Hallo Forenkollegen,
ich habe am letzten Wochenende sehr kurzfristig eine Musicalbeschallung in einem Theater gemacht. Technikplanung, Transport und Organisation lagen komplett in meiner Hand, dazu machte ich während der Show die Tontechnik und spielte die Backings von CD ein. Vier Tage Vorbereitungszeit können verdammt kurz sein, besonders wenn die Produktion etwas größer ist als meine üblichen Sachen! Die eigentliche Show lief auch super, wahrscheinlich weil so dermassen wenig Zeit zum Proben war, dass bei der Show jeder voll konzentriert auf seinem Posten war. Aber natürlich lief auch ganz viel schief, und Widrigkeiten sind aus völlig unerwarteten Richtungen aufgetaucht. Daher hier ein paar von den Lehren, die ich gezogen habe. Manches hat bei uns gut geklappt, manches ging schief, und manchmal hatten wir einfach Glück.
Alsdann: Wenn die Produktionen etwas größer werden:
1. Braucht man zum Monatsende hin einen Transporter, muss man früh buchen! Am letzten Wochenende des Monats ziehen in größeren Städten alle um. In München jedenfalls war kein Sprinter mehr zu bekommen. Bei Europcar gab man uns aber einen 7,5-Tonner zum Preis eines 3,8ers.
2. Ist man nun mit einem 7,5-Tonner unterwegs, muss man die Durchfahrtshöhe von Brücken beachten. Eine der Unterführungen auf dem Weg war 20 cm zu niedrig für den Wagen, so dass ich einen Umweg von einer halben Stunde fahren musste. Waren zwar nur ein paar Kilometer, aber eben durch den morgendlichen Berufsverkehr ... Daher unbedingt vorab die Route abfahren ODER deutlich mehr Zeit einplanen.
3. Hallenzufahrt klären und sicherstellen! In unserem Fall hatte niemand veranlasst, dass die direkte Hallenzufahrt möglich ist, so dass wir erstmal 30 Meter zur Halle zu überbrücken hatte (okay, war kein Problem mit Rollbrettern, hat aber Zeit gekostet)
4. Die Wege in der Halle beachten: In Clubs und anderen kleinen Locations ist man mit zehn Schritten vom Pult an der Bühne gelaufen, das dauert dann 5 bis 8 Sekunden. In "unserem" Theater musste man vom Pult nach hinten weg ins Treppenhaus, ein Stockwerk runter, durch das Foyer, dann in den Theatersaal, dort ganz durchlaufen, und dann stand man endlich vor der Bühne. Dauerte jeweils anderthalb Minuten einfach. Wenn man 20mal zwischen Pult und Bühne hin- und hergeht, sind das im Club ca. 5 Minuten für diese Hin- und Rückwege. In dem Theater war es fast eine Stunde nur Fußweg!
5. Theaterlicht ist aufwendig! Hat man einen Profi an einer Profianlage, ist wahrscheinlich alles in Butter (gesetzt den Fall, dass genug Zeit zur Programmierung und Vorbereitung bleibt). Im eher semiprofessionellen Bereich brauchten wir einen Mann für das konventionelle Licht, einen weiteren für die Programmierung und Bedienung des intelligenten Lichts und einen weiteren für die Bedienung des Verfolgers. Und die hatten alle drei gut zu tun!
6. Im Tonbereich war es purer Stress, gleichzeitig Tontechnik zu machen und die Playbacks abzufahren und rechtzeitig auszufaden! Besser hat man für beide Jobs je einen Techniker am Start!
7. Hat man bei einem Musical weniger Mikros als Akteure, braucht man (A) einen Ablaufplan, welcher Künstler wann welches Mikro nutzt und (B) mindestens einen Assistenten hinter der Bühne, der den Akteuren beim An- und Ablegen der Mikros hilft. In unserem Fall waren es ein paar Ansteckmikros von Sennheiser.
8. Ein Intercom zwischen diesem Assistenten und dem Tontechniker ist SEHR nützlich, um last-minute-changes mitzuteilen, denn diese gibt es immer!
9. Falls möglich, macht rechtzeitig ein Mikrofontraining mit den Akteuren! Viele sprechen an der Kapsel weiträumig vorbei, was den gewollten Effekt der Verstärkung drastisch verringert.
10. Wenn jemand mit angesteckten Funkmikro von der Bühne geht, hat er auch hinter der Bühne die Klappe zu halten, sonst kann es peinlich werden für alle Beteiligten! Das sollte Teil des Mikrofontrainings sein.
11. Kabel! Ach, was soll ich sagen, KABEL! Einmal die schiere Menge - mehr Kanäle bedeuten mehr Kabel, klar. Aber auch die Länge: Wie gesagt, eine 12 Meter breite Bühne will erst mal überbrückt werden. Aber die eigentliche Herausforderung liegt darin, Kabel grundsätzlich nicht ÜBER die Bühne zu verlegen und JEDE mögliche Stolperfalle zu vermeiden. So können zur Überwindung eines ein Meter breiten Ganges schon mal 5 Meter Kabel anfallen: 2,5 m hoch, 1 m rüber, 2,5 m runter. Und das setzt sich so fort. Wo auf einer kleinen Clubbühne ein 10 m-Kabel noch eine echte Ansage darstellt, verpuffen hier 20 m zu nichts ...
12. Kabel, die zweite: In diesem Bereich gibt es für die Tontechnik nur eine Sorte der Signalübertragung: Symmetrisch über XLR. Ende der Diskussion. Wer Zweifel hat, möge sich mit einem Durcheinander aus verschiedenen Steckerformen und Adaptern in die Höhle des Löwen (sprich: in so eine Produktion) wagen. Gebt mir vorher bescheid, damit ich weit, weit weg sein kann, wenn alles zusammenbricht.
Nein, im Ernst: Man hat es mit Unmengen von Störeinflüssen und Anforderungen zu tun, die Kabel müssen sich verlängern lassen, es müssen jede Menge Störsignale von Dimmern, Handfunken und der benachbarten Gastronomie abgewehrt werden, etc.pp. All dies zusammen geht nur mit symmetrischen XLR-Kabeln.
Natürlich nutzen Gitarristen und Keyboarder weiter ihre Instrumentenkabel. Aber dann kommt das Mikro mit XLR-Kabel vor den Amp und für den Keyboarder sofort eine DI-Box, welche ein symmetriertes und störunanfälliges Signal rausgibt. Faustregel: Alles, was übers MultiCore geht, ist symmetrisch.
13. Verantwortliche für verschiedene Bereiche: Kein Mensch kann alles im Kopf haben. Daher plädiere ich für rechtzeitige Teambildung und Klärung der Kompetenzen. Holt Euch Leute ins Boot, die einzelne Bereiche leiten. Z.B. das Aus- und Einladen. Nichts hält einen mehr auf, als wenn verschiedene Teile der Gesamtanlage aus verschiedenen Quellen (von verschiedenen Besitzern) stammen, und die werden beim Einladen kreuz und quer und durcheinander in den Laster gepackt.
14. Schliesslich und endlich: Holt Euch gute Leute ins Boot. Wir hatten so dermassen Glück mit unserem extern angeheuerten Lichttechniker für das intelligente Licht! Der hat erstens mehr gemacht als vereinbart, war zweitens super professionell und drittens immer freundlich, auch unter Stress. Und bei der Show dann hochkonzentriert und -motiviert. Als dann nach der Pause etwas mit der Programmierung der Moving Heads schief lief, hat er einfach manuell eingegriffen und bis zu seinem nächsten Einsatz die Programmierung nochmal überprüft und, wo es sein musste, korrigiert.
Viele Grüße
Jo