid ...).
Beim Einzelbetrieb kompensiert der Vent den aufgrund der zu kleinen
Hornabstrahlfläche auftretenden Tiefenabfall und macht das System
"basstauglicher". Nur die "höheren" Bassfrequenzen werden dann wesentlich vom Trichter übertragen.
Beim Betrieb mehrerer Systeme treten dann die gleichen Effekte wie bei
Bassreflexsystemen auf (die Abstimmfrequenz verringert sich ...) - aufgrund der (durch die Aufsummierung) sich vergrößernden Trichterfläche nimmt der Anteil der Schallabstrahlung durch den Trichter (auch bei zunehmend "tieferen" Frequenzen) zu, wodurch sich die Nachteile gegenüber BR-Boxen dann etwas in Grenzen halten.
Der prozentuale Anteil der Abstrahlung durch den Vent wird anteilig mit der steigender Anzahl von Systemen geringer, wodurch die untere Grenzfrequenz (auch wenn es hier gelegentlich andere Meinungen gibt) absinkt.
Als Lautsprecher eignen sich für solche Mischformen "mehr
bassreflextaugliche" LS-Systeme ...
Bei den (zugegeben schwierig zu berechnenden) Basshybriden mit
innenliegendem Vent strahlen sowohl die Membran als auch der Vent in den Trichter.
Da der Vent bei dieser Konstruktion nicht "frei" in den Raum sondern in den Trichter "strahlt" , wird der Einfluß durch Stacking mehrerer Systeme etwas minimiert ... d.h. eine solche Konstruktion ist erheblich skalierfähiger als Bassreflexsysteme, "richtige" Hörner ... oder Basshybride mit außenliegenden Vents.
... so ... sorry für den etwas langen Text ... aber aufgrund vieler Fragen und Meinungen zu diesem Thema hab ich mir das mal "angetan" ... :wink:
Viele Grüsse