Es ist gestern an mich die Frage herangetragen worden, ob Traversenlifte eine Zulassung nach BGV C1 brauchen. Für gewöhnlich würde man sagen "damit liegt man auf der sicheren Seite, also ja". Die Frage war aber nicht, ob es besser wäre, sondern ob es zwingend nötig ist.
Die vollständige Beantwortung dieser Frage würde durchaus Stoff für eine juristische Dissertation bieten, sowohl vom Umfang her als auch vom Niveau der Fragestellung. Versuchen wir's mal kurz und verständlich:
1.) Die BGV C1 ist eine berufsgenossenschaftliche Vorschrift, sie gewinnt durch die Bestimmungen im Sozialgesetzbuch VII (§15 und andere, http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/sgb_7/ ) quasi Gesetzescharakter.
Die BGV C1 dient dem Schutz der Beschäftigten als unmittelbares Recht, nicht jedoch dem Schutz des Publikums. Für den Schutz des Publikums gilt sie jedoch über den Umweg des Schadensersatzrechts als anerkannte Regel der Technik.
Wie die Situation aussieht, wenn ein paar Freiberufler da vor sich hin werkeln, ist sehr unübersichtlich. Weniger, ob die BGV C1 anzuwenden ist (das ist sie), sondern mehr, ob sie direkt als Vorschrift oder indirekt als anerkannte Regel der Technik gilt.
Kurz gefasst: Die BGV C1 ist für uns verbindlich. Über welchen Weg sie das ist, müssen im Einzelfall Juristen entscheiden.
2.) Wenn man sich die BGV C1 näher ansieht, dann wird das Wort "Traversenlift" mit keinem Wort erwähnt, es steht auch nirgends, dass nur zugelassene Produkte zu verwenden sind.
Die BGV C1 setzt wie jede ordentliche Vorschrift im Geiste der Deregulierung Schutzziele, und verwendet dafür unbestimmte Rechtsbegriffe, die für den Einzelfall durch technische Regelwerke (allen voran die DIN-Normen) ausgefüllt werden. Daneben gibt es weitere Schriften der Berufsgenossenschaft, die teilweise auch als BGV C1-Erläuterung deklariert sind. Und natürlich gibt es für die BGV C1 auch Durchführungsanweisungen, die praktischerweise gleich in den Text aufgenommen sind.
Für unser Problem sind vor allem zwei Bestimmungen der BGV C1 interessant:
Zitat von "BGV C1 §4"Standsicherheit und Tragfähigkeit
Flächen und Aufbauten müssen so bemessen und beschaffen sein sowie so aufgestellt, unterstützt, ausgesteift, eingehängt und verankert werden, daß sie die bei der vorgesehenen Verwendung anfallenden statischen und dynamischen Lasten aufnehmen und ableiten können. Sie müssen auch während des Auf- und Abbaus standsicher und, wenn sie betreten werden, tragfähig sein.
In der Durchführungsanweisung sind dann neun DIN-Normen explizit aufgeführt. (Die BGV C1 inkl. Durchführungsanweisung lässt sich hier downloaden: http://www.dthg.de/praxis/vstaett/index.htm ) Für Traversenlifte passt hier aber nichts so richtig.
Zitat von "BGV C1 §8"Alles anzeigenSicherung gegen unbeabsichtigte Bewegungen
(1) Bewegliche Einrichtungen der Ober- und Untermaschinerie mit ihren Lasten müssen mit Sicherungen gegen unbeabsichtigte Bewegungen ausgerüstet sein.
(2) Zur Sicherung gegen unbeabsichtigte Auf- und Abwärtsbewegungen von Einrichtungen der Ober- und Untermaschinerie mit ihren Lasten müssen
1. geeignete Triebwerke,
2. Bremsen
oder
3. Gegengewichte in Verbindung mit Feststelleinrichtungen
vorhanden sein.
(3) Es müssen Einrichtungen vorhanden sein, die bei Auftreten eines Fehlers die bewegten Lasten zum Stillstand bringen können.
(4) Abweichend von Absatz 3 müssen Bewegungsvorgänge von sicherheitstechnischen Einrichtungen bestimmungsgemäß ablaufen können.
Wenn ich "Ober- und Untermaschinerie" höre, denke ich an ein Staatstheater oder ein Opernhaus. Liest man allerdings die Durchführungsanleitung, dann sich da auch Stative erwähnt, und zwar mit dem Hinweis auf DIN 15 670-27.
3.) Damit sind wir beim eigentlichen Kern: Traversenlifte sind nicht in der BGV C1 geregelt, und auch nicht in einer der berufsgenossenschaftlichen Richtlinien, sondern in der DIN 15 670-27. Davon gibt es zwei Fassung: Eine vom Februar 1996 (altes DIN-Taschenbuch 342), und einen Entwurf vom April 2004 (neues DIN-Taschenbuch 368).
Aus der Frage, welche der beiden Fassungen nun gilt, möchte ich mich komplett raushalten. Dazu bin ich dann doch zu wenig Jurist. (Zu berücksichtigen: Arbeitsschutzgesetz, Betriebssicherheitsverordnung, Zeitpunkt der Beschaffung...)
4.) Schauen wir uns beide Fassungen parallel an. Bei der ursprünglichen Fragestellung geht es um einen handbetriebenen Traversenlift mit Seilzug. Schauen wir uns an, was dort über Stahlseile steht:
Zitat von "DIN 15 670-27E/2004 5.5.1"Werden Seile als Tragmittel verwendet, sind mindestens 2 einzusetzen
Zitat von "DIN 15 670-27/1996"Werden Tragmittel... verdeckt geführt, sind zwei voneinander unabhängige Tragmittel einzusetzen
Man müsste sich jetzt sehr genau ansehen, ob das Seil Tragmittel ist, also ob es die Last permanent trägt. Es gibt ja auch Traversenlifte, bei denen dann Bolzen einrasten und das Seil entlastet werden kann. Es muss dann aber konstruktiv sichergestellt sein, dass es seine Führung nicht verlassen kann.
Es gäbe für tragende Seile auch noch andere Bestimmungen, sie dürfen beispielsweise nicht ungeordnet gewickelt werden. Daneben gibt es auch noch Bestimmungen, die mit Seilen nichts zu tun haben, beispielsweise bezüglich der Stand- und Knicksicherheit.
5.) Der langen Rede kurzer Sinn: der Traversenlift braucht keine BGV C1-Zulassung, sondern muss DIN 15 760-27 entsprechen. Da man in der Praxis jedoch kaum seine Lifte mit der DIN abgleichen möchte, gibt es die BGV C1-Zulassung: Da sagt dann die Berufsgenossenschaft, dass dieser Lift den Regeln der Technik entspricht, und das darf man dann erst mal glauben.
6.) Lifte, die nur als Auf- und Abbauhilfe verwendet werden, gehören nicht zur Ober- und Untermaschinerie, sondern sind Arbeitsmittel, und müssen somit nur BGV D8 entsprechen. Man könnte dort auch dauerhaft eine Traverse drauf lassen, wenn sichergestellt wird, dass da keine Personen drunter sind. Das könnte beispielsweise dadurch passieren, dass da Bauzaun drumrumgebaut wird, oder dass da Boxen hochgestapelt sind und somit da keiner hin kann.
EDIT ADMIN: Mich erreicht gerade noch ein Hinweis von Ralf Stroetmann (http://www.b-safe.de Nach §2 BGV C1 gehören Stative zu den maschinentechnischen Einrichtungen. Somit haben wir den ganzen Spaß nach §33 (Prüfungen durch Sachverständige vor der ersten Inbetriebnahme und dann alle vier Jahre).
Wörtlich genommen würde das auch für Mikrofonstative gelten... :roll: