Frage zur Fensterlänge

  • Ich sitze/stehe im Moment auf dem Schlauch und benötige ein wenig Aufklärung :oops:


    Ich habe die Impulsantwort einer Soundkarte ermittelt (UA-30 -> SPDIF -> Ultramatch DAC -> Ultramatch ADC -> SPDIF -> UA-30). Wenn ich jetzt die Impulsantwort vor der DFT fenstere, sollten sich doch Veränderungen im Spektrum ergeben - oder?! Ich habe probeweise Blackman mit 1ms, 5ms und 200ms angewendet und konnte leider nichts dramatisches erkennen. Vielleicht sind auch einfach nur meine Octave Scripts falsch... :cry:


    Könnte mir jemand eine kurze Zusammenfassung geben, welche Auswirkungen die Wahl der Fensterlänge haben sollte.

  • Fensterfunktionen erfreuen sich immer grosser Beliebtheit,
    da man sich schon intensiver mit der Signaltheorie beschäftigen muss, um es richtig zu verstehen. Daher geistern immer so ein paar Halbweisheiten durch die Gegend.... 8)
    BTW: Ein Klassiker auff dem Sektor ist John G Proakis: Digital Signal Processing. Recht allgemein gehalten und genau das richtige für einen kalten Winterabend.
    Der Knackpunkt ist der Unterschied zwischen der zeitkoninuirlichen FourierTransformation (FT) und der zeitdiskreten Fouriertransformation (DFT). FFT spielt hier keine Rolle da nur eine effiziente Implementierung der DFT.
    Der Knackpunkt ist wenn man die DFT eines Blockes erechnet, so entspricht dies der FT des Blockes wenn man diesen periodisch unendlich fortsetzt.
    Das führt immer dann zu Problemen, wenn das Signal an den Blockgrenzen nicht Null ist, bzw sich nicht periodisch fortsetzten lässt. Dann kommt es zu Unstetigkeiten die zum Leakage-Effekt führen.
    Dies kann man durch Fensterfunktionen entschärfen, die das Signal an den Blockgrenzen dämpfen.


    Sofern die Impulsantwort vollständig ineinem Block enthalten ist und an den Grenzen Null ist braucht man nicht zu fenstern. Dies wird nur dann wichtig wenn man die Impulsantwort anschneidet. Daher hat auch in Deinem Fall die Fensterfunktion nur einen geringen Einfluss


    docjordan

  • Zitat

    ...Fensterbreite von 1ms das Spektrum erst oberhalb von 1kHz beginnen...


    Das heißt, die untere Grenzfrequenz ergibt sich aus dem Reziprokwert der Fensterlänge? Lassen sich aus der Fensterlänge noch weitere 'Kennzahlen' ableiten?


    Für die gegebene Situation könnte ich also auch ohne Fensterung arbeiten, und würde den Frequenz- und Phasengang in voller 'Schönheit' erhalten - oder?

  • Hi,


    ja, man sagt, dass mindestens eine Wellenlänge in's Fenster passen muss, damit man bei der Frequenz auch sinnvolle Resultate erhält.


    Im Prinzip macht man immer eine Fensterung, da man ja immer einen endlich langen Bereich betrachtet.
    Das mit der Fensterung ist so eine Sache, denn zum einem 'fenstert' das Ohr auch, zum anderen will man natürlich in den Höhen wenig Reflexionen, und in den Tiefen aber noch sinnvolle Resultate.
    Daher teilen viele Messprogramme das Spektrum in verschiedene Bereiche, die dann unterschiedlich lang gefenstert werden.
    Ich kopiere ganz frech mal die entsprechende Seite aus dem SATlive Hilfefile:


    Smooth FFT


    Die Smooth FFT ist eine spezielle Berechnung der FFT, die dem menschlichen Hören näher kommt als die klassische FFT.


    Der Hintergrund:


    Das menschliche Ohr untersucht das Gehörte und 'gewichtet' den Schall nach verschiedenen Kriterien.
    So wird der zuerst eintreffende Schall als 'Nutzschall' bewertet, und zur Ortung der Signalquelle herangezogen (Haas Effekt, Gesetz der ersten Wellenfront).
    Später eintreffender Schall wird als 'Störschall' interpretiert und weniger stark wahrgenommen.


    Diese zeitliche Aufteilung kann ein normale RTA nicht leisten, da er 'zeitblind' ist.
    Bei der FFT bedient man sich der Fensterung, d.h. man 'schneidet' ein gewissen Bereich aus der Impulsantwort und transformiert ihn in den Frequenzbereich. Mit dieser Methode kann man bereits gewisse Anteile des Diffusschalls ausblenden.
    Es ist jedoch so, dass die zeitliche Schwelle, bei der für das Ohr der Diffusschall beginnt, frequenzabhängig ist, und von wenigen ms im Hochtonbereich bis zu über eine halbe Sekunde im Bassbereich reicht.


    Daher liefert eine Fensterung in Verbindung mit einer FFT, speziell in halligen Räumen, kein dem menschlichen Hören ähnliches Ergebnis.


    Der Ansatz der SmoothFFT:


    Um dem Verhalten des menschlichen Ohres näher zu kommen, wird bei der FFT der hörbare Frequenzbereich in 9 Bereiche unterteilt, die mit verschied lang Fenstern untersucht werden. Die einzelnen Bereiche werden dann getrennt durch eine FFT in den Frequenzbereich transformiert, wo die Kurve wieder zusammen gesetzt wird.


    Dem ganzen ist die vom Benutzer vorgegebene Fensterung überlagert, wobei immer das kürzere Fenster die Länge bestimmt. Für alle Fenster der SmoothFFT wird die vom Benutzer vorgegebene Fensterfunktion übernommen.


    Bei 48kHz Samplerate kommen die folgenden Parameter zum Einsatz:


    16 Hz- 93,75 Hz Fensterlänge 684 ms, Auflösung 1,46 Hz
    93,75 Hz - 187,5 Hz Fensterlänge 342 ms, Auflösung 2,93 Hz
    187,5 Hz - 375 Hz Fensterlänge 171 ms, Auflösung 5,86 Hz
    375 Hz - 750 Hz, Fensterlänge 85,3 ms, Auflösung 11,7 Hz
    750 Hz - 1.5 kHz, Fensterlänge 42,7 ms, Auflösung 23,4 Hz


    1.5 kHz - 3 kHz, Fensterlänge 21,4 ms, Auflösung 46,9 Hz
    3 kHz - 6 kHz, Fensterlänge 10,7 ms, Auflösung 93,8 Hz
    6 kHz - 12 kHz, Fensterlänge 5,3 ms, Auflösung 188 Hz
    12 kHz - 24 kHz, Fensterlänge 2,7 ms, Auflösung 375 Hz


    Durch die SmoothFFT wird auch ein ausreichende Anzahl an FFT Punkten im Bassbereich mit einer angemessenen Anzahl von FFT Punkten im Bereich der Höhen kombiniert. Dadurch kann man, im Gegensatz zur klassischen FFT, mit den Cursortasten gut die gesamte Kurve abfahren.


    In der Praxis korrelieren die mit SmoothFFT gemessenen Werte gut mit dem Höhreindruck.


    Tomy

    SIM II Operator and Dante Level I-II-III (alles sogar zweimal :)
    Jugendschwimmabzeichen, Rettungsschwimmabzeichen in Bronze
    Meine kommerziellen Softwareprodukte SATlive und LevelCheck

  • Ach ja,


    was ich noch schreiben wollte: Die Phase (und damit das Groupdelay) beziehen sich immer auf den Fensteranfang. Das hat mich am Beginn meiner Programmiererei ziemlich verwirrt, da der Phasengang jeder Audiokarte recht schlecht ausgesehen hat.


    Tomy

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  • Wo wir gerade bei Fenstern sind, würde ich gerne einen Punkt anschließen, der mich schon lange bewegt. Üblicherweise setzt man ja ein Fenster, um den Direktschall zu isolieren. Durch den Vergleich von gefenstertem und ungefenstertem Frequenzgang versucht man dann den Einfluss des Dissusfeldes respektive von Reflexionen auszumachen und daraus entsprechende Filter abzuleiten.


    Nun kann man aber auch nicht den Direktschall sondern eben alles außer dem Direktschall fenstern. Somit bekommt man quasi den Frequenzgang des Diffusfeldes. Hat jemand Erfahrungen, in wie weit sich dieser eignet, um eine "House-EQ-Kurve" zu erstellen?

  • Hi Volker,


    das klingt interessant, allerdings würde ich mich eher auf den ersten Teil der IR konzentrieren, da ja das Gehör auch mehr auf den ersten Teil geht. Die Werte, die du erhälst müssten imho mit den klassischen Nachhallparametern C50/80 D50/80 für den entsprechenden Bereich korrelieren.
    Da ich gerade etwas an der STI Auswertung von SATlive feile, und man da manche Dinge sehr schön in dem Verauf der m's sehen kann, frage ich mich, ob vielleicht diese Werte für die Lokalisierung von Problemstellen sinnvoll wäre.
    Aber, wie schon manchmal gesagt, ich denke, der erste, der es wirklich schaft, eine gute House EQ Kurve unter den verschiedensten Bedingungen mit dem Rechner zu erstellen, der hat gute Chancen reich zu werden.


    Tomy

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  • Hi zusammen,


    da ich betontermaszen keine Ahnung habe, Folgendes:


    Zitat

    Nun kann man aber auch nicht den Direktschall sondern eben alles außer dem Direktschall fenstern. Somit bekommt man quasi den Frequenzgang des Diffusfeldes.


    Ich vermute, dass diese Aussage doch recht generalisiert ist. Den Frequenzgang des Diffusfeldes kann man mittels Fensterung nur dann einigermaszen beurteilen, wenn das anregende Signal vollstaendig ausgeschwungen ist, anderenfalls beeinflussen Fragmente der anregenden Impulsantwort die Auswertung.


    Faltet man hingegen die gemessene Impulsantwort mit einer repraesentativen Impulsantwort der Quelle, gemessen unter quasi-reflexionsfreien Bedingungen, erhaelt man eine Impulsantwort deren Auswertung einen besseren Eindruck ergeben koennte.


    Und nun die Crux bezueglich der "House-EQ-Curve": Gesetzt den Fall die Quelle weist unter quasi-reflexionsfreien Bedingungen ein anstrebenswertes Abstrahlverhalten und einen geeigneten Komplexfrequenzgang auf, wie verhaelt man sich, wenn das Diffusfeld in einem bestimmten Frequenzbereich "ueberbetont"? Rausdrehen? Damit verhagelt man die anfaengliche Impulsantwort.


    Der von Tomy adaptierte Ansatz der frequenzabhaengig variablen Fenstergroesse funktioniert da schon viel besser (kann ich aus zigfacher Erfahrung nur bestaetigen), hilft aber nur bedingt weiter, wenn deutlich verfaerbte Reflexionen weit entfernt liegender Grenzflaechen ins Spiel kommen.


    Gruesse