Die "richtige" Gain-Struktur

  • Ich hatte am WE mal wieder einen Bandtech als Babysitter zu betreuen.
    Um es kurz zu machen: er machte auf mich ZUNÄCHST einen völlig inkompetenten Eindruck, weil er ziemlich lange brauchte, um sich auf ner Spirit LX7 zurecht zu finden - aber das soll hier gar nicht Thema sein. Im nachhinein bin ich doch ins Grübeln gekommen...


    es hat mich während des Soundchecks stutzig gemacht, dass der Kollege oft Gain und Fader abwechselnd weiter hochgezogen hat - gut er meinte auch mal, dass kein Signal anläge, wo er einfach den Gain nicht offen hatte, aber mir gehts hier um das Grundsätzliche!


    Theoretisch verhält es sich ja so, dass man am Preamp, dem der Definition nach rauschärmsten OP in der Signalkette erstmal alle Signale auf 0dBu (oder bei Soundcrafts auch mal +6 - +9) bringt, und dann den Mix über die Fader fährt, was auch eine gewisse Übersicht schafft.


    Was in der Theorie keine Nachteile bringt könnte aber in der Praxis doch manchmal suboptimal sein, denn:


    Wenn ich -aus Erfahrung- weiß, ich fahre die HiHat in nem kleinen Raum max. bei -20dB, dann könnte ich doch auch folgern, dass ich lieber den Gain nur bis -20 aufziehe und den Fader auf null ziehe. Das scheint zunächst unübersichtlich, aber bei genauerem betrachten verhalten sich ja gerade die günstigeren Preamps (rein subjektiv) doch nicht so linear bzw. nimmt das Rauschen im oberen Verstärkungsbereich deutlicher zu, als die Verstärkung (Stichwort: mangelhafte Gegenkopplung). Damit wäre es ja dann unsinnig, sich im Preamp unnötiges Rauschen einzufangen, dass man dann (proportional) mit dem Nutzsignal wieder absenkt.


    Schreibt mal eure Erfahrungen! Wie geht ihr vor? Warum? Wie seht ihr die Preamps aus der LX-Klasse - proportional rauschend oder eher nicht?

    Phantomspeisung....
    das heißt NICHT, dass der Mischer nix zu essen bekommt

  • Klar. Gerade bei Overheads und Hihat mache ich das auch so. Warum erst anheben, und dann wieder absenken. Kein Preamp ist komplett linear, sondern hat immer seine gewisse Eigenkompression. Becken klingen z.B. erst, wenn sie genug Dynamikspiel haben. Über die Gefahr von Übersteuernden OV brauchen wir wohl gar nicht erst zu reden. Das gleiche gilt überings auch für Hall etc. Gitarren, Snare, Toms, BD, Bass fahre ich dagegen fast im clipping. Aufpassen muß man halt nur mit Signalen, die noch auf den Monitoren gebraucht werden. Ein Techniker einer finnischen Gothrockband, für die ich letztens den Support betont habe, hat überings alle Fader zwischen -6-0db gehabt. Haben 3h Soundcheck gemacht, und das Pult sah nicht wirklich dannach aus *g*

  • Es kann durchaus sinnvoll sein, das Signal nicht immer mit dem Gain auf 0 dB zu verstärken - gerade bei Wegen wie OH. Dadurch kann man feinfühliger mischen, da der Fader dann um die 0 dB-Marke bewegt wird, wo die "Auflösung" besser ist als am unteren Ende. (achtet mal auf die Skalierung, bzw. "dB pro Zentimeter")

  • Ich lasse generell beim Check bei Snare und Kick noch ein wenig Raum, da sich doch einige Kollegen dazu verleitet sehen, beim Gig mehr zu dreschen als beim Check.


    Auch Keyboarder und Gitarristen bieten komischerweise beim Gig Sounds an, die lauter sind als die lautesten beim Check. :evil:


    Also wo ich die Band nicht kenne, lasse ich mir, soweit möglich immer ein wenig Reserven. Wenn ich die ganze Kette allerdings wegen mangelnder PA Dimension recht heiss fahren muss, muss ich da anders ran gehen.


    Bei bekannten Bands weiss ich ja idR was mich erwartet und ich gaine dementsprechend.


    Ansonsten verfahre ich bei Overheads und Hihats ähnlich wie meine Vorredner, wobei ich aber nicht die Fader der betreffenden Kanäle um die 0 db habe sondern eher bei -10, aber eben nicht bei -20.

  • Ich mische immer "mit Lineal",d.h., alle Fader auf null und den Gain dementsprechend. Das erfordert natürlich eine gewisse Qualität bei den Preamps, aber ich finde es halt so am sinnvollsten.
    mfg
    Kai

    Für mich zerrts, aber Sie sind ja der Künstler.

  • K-Ulrich: Das dann aber nur beim Soundckeck, und dann normal weiter, oder? Macht das noch Sinn, wennman am gleichen Pult noch Monitor machen muß? Bei Kanälen mit Inserts, dann über Output vom Insert-Gerät? Kann sein, dass ich mich irre, aber für mich hört sich das nicht so wie das gelbe vom Ei an.

  • Na ja , man muss natürlich irgendwo anfangen und bei einem Kanal einen sinnvollen Referenzpegel setzen und normalerweise bewegen sich die meisten Inputlevel dann schon auch im selben Bereich, sodass auch die Inserts gut funktionieren. IEM aus der Front habe ich gerade 3 Wochen gemacht, ich habe Kick und Gesänge gesplittet und alles andere gepegelt wie gewohnt, keine Probleme.
    Und wenn man mal bei grösseren Bands aufs Pult guckt, sehe ich bei den meisten auch ein "Lineal"
    mfg
    Kai

    Für mich zerrts, aber Sie sind ja der Künstler.

  • mit inserts wird's dann natürlich schwierig, weil ich z.B., wenn ich mehr gaine, bei einem compressor dann das signal mehr in die kompression fahre und bei einem gate sozusagen effektiv den threshold runterdrehe.
    was aber sicher keinen sinn macht, ist, die vorverstärkung immer auf 0dB aufzuleiern und dann die kanalfader irgendwo bei -30dB stehen zu lassen. dann lieber die fader hoch und entsprechend die vorverstärkung mit den gains regeln. muß allerdings gestehen, daß ich auch bei klassik-open-airs noch keine wirklichen rauschprobleme hatte. insofern ist das eher sophisterei, was hier diskutiert wird. jeder sollte so mischen, wie's für ihn paßt, fertig.

    The ships hung in the sky in much the same way that bricks don't.
    -- Douglas Adams

  • Hallo,


    ich pegele grundsätzlich so, daß am Kanalfader ca. 0 dB anliegen, das hat auf alle Fälle den Vorteil, daß auf den Inserts vernünftige Pegel für die Dynamics anliegen. Somit dürften dann auch die Busse ordentlich ausgesteuert sein, was bei älteren Tischen zu deutlich weniger Rauschen führt (wer mal ein 1222 unter den Fingern hatte, weiß, wovon ich rede :-)) Auch ein EQ im Masterinsert läuft bei 0 dB deutlich rauschärmer, also lieber den Masterfader zumachen.


    Gruß Jörg

  • die busse steuert man aber mit den fadern aus. zu hohes gaining in den kanälen führt auch schnell dazu, daß in den bussen die knotenpunktverstärker überfahren werden. der masterbus ist dann nämlich nicht mit 0dB ausgesteuert, sondern bei 2 Kanälen, die 0dB führen, mit +6dB, bei 4 kanälen dann +12, usw.
    also lieber mal die masterfader offenlassen und die busse nicht überfahren. pulte wie z.B. das pm3500 haben dafür extra eine bus peak led.
    klanglich ist's eher vorteilhaft, im kanal niedrig zu gainen.

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    -- Douglas Adams