Frequenzgang von Kopfhörern in etwas größerer Entfernung

  • Hallo zusammen,


    hat einer von Euch eine Vorstellung, warum Kopfhörer einen sehr
    linearen Frequenzgang haben, wenn sie direkt auf dem Ohr sitzen
    und einen sehr hochtonlastigen Frequenzgang, wenn man sie
    weiter weg? (Sagen wir ab 20cm)


    Danke und
    VG
    Karl

  • Ich nehme an, daß der Bafflestep eine Rolle spielt, dass heisst, dass der Kopfhörer erst bei sehr hohen Frequenzen als Halbraumstrahler wirkt, weil die "Schallwand" so klein ist, und ansonsten Kugelförmig und damit leiser abstrahlt. Bei offenen Lautsprechern, also wohl den meisten, spielen sicher auch Auslöschungen eine Rolle, die im Nahstfeld, also direkt auf den Ohren, nicht so auftreten (Dipol).


    Gruss,
    Michael Schuster

  • Der unterschied zwischen Halb- und Vollraum kann doch nur einige wenige dbs ausmachen.
    Ich glaube 3db oder so. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Ursache sein könnte.


    Das mit den Auslöschungen könnte natürlich sein. Bei offenen Kopfhöhrergehäusen müsste
    der rückwärtig abgestrahlte Schall den nach vorne abgestrahlten fast komplett kompensieren
    bis auf den Anteil der gerichtet abgestrahlt wird. Aber müsste in dem Moment, indem man
    einen geschlossenen Kopfhöhrer auf den Kopf aufsetzt der Klang außerhalb nicht auch
    bassiger werden, weil das System aus Kopfhöhrer und Kopf die Vorderseite halbwegs
    dicht abschließt? :roll:

  • ich würde vermuten:
    Viel zu kleine Membran um überhaupt die Möglichkeit zu haben etwas tiefere Frequenzen in einen großen Raum vernünftig abzugeben.
    Der tiefe Ton beim aufsetzen kommt wohl von dem kleinen umschlossenen Volumen in das der "Lautsprecher" spielt, da sollte es dann ohne Probleme Möglich sein eben den (Schall)-Druck aufzubauen bei tiefen Tönen.


    Diesen Effekt nutzt man auch gerne in größeren Dimensionen im Car-Hifi, wobei dort durch den recht kleinen Raum im Auto der Bass zu den tiefen Frequenzen hin immer "Stärker" wird da es zu einer Luftkompresion im Innenraum kommt, unabhängig von der eingesetzten Bass-Box


    Ich hoffe man kann verstehn was ich beschreiben will :wink:


    Gruß Steffen

  • Zitat von "karl-alfred_roemer"

    Der unterschied zwischen Halb- und Vollraum kann doch nur einige wenige dbs ausmachen.
    Ich glaube 3db oder so.


    Sind 6dB Unterschied :wink:
    Irgendwo hab ich gelesen, dass der eingesetzter Treiber die Volumen nutzt zwischen KH und Ohr und darauf abgestimmt wird. Auf die Entfernung hat er die Volumen nicht.

  • Danke für Eure Antworten. Das mit dem Druckkammereffekt könnte natürlich sein.
    Dennoch stört es mich, dass auch offene Kopfhörer gut funktionieren. Ich dachte
    bisher immer, dass die Druckkammer halbwegs dicht sein müsste. Beim Kopfhöhrer
    - schätze ich mal - sind immer noch gut 30-50% der 'Kammerwände' nach außen hin
    offen. :roll:
    Andererseits ist es bei Autos auch so, dass die auch bei offenen Fenstern noch
    überdurchschnittlich viel Bassanteil haben, obwohl das System Auto-Lautsprecher
    seinen Bass auch überwiegend aus dem Druckkammereffekt erzeugen soll.

  • wenn du Lust hast das ganze praktisch nachzuvollziehen, bau dir mal mit einem kleinen Treiber eine sehr kleine geschlossene Box, dann einmal den Frequenzgang in der Box messen == konstant unterhalb der Resonanzfrequenz und einmal im gleichen Abstand von der Membran außerhalb der Box messen = normaler Abfall unterhalb der Resonanzfrequenz.


    Die Druckkammer muss dicht sein, beim offenen Kopfhörer ist sie das (hoffentlich ) auch, sonst hätteste nen Loch im Trommelfell ;)

  • Käse. Mal nich alles durcheinanderwurschteln...


    "Druckkammer" beschreibt das ganze ziemlich korrekt! Ob der Kopfhörer "offene" oder "geschlossene" Bauweise hat ist hierbei sekundär. Sobald der Kopfhörer aufgesetzt wird entsteht im Zwischenraum zwischen Membran, Schaumstoffauflage und Ohr eine geschlossene "Druckkammer" (wenn man so will eine "geschlossene Lautsprecherbox" - nur dass hier der Hörende "in der Box" sitzt und nicht davor). Dadurch, dass die Kammer sehr klein ist, generiert die Membran (die dann im Verhältnis zum Kammervolumen ziemlich groß ist) schon erheblichen "Druck". Der Vergleich zu Auto und Kofferraum als "Druckkammer" geht in eine ähnliche Richtung... Wobei eigentlich der gesammte Innenraum des Autos schon eine Art Druckkammer darstellt (der Schall, welcher ja im Grunde nix anderes ist als "Luftüberdruckschwankungen", kann dort ja ebenfalls kaum entweichen).


    Sobald man den Hörer abnimmt hat man 1) einen akustischen Kurzschluss zwischen Innen- und Außenseite der Membran (bei "offenen" KH) und 2) geht der Druckkammereffekt flöten. 3) geht der Strahlungswiderstand einer so kleinen Membran im Freifeld gegen Null... folglich der Wirkungsgrad ebenfalls...


    Was das Thema "offener" und "geschlossener" KH angeht: Hier geht's um ganz andere Ziele. Ein "offener" KH lässt noch Schall von außen hinein. Der Druckkammereffekt ist schwächer. Dies trägt zu einem natürlicherem, detailreicheren, besser in die Umgebungsgeräusche eingebtettenen Klang bei. Oft wird auch die Stereoabbildung als besser ("offener") beschrieben. Nebenbei bringt ein "offener" KH noch so Vorteile mit sich wie Tragekomfort (Belüftung), besserere Komunikation mit Studiokollegen trotz aufgesetztem Hörer... ;)


    Ein geschlossener KH kann indes punkten wenn es um Arbeit in lauter Umgebung geht wie DJ-Monitoring, Schlagzeuger-"In-Ear" (wohl eher "On-Ear), FOH etc... Gleichenfalls im Studiobetrieb sinnvoll für Vokalisten, da somit das Übersprechen des Playbacks ins Mikrofon reduziert wird.

  • Zitat

    Ein "offener" KH lässt noch Schall von außen hinein. Der Druckkammereffekt ist schwächer.


    Dann liegt mein Denkfehler darin, dass ich angenommen habe, eine Druckkammer müsste
    relativ dicht sein. Das schien mir zwingend, wenn man bedenkt, wie klein bassreflexöffnungen
    im Vergleich zu den großen BR-Gehäusen sind.

  • Die Kammer zwischen Trommelfell und Kopfhörermembran ist bei guten Kopfhörern ziemlich dicht, relativ zum reellen Schalldruck, den die Membran erzeugt. Ein geschlossener Kopfhörer wie z.B. der Sennheiser HD25 oder der Beyer Dynamic DT770 unterscheidet sich nur durch die RÜCKSEITIG (die vom Ohr abgewandte Seite) geschlossene Kammer von offenen oder halboffenen Konzepten wie dem DT990 oder DT880 (halboffen). Zieht man so einen DT770 auf die Ohren, hat man sicherlich 20dB Dämpfung gegenüber ohne Kopfhörer. Das macht die "Dichtigkeit" der Kammer. Beim offenen klappt das natürlich nicht, weil der externe Schall einfach die sehr leichte Membran in Schwingung versetzt, also quasi durchlässig ist.


    Durch das geringe Volumen in dieser "Kammer" zwischen Trommelfell und Membran ist der Strahlungswiderstand recht hoch, die Luft kann ja nirgendwo hin entweichen, also bis auf die Kompressionsfähigkeit der Luft eine direkte Kopplung von Membran an Trommelfell.