Formulierung der "Sicherheitsklausel" für Gastspielvertrag

  • Um noch mal sachlich was dazu zu sagen. Ich halte es es fuer fragwürdig wenn jeder VA Techniker immer denkt das er zum Thema Sicherheit was zu sagen hat.
    Ist es nicht eigentlich so das die rechtsverbindliche Kontrolle von Arbeitsprozessen in jeglicher Industrie nur den Personen auferlegt werden sollte welche kein materielles Interesse am Ergebnis dieser haben?
    Oder anders gesagt. Wenn ich Künstler und Kontrolleur gleichzeitig bin könnte man mir ja bei Absage einfach unterstellen ich hatte nur keine Lust oder konnte an dem Tag nicht singen.
    Deswegen gibt es ja sowas wie die Executive ( Polizei) Also jemand schafft Regeln und Gesetze ( Legislative) und jemand anderes (Executive) setzt sie durch.


    Nun denn was soll man von einer Industrie erwarten die als letzte Hochburg noch an Selbstregulierung glaubt? Eine Industrie in welcher der Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft sozusagen eine Person sind.



    Bitte nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen Sicherheit und Regeln. Ich glaube nur, das wir alleine schon aus materiellen Gründen voreingenommen sind, und deswegen eine Kontrolle von aussen und unparteiisch sein muss.
    Ich hoffe Ihr wisst was ich damit meine :oops:

    Practice, Practice, Practice

  • Zitat von "gert"


    Deswegen gibt es ja sowas wie die Executive ( Polizei) Also jemand schafft Regeln und Gesetze ( Legislative) und jemand anderes (Executive) setzt sie durch.
    (...)Bitte nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen Sicherheit und Regeln. Ich glaube nur, das wir alleine schon aus materiellen Gründen voreingenommen sind, und deswegen eine Kontrolle von aussen und unparteiisch sein muss.


    Das Problem ist eben, daß nicht alles "richtige" Gesetze sind, sondern Verordnungen von div. Verbänden. Was ja nicht heißen soll, daß diese kein Gewicht haben oder nicht sinnig sind.
    Aber was nicht ein Gesetz ist, kann auch nicht von einer Exekutive durchgesetzt werden.


    Wenn dem so wäre, dann gäbe es sicherlich auch entsprechende Kontrollen vor Veranstaltungen und dann wären auch Veranstalter und VT-Firma sensibler in Bezug auf diese Dinge...

  • Zitat von "billbo"


    Und weil er das weiß freut er sich ganz besonders über Möchtegern – Vertragsentwürfe, die ihm für den Problemfall schon im Voraus gleich mal mit allerlei Maßregelungen und Unannehmlichkeiten drohen möchten.


    Ist nicht die Hälfte aller Bühnenanweisungen mit div. Maßregelungen nur so gespickt? Angefangen von den Hands, die wenn sie nicht pünktlich, nüchtern und brauchbar sind mit Vertragsstrafen aufgerechnet werden bis hin zur Whiskysorte, die stimmen muss, bevor der Künstler gnädigerweise auftritt...
    Da klingt doch die Aufforderung nach Einhaltung von VDE, BGV und LMAA eher amüsant....


    Und da Künstler wissen, daß solche Klauseln nie alle beachtet werden, schreiben sie dafür dann umso mehr rein, damit wenigstens ein Teil passt. Und weil die Veranstalter das auch wissen, daß viele Bühnenanweisungen aus diesem Grund übertrieben sind, nehmen sie diese nicht 100%ig ernst...


    Ach ja, und da sind ja auch noch die Künstler, die gar nicht wissen, was in diesen Verträgen drinsteht. "Was, das steht in unserer Anweisung? Interessant. Nein, kenne ich nicht, das macht die Agentur für uns...."
    Oder "Verfolger? Wieso das? Brauchen wir nicht... - Ach im Rider steht der? - muss wohl noch eine alte Anweisung sein, das war mal vor 3 Jahren für ein anderes Programm..."
    Oder: "Gefordert wird ein Pult mit mind 48 Kanälen...." Channelliste: "Kanal 1: Mikro Künstler, Kanal 2+3 Zuspieler stereo"


    Wenn das Bühnenleben nicht immer so voll von solchen Vorfällen wäre, würden manche solche Anweisungen auch ernster nehmen...

  • Zitat von "mringhoff"

    Das Problem ist eben, daß nicht alles "richtige" Gesetze sind, sondern Verordnungen von div. Verbänden.


    Das hab ich schon verstanden. Wie Rechtswirksam sind diese denn dann? Wenn sie nicht Rechtswirksam sind muss man sie ja auch nicht einhalten oder? Mir fehlt da das Verständnis fuer die Grauzone.
    Aber wo auch immer diese Regeln herkommen, das beurteilen darf doch nicht der am Vertrag beteiligten Firmen obliegen oder? Das würde doch dann heissen das im Zweifel der Kläger auch der Richter ist.

    Practice, Practice, Practice

  • Zitat von "gert"

    Wie Rechtswirksam sind diese denn dann? Wenn sie nicht Rechtswirksam sind muss man sie ja auch nicht einhalten oder? Mir fehlt da das Verständnis fuer die Grauzone.
    Aber wo auch immer diese Regeln herkommen, das beurteilen darf doch nicht der am Vertrag beteiligten Firmen obliegen oder? Das würde doch dann heissen das im Zweifel der Kläger auch der Richter ist.


    Diese Regelungen der Verbände entsprechen den "Stand der Technik", haben also einen gesetzesähnlichen Charakter. Im Schadensfall richtet sich ein Gericht eben nach diesen Regelungen. Insofern kann man diese Regelungen nicht einfach missachten.
    Nachdem sich der Stand der Technik auch immer wieder ändern kann und man auch nicht jedes kleinste Detail in ein Gesetz packen möchte, dient diese Herangehensweise also mehr zur Deregulierung, was ja an sich zu begrüßen ist.


    Im Nachhinein (Schadensfall/Unfall) sind diese Regelungen also sehr wohl rechtswirksam, man tut also gut daran, diese prophylaktisch auch im Vorhinein zu beachten. Allerdings kann man nicht belangt/bestraft werden, wenn man diese Regelungen nicht einhält und es eben nicht zu einem Schadensfall gekommen ist, es sei denn, es ist sog. "Gefahr im Verzug".


    Wer als Künstler jetzt an einen unverbesserlichen, geldaffinen Veranstalter gerät, der seine Veranstaltungsstätte mit haarsträubender Technikinstalltion ausgestattet hat, kann nicht einfach den Auftritt deswegen absagen. Wird das aber zwischen den beiden Parteien vereinbart, daß man sich an diese und solche Regelungen hält, entspricht das eben juristisch gesehen einen Vertragsbruch seitens des Veranstalters, womit auch wiederum ein Veranstaltungsabbruch juristisch gerechtfertigt sein kann. Insofern dieser Passus in den Verträgen.


    Ob das vor Ort dann durchgezogen wird und ob nicht eher das Image des Künstlers als das des Veranstalters leidet, steht auf einem anderen Blatt. Auch die Verhältnismäßigkeit der Gefahr dürfte eine Rolle spielen und vor Ort sicherlich zur Diskussion führen.

  • Zitat von "mringhoff"


    Diese Regelungen der Verbände entsprechen den "Stand der Technik", haben also einen gesetzesähnlichen Charakter


    Ok das macht ja auch Sinn. Aber dann ist es ja auch prüfbar und zur Not auch ohne Unfall.


    Zitat von "mringhoff"

    Wer als Künstler jetzt an einen unverbesserlichen, geldaffinen Veranstalter gerät, der seine Veranstaltungsstätte mit haarsträubender Technikinstalltion ausgestattet hat, kann nicht einfach den Auftritt deswegen absagen. Wird das aber zwischen den beiden Parteien vereinbart, daß man sich an diese und solche Regelungen hält, entspricht das eben juristisch gesehen einen Vertragsbruch seitens des Veranstalters, womit auch wiederum ein Veranstaltungsabbruch juristisch gerechtfertigt sein kann. Insofern dieser Passus in den Verträgen.


    Ja genau da würde ich widersprechen wollen. Ob es denn total unsicher ist oder ob ich deswegen eine Show absagen darf muss doch jemand entscheiden der das erstens beurteilen kann und zweitens unparteiisch ist. Ich könnte ja auch ein Künstler sein der an dem Tag die Stimme verloren hat und deswegen in die Halle kommt und sagt. "Das ist ja total unsicher hier ich spiele hier nicht". Damit würde ich ja den schwarzen Peter weitergeben.
    Mir geht es nur darum wer denn im Streitfalle entscheiden darf. Und das ist meiner Meinung nach keiner der beiden Vertragspartner.

    Practice, Practice, Practice

  • Zitat von "gert"


    Mir geht es nur darum wer denn im Streitfalle entscheiden darf. Und das ist meiner Meinung nach keiner der beiden Vertragspartner.


    Das ist genauso wie im richtigen Leben.
    Der Streitfall wird also nicht auf der Bühne entschieden, sondern dann ein paar Monate später im Gerichtssaal.


    Wenn also der Künstler sich im Recht fühlt und die Veranstaltung absagt, dann tut er gut daran, alles auch schön zu dokumentieren (Fotos, Zeugen etc.)

  • Zitat von "gert"

    Ja genau da würde ich widersprechen wollen. Ob es denn total unsicher ist oder ob ich deswegen eine Show absagen darf muss doch jemand entscheiden der das erstens beurteilen kann und zweitens unparteiisch ist. Ich könnte ja auch ein Künstler sein der an dem Tag die Stimme verloren hat und deswegen in die Halle kommt und sagt. "Das ist ja total unsicher hier ich spiele hier nicht". Damit würde ich ja den schwarzen Peter weitergeben.
    Mir geht es nur darum wer denn im Streitfalle entscheiden darf. Und das ist meiner Meinung nach keiner der beiden Vertragspartner.


    Im Zweifelsfall wird das nachher ein Gericht zu klären haben, ob die Absage gerechtfertigt war oder nicht, oder ob es sich um Attitüden des Künstlers handelt. Natürlich ist es schwer so etwas vollkommen unvoreingenommen zu beurteilen wenn man ein wirtschaftliches oder sonstges Interesse hat. In der perfekten Veranstaltungswelt kommen wir natürlich garnicht in diese Schwierigkeiten, da ja ein Verantwortlicher vor Ort ist der zuallererst die Sicherheit im Blick hat.


    Sry hatte kurz übersehen dass es leider nicht perfekt ist. Muss dir wie gesagt voll zustimmen, dass es vor dem materiellen Interesse des Künstlers schwierig ist ihm oder "seinen" Technikern diese Entscheidung zu überlassen, aber vor Ort gibt es ja leider keinen unparteiischen der das mal eben entscheiden könnte.


    Was soll also der Künstler mit seinen Techniker tun? Unter möglicherweise wirklich gefährlichen Bedingungen auftreten? Oder absagen und deswegene selber eine Vertragsstrafe entrichten müssen. Diese Klausel soll nur dem Selbstschutz dienen.


    Wie oben schon vermutet wird sich im Streitfall nachher sowieso ein Gericht damit auseinandersetzen müssen, wenn es zu einer Absage käme und dann bekommt vermutlich der mit der besseren Beweisdokumentation recht.


    Und ich glaube allen Gegenbeweisen zum trotz noch an das gute im Menschen ;)


    edith sagt: da war wer schneller

    Daniel Heide
    Lange Reihe 4
    99755 Hohenstein


    Lass dir von Keinem imponieren der sagt: "Das mache ich schon seit 20 Jahren so!" Man kann etwas auch 20 Jahre lang falsch machen.
    Bildung ist meistens kostenlos, manchmal auch umsonst!

  • OK dann ist es ja im Prinzip wie früher auch. Kann man dann davon ausgehen das die Gerichte nur nach Fakten prüfen und sich bei der Beurteilung an Gesetzen und Regeln der verschiedenen Verbände orientieren?


    Wenn ja heisst das ja das man sich die Klausel im Vertrag ja sparen kann. Das würde den Ton des Vertrages ja deutlich netter gestalten und eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen.
    Ich glaube mich zu erinnern das eine schlechte Klausel groessere Nachteile bringt als keine.

    Practice, Practice, Practice

  • Das kommt jetzt darauf an, um welchen Fall die Gerichte urteilen.
    Würde es um einen Schadensfall handeln, dann ziehen diese natürlich diese Regelungen in die Beurteilung mit rein.
    Würde jedoch um einen Vertragsbruch verhandelt werden, geht es nicht nur darum, sondern um den Vertrag bzw. um die Verhältnismäßigkeit. Wird in einem Vertrag explizit darauf hingewiesen, was der Veranstalter einzuhalten hat, dann wiegt das natürlich schwerwiegender im Falle des Vertragsbruchs, wenn der Veranstalter eben dies doch nicht eingehalten hat.


    Inwieweit ein Urteil anders ausfallen würde, wenn dieser Passus nicht enthalten gewesen wäre, weiß vermutlich auch keiner, hierzu bedarf es erstmal ein paar Musterfälle. Aber wenn man es mal zur Sicherheit reinschreibt, macht man juristisch ja auch nichts falsch. Insofern ist es keine schlechte Klausel, vom Ton mal abgesehen.


    Und die Zusammenarbeit vor Ort sehe ich jetzt wegen so einer Floskel auch nicht als gefährdet an. Wie gesagt, das geht bei den allermeisten bei dem einen Ohr rein und bei dem anderen wieder raus. Und bei den allermeisten Spielstätten sollte das von der Sicherheitsseite ja auch kein Problem darstellen.

  • Zitat von "gert"

    Das würde den Ton des Vertrages ja deutlich netter gestalten und eine bessere Zusammenarbeit ermöglichen.


    Sehr vernünftig. Natürlich ist ein Vertrag kein Liebesbrief voller Schmalz und Gesülz. Es geht darum, die gegenseitigen Interessen (die sich ja durchaus widersprechen können) einvernehmlich aneinander anzupassen und voneinander abzugrenzen. Drum heißt es ja auch "VERTRAG", weil sich Band und Veranstalter anschließend noch vertragen sollen. Ich habe vor einigen Jahren mal einen recht angenehmen Hinweis gelesen, der lautete (sinngemäß): "Wir nehmen die Sicherheit von Publikum, Band und Crew vor, während und nach dem Auftritt ernst und gehen davon aus, dass der Veranstalter dies in seinem eigenen Interesse auch tut." Damit ist eigentlich alles gesagt, der Ton bleibt vertraglich (verträglich?), und es wird klargestellt, dass es nicht um irgendwelche Paragrafenreiterei, sondern um die Sicherheit aller Beteiligten geht. Gleichzeitig bleibt die Option offen, von den geltenden Regeln der Kunst abzuweichen, wenn das vor Ort dann trotzdem passt.


    Ich würde um jeden Preis darauf verzichten wollen, an dieser Stelle irgendwelche Gesetze, Paragrafen, Richtlinien, BGVs oder sonstwas zu sitieren. Im Ernstfall fehlen Dir nämlich sicher genau die, die Du gebraucht hättest.


    --
    Jeremy

    Harvard'sches Gesetz für Tierversuche: "Unter sorgfältigst kontrollierten, dokumentierten und jederzeit reproduzierbaren Laborbedingungen verhalten sich Versuchstiere immer so, wie es ihnen gerade passt."

  • Da geb ich auch mal meinen Senf zu den Garanten dazu. Alle Regelungen des Arbeitsschutzes haben als Garanten, also denjenigen, der für Sicherheit im Sinne von Arbeits- und Gesundheitsschutz sorgen muss, den Unternhemer, bzw. den Arbeitgeber. Im Rahmen der Koordinierungspflichten aus dem ArbeitsschutzGESETZ muss er dann auch alle anderen, die sich in seiner Reichweite befinden koordinieren.


    Sollte in einem Venue irgendwas wirklich unsicher sein, hat der Künstler, die Crew dann ja den TL, der aufgrund seines Tätigkeitsbildes mindestens Fachkraft, besser noch Meister ist und dann eine Entscheidung treffen kann (o.k., das war die beste aller Welten, aber eigentlich so vom Verordnungsgeber gewollt)

    -> Arbeitssicherheit, Koordination Arbeitssicherheit auf Großveranstaltungen

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